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Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835.

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immer deutlicher als Gestöhn und schmerzliche
Klage zu erkennen gaben. Es war wie das
Jammern eines Verwundeten, der sich fürchtet,
durch übergroßen Schmerzausdruck des Mundes
vielleicht die brennenden Leiden seines Scha¬
dens desto stärker zu machen.

Wally blieb betroffen stehen. Ihr siedendes
Blut gerann und die Fieberhitze wich einer kal¬
ten Erstarrung, in die der Schreck ihre Glie¬
der versetzte.

Sie sahe, daß sich im Hintergrunde der
Allee Etwas bewegte, das auf sie heranzukom¬
men schien. Die Angst hatte sich ihrer Seele
so sehr bemächtigt, daß sie nicht einmal wagte,
zu entfliehen. Wie angewurzelt blieb sie stehen,
und wankte nur, als eine menschliche Figur
immer näher trat, mechanisch hinter einen
Baum, von dem sie glaubte, daß er ihr Schutz
gewähren könne.

Ein Weib kam mit händeringenden Geber¬

immer deutlicher als Geſtöhn und ſchmerzliche
Klage zu erkennen gaben. Es war wie das
Jammern eines Verwundeten, der ſich fürchtet,
durch übergroßen Schmerzausdruck des Mundes
vielleicht die brennenden Leiden ſeines Scha¬
dens deſto ſtärker zu machen.

Wally blieb betroffen ſtehen. Ihr ſiedendes
Blut gerann und die Fieberhitze wich einer kal¬
ten Erſtarrung, in die der Schreck ihre Glie¬
der verſetzte.

Sie ſahe, daß ſich im Hintergrunde der
Allee Etwas bewegte, das auf ſie heranzukom¬
men ſchien. Die Angſt hatte ſich ihrer Seele
ſo ſehr bemächtigt, daß ſie nicht einmal wagte,
zu entfliehen. Wie angewurzelt blieb ſie ſtehen,
und wankte nur, als eine menſchliche Figur
immer näher trat, mechaniſch hinter einen
Baum, von dem ſie glaubte, daß er ihr Schutz
gewähren könne.

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[101/0110] immer deutlicher als Geſtöhn und ſchmerzliche Klage zu erkennen gaben. Es war wie das Jammern eines Verwundeten, der ſich fürchtet, durch übergroßen Schmerzausdruck des Mundes vielleicht die brennenden Leiden ſeines Scha¬ dens deſto ſtärker zu machen. Wally blieb betroffen ſtehen. Ihr ſiedendes Blut gerann und die Fieberhitze wich einer kal¬ ten Erſtarrung, in die der Schreck ihre Glie¬ der verſetzte. Sie ſahe, daß ſich im Hintergrunde der Allee Etwas bewegte, das auf ſie heranzukom¬ men ſchien. Die Angſt hatte ſich ihrer Seele ſo ſehr bemächtigt, daß ſie nicht einmal wagte, zu entfliehen. Wie angewurzelt blieb ſie ſtehen, und wankte nur, als eine menſchliche Figur immer näher trat, mechaniſch hinter einen Baum, von dem ſie glaubte, daß er ihr Schutz gewähren könne. Ein Weib kam mit händeringenden Geber¬

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Wally, die Zweiflerin. Mannheim, 1835, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_wally_1835/110>, abgerufen am 18.05.2024.