Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.geschickt und versprochen, sie nächstens noch in Hochlinden zu besuchen. Helene spielte versuchsweise die Einsendungen am Clavier und sie mußten ja entzückend schön sein, um nicht der Gräfin die Freude zu verderben. Sehen Sie, sagte Ada leise zu Ottomar, wie die Lüge die Welt regiert! Die Musik ist schaudervoll und Alle loben sie! Doch nicht in einem Feuilleton! meinte Ottomar. Graf Udo horchte, da Ada über den Treffer, den sie bekommen, wieder ernst sah. Er selbst sprach den Abend kaum ein Wort. Helene zwang sich, heiter und unbefangen zu erscheinen. Gräfin Constanze nannte sie ihr Schooßkind und wollte damit Ada strafen, die gegen sie kalt war. Ada erklärte mit Offenheit, an Verhätschelung nicht gewöhnt zu sein, welche Aeußerung Heiterkeit verbreitete, weil man ja die Generalin genugsam kannte. Diese hatte ein schlimmes Andenken hinterlassen. Alles verwünschte sie. Nicht Einem hatte sie eine Wohlthat, keinem Domestiken ein Trinkgeld gegeben. Und dabei hatte sie überall mit ihren Aeußerungen dominiren wollen und den guten La Rose hin- und hergejagt wie einen Troßknecht. Der Graf konnte gelegentlich mit Bitterkeit sagen: Sie stellt den verkörperten Kastengeist vor, den incarnirten weiblichen hierortigen Chauvinismus, der geschickt und versprochen, sie nächstens noch in Hochlinden zu besuchen. Helene spielte versuchsweise die Einsendungen am Clavier und sie mußten ja entzückend schön sein, um nicht der Gräfin die Freude zu verderben. Sehen Sie, sagte Ada leise zu Ottomar, wie die Lüge die Welt regiert! Die Musik ist schaudervoll und Alle loben sie! Doch nicht in einem Feuilleton! meinte Ottomar. Graf Udo horchte, da Ada über den Treffer, den sie bekommen, wieder ernst sah. Er selbst sprach den Abend kaum ein Wort. Helene zwang sich, heiter und unbefangen zu erscheinen. Gräfin Constanze nannte sie ihr Schooßkind und wollte damit Ada strafen, die gegen sie kalt war. Ada erklärte mit Offenheit, an Verhätschelung nicht gewöhnt zu sein, welche Aeußerung Heiterkeit verbreitete, weil man ja die Generalin genugsam kannte. Diese hatte ein schlimmes Andenken hinterlassen. Alles verwünschte sie. Nicht Einem hatte sie eine Wohlthat, keinem Domestiken ein Trinkgeld gegeben. Und dabei hatte sie überall mit ihren Aeußerungen dominiren wollen und den guten La Rose hin- und hergejagt wie einen Troßknecht. Der Graf konnte gelegentlich mit Bitterkeit sagen: Sie stellt den verkörperten Kastengeist vor, den incarnirten weiblichen hierortigen Chauvinismus, der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0078" n="72"/> geschickt und versprochen, sie nächstens noch in Hochlinden zu besuchen. Helene spielte versuchsweise die Einsendungen am Clavier und sie mußten ja entzückend schön sein, um nicht der Gräfin die Freude zu verderben.</p> <p>Sehen Sie, sagte Ada leise zu Ottomar, wie die Lüge die Welt regiert! Die Musik ist schaudervoll und Alle loben sie!</p> <p>Doch nicht in einem Feuilleton! meinte Ottomar.</p> <p>Graf Udo horchte, da Ada über den Treffer, den sie bekommen, wieder ernst sah. Er selbst sprach den Abend kaum ein Wort.</p> <p>Helene zwang sich, heiter und unbefangen zu erscheinen. Gräfin Constanze nannte sie ihr Schooßkind und wollte damit Ada strafen, die gegen sie kalt war. Ada erklärte mit Offenheit, an Verhätschelung nicht gewöhnt zu sein, welche Aeußerung Heiterkeit verbreitete, weil man ja die Generalin genugsam kannte. Diese hatte ein schlimmes Andenken hinterlassen. Alles verwünschte sie. Nicht Einem hatte sie eine Wohlthat, keinem Domestiken ein Trinkgeld gegeben. Und dabei hatte sie überall mit ihren Aeußerungen dominiren wollen und den guten La Rose hin- und hergejagt wie einen Troßknecht. Der Graf konnte gelegentlich mit Bitterkeit sagen: Sie stellt den verkörperten Kastengeist vor, den incarnirten weiblichen hierortigen Chauvinismus, der </p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0078]
geschickt und versprochen, sie nächstens noch in Hochlinden zu besuchen. Helene spielte versuchsweise die Einsendungen am Clavier und sie mußten ja entzückend schön sein, um nicht der Gräfin die Freude zu verderben.
Sehen Sie, sagte Ada leise zu Ottomar, wie die Lüge die Welt regiert! Die Musik ist schaudervoll und Alle loben sie!
Doch nicht in einem Feuilleton! meinte Ottomar.
Graf Udo horchte, da Ada über den Treffer, den sie bekommen, wieder ernst sah. Er selbst sprach den Abend kaum ein Wort.
Helene zwang sich, heiter und unbefangen zu erscheinen. Gräfin Constanze nannte sie ihr Schooßkind und wollte damit Ada strafen, die gegen sie kalt war. Ada erklärte mit Offenheit, an Verhätschelung nicht gewöhnt zu sein, welche Aeußerung Heiterkeit verbreitete, weil man ja die Generalin genugsam kannte. Diese hatte ein schlimmes Andenken hinterlassen. Alles verwünschte sie. Nicht Einem hatte sie eine Wohlthat, keinem Domestiken ein Trinkgeld gegeben. Und dabei hatte sie überall mit ihren Aeußerungen dominiren wollen und den guten La Rose hin- und hergejagt wie einen Troßknecht. Der Graf konnte gelegentlich mit Bitterkeit sagen: Sie stellt den verkörperten Kastengeist vor, den incarnirten weiblichen hierortigen Chauvinismus, der
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