Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.belebungsversuche der auf einem Sopha ausgestreckten Leiche waren vergebens. Daß sich der Unglückliche selbst den Tod gegeben, ersah man aus einem auf dem Tisch liegenden Zettel, worin er - sogar, mit bitterm Humor, ein Protokoll über seinen eigenen Tod aufgenommen hatte und im Uebrigen Alles an Schindler verwies. Holl hatte wärmsten, unbefangensten Antheil gezeigt. Nicht im Entferntesten trat eine Spur von Verdacht, daß der traurige Vorfall doch mit seinem eignen Leben zusammenhängen mochte, an ihn heran. Die Familie des Selbstmörders, die grade in irgend einem Theater war - man wußte nicht in welchem - war noch nicht unterrichtet. Nur die alte Schwiegermutter des Justizraths war zugegen, schien zwar außer sich, zankte aber doch, daß man sie geweckt und ihr die schreckliche Begebenheit nicht lieber erst am folgenden Morgen mitgetheilt hatte. Ja, ja! hatte Luzius oft gesagt, wozu ist man in der Welt -! Schindler, der mit Ottomar Alles zuschloß, die Leiche entkleidete, einen Arzt, die Bezirkspolizei herbeirufen ließ, sprach ebenfalls vor sich hin: Ist es denn möglich, daß wir ein Opfer der Trottoirkrankheit haben? Er hat seit Holls Wiedererscheinen geglaubt, die ganze Welt deute mit Fingern auf ihn - -! belebungsversuche der auf einem Sopha ausgestreckten Leiche waren vergebens. Daß sich der Unglückliche selbst den Tod gegeben, ersah man aus einem auf dem Tisch liegenden Zettel, worin er – sogar, mit bitterm Humor, ein Protokoll über seinen eigenen Tod aufgenommen hatte und im Uebrigen Alles an Schindler verwies. Holl hatte wärmsten, unbefangensten Antheil gezeigt. Nicht im Entferntesten trat eine Spur von Verdacht, daß der traurige Vorfall doch mit seinem eignen Leben zusammenhängen mochte, an ihn heran. Die Familie des Selbstmörders, die grade in irgend einem Theater war – man wußte nicht in welchem – war noch nicht unterrichtet. Nur die alte Schwiegermutter des Justizraths war zugegen, schien zwar außer sich, zankte aber doch, daß man sie geweckt und ihr die schreckliche Begebenheit nicht lieber erst am folgenden Morgen mitgetheilt hatte. Ja, ja! hatte Luzius oft gesagt, wozu ist man in der Welt –! Schindler, der mit Ottomar Alles zuschloß, die Leiche entkleidete, einen Arzt, die Bezirkspolizei herbeirufen ließ, sprach ebenfalls vor sich hin: Ist es denn möglich, daß wir ein Opfer der Trottoirkrankheit haben? Er hat seit Holls Wiedererscheinen geglaubt, die ganze Welt deute mit Fingern auf ihn – –! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0210" n="204"/> belebungsversuche der auf einem Sopha ausgestreckten Leiche waren vergebens. Daß sich der Unglückliche selbst den Tod gegeben, ersah man aus einem auf dem Tisch liegenden Zettel, worin er – sogar, mit bitterm Humor, ein Protokoll über seinen eigenen Tod aufgenommen hatte und im Uebrigen Alles an Schindler verwies.</p> <p>Holl hatte wärmsten, unbefangensten Antheil gezeigt. Nicht im Entferntesten trat eine Spur von Verdacht, daß der traurige Vorfall doch mit seinem eignen Leben zusammenhängen mochte, an ihn heran.</p> <p>Die Familie des Selbstmörders, die grade in irgend einem Theater war – man wußte nicht in welchem – war noch nicht unterrichtet. Nur die alte Schwiegermutter des Justizraths war zugegen, schien zwar außer sich, zankte aber doch, daß man sie geweckt und ihr die schreckliche Begebenheit nicht lieber erst am folgenden Morgen mitgetheilt hatte. Ja, ja! hatte Luzius oft gesagt, wozu ist man in der Welt –!</p> <p>Schindler, der mit Ottomar Alles zuschloß, die Leiche entkleidete, einen Arzt, die Bezirkspolizei herbeirufen ließ, sprach ebenfalls vor sich hin: Ist es denn möglich, daß wir ein Opfer der Trottoirkrankheit haben? Er hat seit Holls Wiedererscheinen geglaubt, die ganze Welt deute mit Fingern auf ihn – –! </p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [204/0210]
belebungsversuche der auf einem Sopha ausgestreckten Leiche waren vergebens. Daß sich der Unglückliche selbst den Tod gegeben, ersah man aus einem auf dem Tisch liegenden Zettel, worin er – sogar, mit bitterm Humor, ein Protokoll über seinen eigenen Tod aufgenommen hatte und im Uebrigen Alles an Schindler verwies.
Holl hatte wärmsten, unbefangensten Antheil gezeigt. Nicht im Entferntesten trat eine Spur von Verdacht, daß der traurige Vorfall doch mit seinem eignen Leben zusammenhängen mochte, an ihn heran.
Die Familie des Selbstmörders, die grade in irgend einem Theater war – man wußte nicht in welchem – war noch nicht unterrichtet. Nur die alte Schwiegermutter des Justizraths war zugegen, schien zwar außer sich, zankte aber doch, daß man sie geweckt und ihr die schreckliche Begebenheit nicht lieber erst am folgenden Morgen mitgetheilt hatte. Ja, ja! hatte Luzius oft gesagt, wozu ist man in der Welt –!
Schindler, der mit Ottomar Alles zuschloß, die Leiche entkleidete, einen Arzt, die Bezirkspolizei herbeirufen ließ, sprach ebenfalls vor sich hin: Ist es denn möglich, daß wir ein Opfer der Trottoirkrankheit haben? Er hat seit Holls Wiedererscheinen geglaubt, die ganze Welt deute mit Fingern auf ihn – –!
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2014-02-19T11:57:26Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>)
(2014-02-19T11:57:26Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |