Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.hörbar schlug und sich der Athem behindert fühlte. Sie war in diesem Augenblick wie eine Somnambule. Sie wußte schon und wie mit verbundenen Augen, was in dem Briefe stand! O dieser siegesgewisse, dictatorische Briefstyl, dieser österreichische Leitartikelstyl! wie ihn Ottomar nannte, der einmal eine Stelle gelesen. Alles Sensation! "Schwester, wie bin ich glücklich! O, wohin soll ich mein Glück verkünden! Wem es anders anvertrauen, als Dir, geliebte Seele, die Du mitfühlst, immer mitempfunden hast mit meinem armen oft unverstandnen Herzen! Du, du, treue edle uneigennützige, immer nur auf mein Bestes bedacht gewesene Seele! Ach, ich habe den Himmel auf Erden erobert." So schrieb der Mann, der seine Schwester zuweilen wie einen Stuhl im Zimmer vor Wuth hin und her schleuderte. Aber Martha fuhr kopfschüttelnd zu lesen fort: "Ich liebe das Weib, wie es sein soll, die Incarnation der Gottheit in einem Geschöpf, das ihr mehr gleicht, als der Mann, und dies Wesen, das bisher nur die Mythe kannte, die von den Dichtern fortgepflanzte Sage, es lebt und es liebt mich! Himmlische Edwina! Sie sieht auch in mir die Gottheit, ein Uratom der Weltkraft! Stoff und Kraft mag der Philosoph ergründen, der Mensch hält sich an den Muth, an die Kühnheit des Titanen und dies Urmenschliche sieht Edwina in mir! hörbar schlug und sich der Athem behindert fühlte. Sie war in diesem Augenblick wie eine Somnambule. Sie wußte schon und wie mit verbundenen Augen, was in dem Briefe stand! O dieser siegesgewisse, dictatorische Briefstyl, dieser österreichische Leitartikelstyl! wie ihn Ottomar nannte, der einmal eine Stelle gelesen. Alles Sensation! „Schwester, wie bin ich glücklich! O, wohin soll ich mein Glück verkünden! Wem es anders anvertrauen, als Dir, geliebte Seele, die Du mitfühlst, immer mitempfunden hast mit meinem armen oft unverstandnen Herzen! Du, du, treue edle uneigennützige, immer nur auf mein Bestes bedacht gewesene Seele! Ach, ich habe den Himmel auf Erden erobert.“ So schrieb der Mann, der seine Schwester zuweilen wie einen Stuhl im Zimmer vor Wuth hin und her schleuderte. Aber Martha fuhr kopfschüttelnd zu lesen fort: „Ich liebe das Weib, wie es sein soll, die Incarnation der Gottheit in einem Geschöpf, das ihr mehr gleicht, als der Mann, und dies Wesen, das bisher nur die Mythe kannte, die von den Dichtern fortgepflanzte Sage, es lebt und es liebt mich! Himmlische Edwina! Sie sieht auch in mir die Gottheit, ein Uratom der Weltkraft! Stoff und Kraft mag der Philosoph ergründen, der Mensch hält sich an den Muth, an die Kühnheit des Titanen und dies Urmenschliche sieht Edwina in mir! <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0040" n="34"/> hörbar schlug und sich der Athem behindert fühlte. Sie war in diesem Augenblick wie eine Somnambule. Sie wußte schon und wie mit verbundenen Augen, was in dem Briefe stand! O dieser siegesgewisse, dictatorische Briefstyl, dieser österreichische Leitartikelstyl! wie ihn Ottomar nannte, der einmal eine Stelle gelesen. Alles Sensation!</p> <p>„Schwester, wie bin ich glücklich! O, wohin soll ich mein Glück verkünden! Wem es anders anvertrauen, als Dir, geliebte Seele, die Du mitfühlst, immer mitempfunden hast mit meinem armen oft unverstandnen Herzen! Du, du, treue edle uneigennützige, immer nur auf mein Bestes bedacht gewesene Seele! Ach, ich habe den Himmel auf Erden erobert.“</p> <p>So schrieb der Mann, der seine Schwester zuweilen wie einen Stuhl im Zimmer vor Wuth hin und her schleuderte.</p> <p>Aber Martha fuhr kopfschüttelnd zu lesen fort:</p> <p>„Ich liebe das Weib, wie es sein soll, die Incarnation der Gottheit in einem Geschöpf, das ihr mehr gleicht, als der Mann, und dies Wesen, das bisher nur die Mythe kannte, die von den Dichtern fortgepflanzte Sage, es lebt und es liebt mich! Himmlische Edwina! Sie sieht auch in mir die Gottheit, ein Uratom der Weltkraft! Stoff und Kraft mag der Philosoph ergründen, der Mensch hält sich an den Muth, an die Kühnheit des Titanen und dies Urmenschliche sieht Edwina in mir! </p> </div> </body> </text> </TEI> [34/0040]
hörbar schlug und sich der Athem behindert fühlte. Sie war in diesem Augenblick wie eine Somnambule. Sie wußte schon und wie mit verbundenen Augen, was in dem Briefe stand! O dieser siegesgewisse, dictatorische Briefstyl, dieser österreichische Leitartikelstyl! wie ihn Ottomar nannte, der einmal eine Stelle gelesen. Alles Sensation!
„Schwester, wie bin ich glücklich! O, wohin soll ich mein Glück verkünden! Wem es anders anvertrauen, als Dir, geliebte Seele, die Du mitfühlst, immer mitempfunden hast mit meinem armen oft unverstandnen Herzen! Du, du, treue edle uneigennützige, immer nur auf mein Bestes bedacht gewesene Seele! Ach, ich habe den Himmel auf Erden erobert.“
So schrieb der Mann, der seine Schwester zuweilen wie einen Stuhl im Zimmer vor Wuth hin und her schleuderte.
Aber Martha fuhr kopfschüttelnd zu lesen fort:
„Ich liebe das Weib, wie es sein soll, die Incarnation der Gottheit in einem Geschöpf, das ihr mehr gleicht, als der Mann, und dies Wesen, das bisher nur die Mythe kannte, die von den Dichtern fortgepflanzte Sage, es lebt und es liebt mich! Himmlische Edwina! Sie sieht auch in mir die Gottheit, ein Uratom der Weltkraft! Stoff und Kraft mag der Philosoph ergründen, der Mensch hält sich an den Muth, an die Kühnheit des Titanen und dies Urmenschliche sieht Edwina in mir!
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/40>, abgerufen am 16.07.2024. |