Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Allmälig traten Helene und Holl in den Vordergrund des Gesprächs. Sieh', sieh', die Heuchlerin! sagte der alte Althing. Hat sie uns wohl verrathen, daß sie schon soweit mit Ihnen gewesen! Der Vater zog die schönen Köpfe der jungen Männer mit den plastischen Zügen, den seelenvollen Augen, den schönen klaren, nur an der Nasenwurzel schon zu bleibenden Furchen sich neigenden Stirnhäuten seiner beiden Söhne zu sich herüber, streichelte jeden und sprach: Es ist doch unser eignes Selbst, was uns so mit Sohnes- und Schwiegersohnes-Augen ansieht! Wir umarmen, wir küssen uns selbst! Aber - er drückte seine Küsse auf die Stirnen - Gott, den ich noch bei mir nicht abgesetzt habe, erhalte Euch! Nun würde dieser Tag bis tief in den Abend hinein aufs Heiterste in dem kleinen Kreise verlaufen sein, wenn nicht gegen neun Uhr eine Schreckenskunde angekommen wäre, die der alte Raschke, Luzius' vertrautester Diener, erst dem herausgerufenen Gastgeber unter Thränen mittheilte. Dann erfuhren das Traurige Alle. Der Justizrath hatte sich erhängt. Aus Schmerz um ein liebloses Weib, um lieblose Kinder! rief Schindler mit vollster Ueberzeugung. Aus Schmerz über ein verfehltes Leben, ein mühevolles, Allmälig traten Helene und Holl in den Vordergrund des Gesprächs. Sieh’, sieh’, die Heuchlerin! sagte der alte Althing. Hat sie uns wohl verrathen, daß sie schon soweit mit Ihnen gewesen! Der Vater zog die schönen Köpfe der jungen Männer mit den plastischen Zügen, den seelenvollen Augen, den schönen klaren, nur an der Nasenwurzel schon zu bleibenden Furchen sich neigenden Stirnhäuten seiner beiden Söhne zu sich herüber, streichelte jeden und sprach: Es ist doch unser eignes Selbst, was uns so mit Sohnes- und Schwiegersohnes-Augen ansieht! Wir umarmen, wir küssen uns selbst! Aber – er drückte seine Küsse auf die Stirnen – Gott, den ich noch bei mir nicht abgesetzt habe, erhalte Euch! Nun würde dieser Tag bis tief in den Abend hinein aufs Heiterste in dem kleinen Kreise verlaufen sein, wenn nicht gegen neun Uhr eine Schreckenskunde angekommen wäre, die der alte Raschke, Luzius’ vertrautester Diener, erst dem herausgerufenen Gastgeber unter Thränen mittheilte. Dann erfuhren das Traurige Alle. Der Justizrath hatte sich erhängt. Aus Schmerz um ein liebloses Weib, um lieblose Kinder! rief Schindler mit vollster Ueberzeugung. Aus Schmerz über ein verfehltes Leben, ein mühevolles, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0208" n="202"/> <p> Allmälig traten Helene und Holl in den Vordergrund des Gesprächs.</p> <p>Sieh’, sieh’, die Heuchlerin! sagte der alte Althing. Hat sie uns wohl verrathen, daß sie schon soweit mit Ihnen gewesen!</p> <p>Der Vater zog die schönen Köpfe der jungen Männer mit den plastischen Zügen, den seelenvollen Augen, den schönen klaren, nur an der Nasenwurzel schon zu bleibenden Furchen sich neigenden Stirnhäuten seiner beiden Söhne zu sich herüber, streichelte jeden und sprach: Es ist doch unser eignes Selbst, was uns so mit Sohnes- und Schwiegersohnes-Augen ansieht! Wir umarmen, wir küssen uns selbst! Aber – er drückte seine Küsse auf die Stirnen – Gott, den ich noch bei mir nicht abgesetzt habe, erhalte Euch!</p> <p>Nun würde dieser Tag bis tief in den Abend hinein aufs Heiterste in dem kleinen Kreise verlaufen sein, wenn nicht gegen neun Uhr eine Schreckenskunde angekommen wäre, die der alte Raschke, Luzius’ vertrautester Diener, erst dem herausgerufenen Gastgeber unter Thränen mittheilte. Dann erfuhren das Traurige Alle. Der Justizrath hatte sich erhängt.</p> <p>Aus Schmerz um ein liebloses Weib, um lieblose Kinder! rief Schindler mit vollster Ueberzeugung. Aus Schmerz über ein verfehltes Leben, ein mühevolles, </p> </div> </body> </text> </TEI> [202/0208]
Allmälig traten Helene und Holl in den Vordergrund des Gesprächs.
Sieh’, sieh’, die Heuchlerin! sagte der alte Althing. Hat sie uns wohl verrathen, daß sie schon soweit mit Ihnen gewesen!
Der Vater zog die schönen Köpfe der jungen Männer mit den plastischen Zügen, den seelenvollen Augen, den schönen klaren, nur an der Nasenwurzel schon zu bleibenden Furchen sich neigenden Stirnhäuten seiner beiden Söhne zu sich herüber, streichelte jeden und sprach: Es ist doch unser eignes Selbst, was uns so mit Sohnes- und Schwiegersohnes-Augen ansieht! Wir umarmen, wir küssen uns selbst! Aber – er drückte seine Küsse auf die Stirnen – Gott, den ich noch bei mir nicht abgesetzt habe, erhalte Euch!
Nun würde dieser Tag bis tief in den Abend hinein aufs Heiterste in dem kleinen Kreise verlaufen sein, wenn nicht gegen neun Uhr eine Schreckenskunde angekommen wäre, die der alte Raschke, Luzius’ vertrautester Diener, erst dem herausgerufenen Gastgeber unter Thränen mittheilte. Dann erfuhren das Traurige Alle. Der Justizrath hatte sich erhängt.
Aus Schmerz um ein liebloses Weib, um lieblose Kinder! rief Schindler mit vollster Ueberzeugung. Aus Schmerz über ein verfehltes Leben, ein mühevolles,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/208 |
Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/208>, abgerufen am 16.07.2024. |