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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

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entbehrte hier der Anpflanzung von Bäumen. Alles war dunkel und still. Man hörte nur das Knirschen der Räder im neuaufgeschütteten Kieselsande der Chaussee.

Ich meine dies, sagte der Graf - sein Lächeln konnte Helene nicht sehen - Sie würden Goethen einige seiner Charaktere recht bestätigt haben! Par exemple! Die wohlmeinende Therese aus dem Wilhelm Meister!

Da haben wir's ja! sagte Helene halb verletzt, aber doch lachend. Die absolute Prosa! Die ist aber ganz nützlich, Herr Graf! Ueber diese Goethe'schen Personnagen sollten Sie einmal meinen Vater reden hören! Der hat überhaupt eine Literatur- und Kunstgeschichte ganz für sich! Wenn ich aus der Schule kam und meine Weisheit auskramte, lachte er immer laut auf. Goethes Frauen nennt er sämmtlich verhutzelte, alte weimar'sche Hofdamen und Hofräthinnen! Sogar, denken Sie sich, nimmt er die Dorothea, ja selbst die Leonoren und Iphigenien nicht aus! Alle hätten nur Reflexionen im Munde, Tiraden über Frauenwürde! Es wären aber keine Frauen! Sie hätten gar kein Blut in den Adern! Und sogar die Dorothea wäre blos Basrelief! Keine Statue voll wirklichen Lebens! Sie sei vom Dichter gewollt, er hätte sie aber nie gesehen, ebenso wie den Hermann! Immer spielte Dorothea die Nausikaa aus

entbehrte hier der Anpflanzung von Bäumen. Alles war dunkel und still. Man hörte nur das Knirschen der Räder im neuaufgeschütteten Kieselsande der Chaussee.

Ich meine dies, sagte der Graf – sein Lächeln konnte Helene nicht sehen – Sie würden Goethen einige seiner Charaktere recht bestätigt haben! Par exemple! Die wohlmeinende Therese aus dem Wilhelm Meister!

Da haben wir’s ja! sagte Helene halb verletzt, aber doch lachend. Die absolute Prosa! Die ist aber ganz nützlich, Herr Graf! Ueber diese Goethe’schen Personnagen sollten Sie einmal meinen Vater reden hören! Der hat überhaupt eine Literatur- und Kunstgeschichte ganz für sich! Wenn ich aus der Schule kam und meine Weisheit auskramte, lachte er immer laut auf. Goethes Frauen nennt er sämmtlich verhutzelte, alte weimar’sche Hofdamen und Hofräthinnen! Sogar, denken Sie sich, nimmt er die Dorothea, ja selbst die Leonoren und Iphigenien nicht aus! Alle hätten nur Reflexionen im Munde, Tiraden über Frauenwürde! Es wären aber keine Frauen! Sie hätten gar kein Blut in den Adern! Und sogar die Dorothea wäre blos Basrelief! Keine Statue voll wirklichen Lebens! Sie sei vom Dichter gewollt, er hätte sie aber nie gesehen, ebenso wie den Hermann! Immer spielte Dorothea die Nausikaa aus

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[15/0021] entbehrte hier der Anpflanzung von Bäumen. Alles war dunkel und still. Man hörte nur das Knirschen der Räder im neuaufgeschütteten Kieselsande der Chaussee. Ich meine dies, sagte der Graf – sein Lächeln konnte Helene nicht sehen – Sie würden Goethen einige seiner Charaktere recht bestätigt haben! Par exemple! Die wohlmeinende Therese aus dem Wilhelm Meister! Da haben wir’s ja! sagte Helene halb verletzt, aber doch lachend. Die absolute Prosa! Die ist aber ganz nützlich, Herr Graf! Ueber diese Goethe’schen Personnagen sollten Sie einmal meinen Vater reden hören! Der hat überhaupt eine Literatur- und Kunstgeschichte ganz für sich! Wenn ich aus der Schule kam und meine Weisheit auskramte, lachte er immer laut auf. Goethes Frauen nennt er sämmtlich verhutzelte, alte weimar’sche Hofdamen und Hofräthinnen! Sogar, denken Sie sich, nimmt er die Dorothea, ja selbst die Leonoren und Iphigenien nicht aus! Alle hätten nur Reflexionen im Munde, Tiraden über Frauenwürde! Es wären aber keine Frauen! Sie hätten gar kein Blut in den Adern! Und sogar die Dorothea wäre blos Basrelief! Keine Statue voll wirklichen Lebens! Sie sei vom Dichter gewollt, er hätte sie aber nie gesehen, ebenso wie den Hermann! Immer spielte Dorothea die Nausikaa aus

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/21>, abgerufen am 21.11.2024.