Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Aber sie wollte keine Reflexionen mit dem Darum und Darum. Sie wollte nur von Liebe reden hören. Den großen Mann, den Helden, der da blendet, den dachte sich Ada erst in Ottomars Zukunft. Der Staatsanwalt hatte ihm gesagt: Althing, der Spectakel mit der Gräfin und der Scheidung ist noch zu frisch! Wir leben unter den prüdesten Verhältnissen! Alles heuchelt Tugend und schreit Moral! Auf Lager hat aber Keiner selbst besonders viel davon! Das Moralisiren kommt uns auch von den Juden! Ottomar horchte staunend hoch auf. In unsre Gesetzgebung wenigstens, sagte Stracks, sind Menschen gedrungen, die weit besser gethan hätten, Rabbiner zu werden. Die Schriften gegen die Juden als Auflöser des germanischen Princips sind unklar. Im Gegentheil! Wir müssen die nazarenische Sentimentalität der "Mannesseelen" bekämpfen. Sie entnervt die Nation. Bleiben Sie eine Zeit lang in Ihrer unabhängigen Stellung in der Bäckerstraße, schloß der wohlwollende, freisinnige Jurist. Sie werden bald zu einer höheren berufen werden! Streber waren Sie ja nie! Aber Sie sollen doch ein Ziel erklommen haben! Sie bewährten sich! Und Graf Udo -! Dieser seltsame, in den Reihen der Aristokratie oft vorkommende, aber selten geschilderte, gemüthvolle Anempfinder, dieser stille Gedankentitan, dieser Lord Byron Aber sie wollte keine Reflexionen mit dem Darum und Darum. Sie wollte nur von Liebe reden hören. Den großen Mann, den Helden, der da blendet, den dachte sich Ada erst in Ottomars Zukunft. Der Staatsanwalt hatte ihm gesagt: Althing, der Spectakel mit der Gräfin und der Scheidung ist noch zu frisch! Wir leben unter den prüdesten Verhältnissen! Alles heuchelt Tugend und schreit Moral! Auf Lager hat aber Keiner selbst besonders viel davon! Das Moralisiren kommt uns auch von den Juden! Ottomar horchte staunend hoch auf. In unsre Gesetzgebung wenigstens, sagte Stracks, sind Menschen gedrungen, die weit besser gethan hätten, Rabbiner zu werden. Die Schriften gegen die Juden als Auflöser des germanischen Princips sind unklar. Im Gegentheil! Wir müssen die nazarenische Sentimentalität der „Mannesseelen“ bekämpfen. Sie entnervt die Nation. Bleiben Sie eine Zeit lang in Ihrer unabhängigen Stellung in der Bäckerstraße, schloß der wohlwollende, freisinnige Jurist. Sie werden bald zu einer höheren berufen werden! Streber waren Sie ja nie! Aber Sie sollen doch ein Ziel erklommen haben! Sie bewährten sich! Und Graf Udo –! Dieser seltsame, in den Reihen der Aristokratie oft vorkommende, aber selten geschilderte, gemüthvolle Anempfinder, dieser stille Gedankentitan, dieser Lord Byron <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0277" n="271"/> Aber sie wollte keine Reflexionen mit dem Darum und Darum. Sie wollte nur von Liebe reden hören.</p> <p>Den großen Mann, den Helden, der da blendet, den dachte sich Ada erst in Ottomars Zukunft. Der Staatsanwalt hatte ihm gesagt: Althing, der Spectakel mit der Gräfin und der Scheidung ist noch zu frisch! Wir leben unter den prüdesten Verhältnissen! Alles heuchelt Tugend und schreit Moral! Auf Lager hat aber Keiner selbst besonders viel davon! Das Moralisiren kommt uns auch von den Juden! Ottomar horchte staunend hoch auf. In unsre Gesetzgebung wenigstens, sagte Stracks, sind Menschen gedrungen, die weit besser gethan hätten, Rabbiner zu werden. Die Schriften gegen die Juden als Auflöser des germanischen Princips sind unklar. Im Gegentheil! Wir müssen die nazarenische Sentimentalität der „Mannesseelen“ bekämpfen. Sie entnervt die Nation. Bleiben Sie eine Zeit lang in Ihrer unabhängigen Stellung in der Bäckerstraße, schloß der wohlwollende, freisinnige Jurist. Sie werden bald zu einer höheren berufen werden! Streber waren Sie ja nie! Aber Sie sollen doch ein Ziel erklommen haben! Sie bewährten sich! </p> <p>Und Graf Udo –!</p> <p>Dieser seltsame, in den Reihen der Aristokratie oft vorkommende, aber selten geschilderte, gemüthvolle Anempfinder, dieser stille Gedankentitan, dieser Lord Byron </p> </div> </body> </text> </TEI> [271/0277]
Aber sie wollte keine Reflexionen mit dem Darum und Darum. Sie wollte nur von Liebe reden hören.
Den großen Mann, den Helden, der da blendet, den dachte sich Ada erst in Ottomars Zukunft. Der Staatsanwalt hatte ihm gesagt: Althing, der Spectakel mit der Gräfin und der Scheidung ist noch zu frisch! Wir leben unter den prüdesten Verhältnissen! Alles heuchelt Tugend und schreit Moral! Auf Lager hat aber Keiner selbst besonders viel davon! Das Moralisiren kommt uns auch von den Juden! Ottomar horchte staunend hoch auf. In unsre Gesetzgebung wenigstens, sagte Stracks, sind Menschen gedrungen, die weit besser gethan hätten, Rabbiner zu werden. Die Schriften gegen die Juden als Auflöser des germanischen Princips sind unklar. Im Gegentheil! Wir müssen die nazarenische Sentimentalität der „Mannesseelen“ bekämpfen. Sie entnervt die Nation. Bleiben Sie eine Zeit lang in Ihrer unabhängigen Stellung in der Bäckerstraße, schloß der wohlwollende, freisinnige Jurist. Sie werden bald zu einer höheren berufen werden! Streber waren Sie ja nie! Aber Sie sollen doch ein Ziel erklommen haben! Sie bewährten sich!
Und Graf Udo –!
Dieser seltsame, in den Reihen der Aristokratie oft vorkommende, aber selten geschilderte, gemüthvolle Anempfinder, dieser stille Gedankentitan, dieser Lord Byron
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