Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.sie kamen, mit Vorwürfen und Verwunderung - ihr war das Alles gleichgültig - sie nannte es Sternschnuppe. Das Gefühl des Behagens ergriff Jeden, der hier einblickte in den kleinen lauschigen Raum, den sie sich geschaffen hatte. Ueberall zeigte sich ihr künstlerischer Geschmack, der auf Harmonie ging. Ein Feenreich nannte Ottomar die bescheidene Behausung. Das kleine Schlafgemach, wo jetzt Ada wie ein müder Vogel in seinem Neste ruhte, erinnerte sie mit den blumigen Vorhängen und Teppichen, dem graziös drapirten Toilettentisch an ihre Mädchenzeit. Daran stieß durch Portieren verbunden Adas kleiner Salon, wohin ihr alles Liebe, Trauliche, Gewohnte gefolgt war. Da stand der kleine Schreibtisch mit Ottomars doppeltem Bilde auf bronzegelbem Gestell, einmal bürgerlich, einmal als Offizier. Wie manches zärtliche Briefchen wurde hier an ihn geschrieben! Abends ruhte sie auf ihrer Chaiselongue unter einer Bücheretagere, welche wohlbekannte neuere philosophische Werke neben zarten goldgeränderten Lyrikern enthielt. Ottomar saß ihr zu Füßen, manchmal sich vorkommend wie Herkules bei der Omphale, zwar nicht spinnend, aber doch zuweilen ein buntes Garn haltend, das sie an seinen Händen abwickelte. Ihr Nähtischchen, und darauf immer eine kleine Vase mit Blumen, stand in der Nähe. sie kamen, mit Vorwürfen und Verwunderung – ihr war das Alles gleichgültig – sie nannte es Sternschnuppe. Das Gefühl des Behagens ergriff Jeden, der hier einblickte in den kleinen lauschigen Raum, den sie sich geschaffen hatte. Ueberall zeigte sich ihr künstlerischer Geschmack, der auf Harmonie ging. Ein Feenreich nannte Ottomar die bescheidene Behausung. Das kleine Schlafgemach, wo jetzt Ada wie ein müder Vogel in seinem Neste ruhte, erinnerte sie mit den blumigen Vorhängen und Teppichen, dem graziös drapirten Toilettentisch an ihre Mädchenzeit. Daran stieß durch Portièren verbunden Adas kleiner Salon, wohin ihr alles Liebe, Trauliche, Gewohnte gefolgt war. Da stand der kleine Schreibtisch mit Ottomars doppeltem Bilde auf bronzegelbem Gestell, einmal bürgerlich, einmal als Offizier. Wie manches zärtliche Briefchen wurde hier an ihn geschrieben! Abends ruhte sie auf ihrer Chaiselongue unter einer Bücheretagère, welche wohlbekannte neuere philosophische Werke neben zarten goldgeränderten Lyrikern enthielt. Ottomar saß ihr zu Füßen, manchmal sich vorkommend wie Herkules bei der Omphale, zwar nicht spinnend, aber doch zuweilen ein buntes Garn haltend, das sie an seinen Händen abwickelte. Ihr Nähtischchen, und darauf immer eine kleine Vase mit Blumen, stand in der Nähe. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0271" n="265"/> sie kamen, mit Vorwürfen und Verwunderung – ihr war das Alles gleichgültig – sie nannte es Sternschnuppe.</p> <p>Das Gefühl des Behagens ergriff Jeden, der hier einblickte in den kleinen lauschigen Raum, den sie sich geschaffen hatte. Ueberall zeigte sich ihr künstlerischer Geschmack, der auf Harmonie ging. Ein Feenreich nannte Ottomar die bescheidene Behausung. Das kleine Schlafgemach, wo jetzt Ada wie ein müder Vogel in seinem Neste ruhte, erinnerte sie mit den blumigen Vorhängen und Teppichen, dem graziös drapirten Toilettentisch an ihre Mädchenzeit. Daran stieß durch Portièren verbunden Adas kleiner Salon, wohin ihr alles Liebe, Trauliche, Gewohnte gefolgt war. Da stand der kleine Schreibtisch mit Ottomars doppeltem Bilde auf bronzegelbem Gestell, einmal bürgerlich, einmal als Offizier. Wie manches zärtliche Briefchen wurde hier an ihn geschrieben! Abends ruhte sie auf ihrer Chaiselongue unter einer Bücheretagère, welche wohlbekannte neuere philosophische Werke neben zarten goldgeränderten Lyrikern enthielt. Ottomar saß ihr zu Füßen, manchmal sich vorkommend wie Herkules bei der Omphale, zwar nicht spinnend, aber doch zuweilen ein buntes Garn haltend, das sie an seinen Händen abwickelte. Ihr Nähtischchen, und darauf immer eine kleine Vase mit Blumen, stand in der Nähe. </p> </div> </body> </text> </TEI> [265/0271]
sie kamen, mit Vorwürfen und Verwunderung – ihr war das Alles gleichgültig – sie nannte es Sternschnuppe.
Das Gefühl des Behagens ergriff Jeden, der hier einblickte in den kleinen lauschigen Raum, den sie sich geschaffen hatte. Ueberall zeigte sich ihr künstlerischer Geschmack, der auf Harmonie ging. Ein Feenreich nannte Ottomar die bescheidene Behausung. Das kleine Schlafgemach, wo jetzt Ada wie ein müder Vogel in seinem Neste ruhte, erinnerte sie mit den blumigen Vorhängen und Teppichen, dem graziös drapirten Toilettentisch an ihre Mädchenzeit. Daran stieß durch Portièren verbunden Adas kleiner Salon, wohin ihr alles Liebe, Trauliche, Gewohnte gefolgt war. Da stand der kleine Schreibtisch mit Ottomars doppeltem Bilde auf bronzegelbem Gestell, einmal bürgerlich, einmal als Offizier. Wie manches zärtliche Briefchen wurde hier an ihn geschrieben! Abends ruhte sie auf ihrer Chaiselongue unter einer Bücheretagère, welche wohlbekannte neuere philosophische Werke neben zarten goldgeränderten Lyrikern enthielt. Ottomar saß ihr zu Füßen, manchmal sich vorkommend wie Herkules bei der Omphale, zwar nicht spinnend, aber doch zuweilen ein buntes Garn haltend, das sie an seinen Händen abwickelte. Ihr Nähtischchen, und darauf immer eine kleine Vase mit Blumen, stand in der Nähe.
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 265. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/271>, abgerufen am 16.07.2024. |