Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Graf Udo sah tieferschüttert den schönen, immer mehr erkaltenden Leib, den man umsonst rieb, die angstentstellten Züge des Antlitzes, den Hals, an welchem alle Nägel der mörderischen Faust sichtbar geblieben waren. Immer starrer wurden die Glieder. Allmälig waren sie ganz kalt. Ihn schauderte. Ein Veto gegen Alles, was jetzt geschah, das Abholen im Korbe, das zunächst nur dem Krankenhause galt, durfte er nicht einlegen. Ein nicht anerkanntes illegitimes Kind existirt nicht.

Er gab der alten weinenden Großmutter, was er im Portefeuille trug und ging still seinem La Rose nach, der ihn an einen bereitgehaltenen Wagen führte. Er hatte sich schon das Vorgefallene von Einigen, die ein paar Brocken Französisch verstanden, erklären lassen und zuckte die Achseln.

Auf diese Schreckensnachricht stürzte denn auch Ottomar, alle hindernden Verhältnisse und Gedanken durchbrechend, am folgenden Morgen zum Grafen.

Beide so eigenthümlich verbundenen und getrennten Freunde umarmten sich. Beide mit Thränen.

O laß uns Nichts erörtern vom Erlebten! rief der Graf. Nur eine Lehre gieb mir noch mit in die weite Ferne! Siehst Du das blaue Meer? Dahin richte ich die Wimpel! Hast Du noch etwas für mich gefunden? Etwa in Adas Augen Neues entdeckt? Nein, unterbrach

Graf Udo sah tieferschüttert den schönen, immer mehr erkaltenden Leib, den man umsonst rieb, die angstentstellten Züge des Antlitzes, den Hals, an welchem alle Nägel der mörderischen Faust sichtbar geblieben waren. Immer starrer wurden die Glieder. Allmälig waren sie ganz kalt. Ihn schauderte. Ein Veto gegen Alles, was jetzt geschah, das Abholen im Korbe, das zunächst nur dem Krankenhause galt, durfte er nicht einlegen. Ein nicht anerkanntes illegitimes Kind existirt nicht.

Er gab der alten weinenden Großmutter, was er im Portefeuille trug und ging still seinem La Rose nach, der ihn an einen bereitgehaltenen Wagen führte. Er hatte sich schon das Vorgefallene von Einigen, die ein paar Brocken Französisch verstanden, erklären lassen und zuckte die Achseln.

Auf diese Schreckensnachricht stürzte denn auch Ottomar, alle hindernden Verhältnisse und Gedanken durchbrechend, am folgenden Morgen zum Grafen.

Beide so eigenthümlich verbundenen und getrennten Freunde umarmten sich. Beide mit Thränen.

O laß uns Nichts erörtern vom Erlebten! rief der Graf. Nur eine Lehre gieb mir noch mit in die weite Ferne! Siehst Du das blaue Meer? Dahin richte ich die Wimpel! Hast Du noch etwas für mich gefunden? Etwa in Adas Augen Neues entdeckt? Nein, unterbrach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0297" n="291"/>
        <p> Graf Udo sah tieferschüttert den schönen, immer mehr erkaltenden Leib, den man umsonst rieb, die angstentstellten Züge des Antlitzes, den Hals, an welchem alle Nägel der mörderischen Faust sichtbar geblieben waren. Immer starrer wurden die Glieder. Allmälig waren sie ganz kalt. Ihn schauderte. Ein Veto gegen Alles, was jetzt geschah, das Abholen im Korbe, das zunächst nur dem Krankenhause galt, durfte er nicht einlegen. Ein nicht anerkanntes illegitimes Kind existirt nicht.</p>
        <p>Er gab der alten weinenden Großmutter, was er im Portefeuille trug und ging still seinem La Rose nach, der ihn an einen bereitgehaltenen Wagen führte. Er hatte sich schon das Vorgefallene von Einigen, die ein paar Brocken Französisch verstanden, erklären lassen und zuckte die Achseln.</p>
        <p>Auf diese Schreckensnachricht stürzte denn auch Ottomar, alle hindernden Verhältnisse und Gedanken durchbrechend, am folgenden Morgen zum Grafen.</p>
        <p>Beide so eigenthümlich verbundenen und getrennten Freunde umarmten sich. Beide mit Thränen.</p>
        <p>O laß uns Nichts erörtern vom Erlebten! rief der Graf. Nur eine Lehre gieb mir noch mit in die weite Ferne! Siehst Du das blaue Meer? Dahin richte ich die Wimpel! Hast Du noch etwas für mich gefunden? Etwa in Adas Augen Neues entdeckt? Nein, unterbrach
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0297] Graf Udo sah tieferschüttert den schönen, immer mehr erkaltenden Leib, den man umsonst rieb, die angstentstellten Züge des Antlitzes, den Hals, an welchem alle Nägel der mörderischen Faust sichtbar geblieben waren. Immer starrer wurden die Glieder. Allmälig waren sie ganz kalt. Ihn schauderte. Ein Veto gegen Alles, was jetzt geschah, das Abholen im Korbe, das zunächst nur dem Krankenhause galt, durfte er nicht einlegen. Ein nicht anerkanntes illegitimes Kind existirt nicht. Er gab der alten weinenden Großmutter, was er im Portefeuille trug und ging still seinem La Rose nach, der ihn an einen bereitgehaltenen Wagen führte. Er hatte sich schon das Vorgefallene von Einigen, die ein paar Brocken Französisch verstanden, erklären lassen und zuckte die Achseln. Auf diese Schreckensnachricht stürzte denn auch Ottomar, alle hindernden Verhältnisse und Gedanken durchbrechend, am folgenden Morgen zum Grafen. Beide so eigenthümlich verbundenen und getrennten Freunde umarmten sich. Beide mit Thränen. O laß uns Nichts erörtern vom Erlebten! rief der Graf. Nur eine Lehre gieb mir noch mit in die weite Ferne! Siehst Du das blaue Meer? Dahin richte ich die Wimpel! Hast Du noch etwas für mich gefunden? Etwa in Adas Augen Neues entdeckt? Nein, unterbrach

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/297
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/297>, abgerufen am 22.11.2024.