Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.immer dieselbe Bescheerung, worauf er auch Anfangs immer in denselben Lärm verfiel und Teller und Schüsseln entzwei schlug. Nachher lernte er sich beherrschen! Ich will Dich zum Dulder erziehen, Wilderich! sagte ich ruhig. Ich meine es christlich mit Dir! Der Mensch muß seine Leidenschaft bezähmen lernen! Was braucht man sich z. B. einzubilden, Jemanden zu lieben! Es ist eine reine Vorstellung, eine Idee, eine Verliebtheit in sich selbst!" In Gegenwart des Grafen Udo ging die resolute Frau wohl gar bis zu dem Worte, es sei ein Zeichen des Weichlichen, Schwächlichen und sagte in ihrem aristokratischen Chauvinismus unter Anderm: Sie lieben doch Ihren König und Kaiser, ohne daß Sie irgend eine engere persönliche Beziehung zu ihm haben! Dagegen stand für die junge Gräfin fest, daß Liebe ein Pflichtgebot aus einer ganz andern Welt sei. Sie hatte dabei keinen Haß auf den Grafen Udo. Nur Abneigung für das rein Persönliche, für den Mangel an Anziehung. Sie konnte ihn nicht stürmisch umarmen, nicht zu ihm sagen: Du, Du, mein Leben! Du mein Alles! Sie wünschte dem schönen, alle Welt durch seine Erscheinung, durch die Anmuth seines Auftretens bezaubernden Manne, der ihr jedoch zu passiv erschien, die volle Beglückung durch Ottomars Schwester. Sie dachte sich den Seelenbund von ihnen allen Vieren "himmlisch, göttlich". Sie immer dieselbe Bescheerung, worauf er auch Anfangs immer in denselben Lärm verfiel und Teller und Schüsseln entzwei schlug. Nachher lernte er sich beherrschen! Ich will Dich zum Dulder erziehen, Wilderich! sagte ich ruhig. Ich meine es christlich mit Dir! Der Mensch muß seine Leidenschaft bezähmen lernen! Was braucht man sich z. B. einzubilden, Jemanden zu lieben! Es ist eine reine Vorstellung, eine Idee, eine Verliebtheit in sich selbst!“ In Gegenwart des Grafen Udo ging die resolute Frau wohl gar bis zu dem Worte, es sei ein Zeichen des Weichlichen, Schwächlichen und sagte in ihrem aristokratischen Chauvinismus unter Anderm: Sie lieben doch Ihren König und Kaiser, ohne daß Sie irgend eine engere persönliche Beziehung zu ihm haben! Dagegen stand für die junge Gräfin fest, daß Liebe ein Pflichtgebot aus einer ganz andern Welt sei. Sie hatte dabei keinen Haß auf den Grafen Udo. Nur Abneigung für das rein Persönliche, für den Mangel an Anziehung. Sie konnte ihn nicht stürmisch umarmen, nicht zu ihm sagen: Du, Du, mein Leben! Du mein Alles! Sie wünschte dem schönen, alle Welt durch seine Erscheinung, durch die Anmuth seines Auftretens bezaubernden Manne, der ihr jedoch zu passiv erschien, die volle Beglückung durch Ottomars Schwester. Sie dachte sich den Seelenbund von ihnen allen Vieren „himmlisch, göttlich“. Sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0171" n="165"/> immer dieselbe Bescheerung, worauf er auch Anfangs immer in denselben Lärm verfiel und Teller und Schüsseln entzwei schlug. Nachher lernte er sich beherrschen! Ich will Dich zum Dulder erziehen, Wilderich! sagte ich ruhig. Ich meine es christlich mit Dir! Der Mensch muß seine Leidenschaft bezähmen lernen! Was braucht man sich z. B. einzubilden, Jemanden zu lieben! Es ist eine reine Vorstellung, eine Idee, eine Verliebtheit in sich selbst!“ In Gegenwart des Grafen Udo ging die resolute Frau wohl gar bis zu dem Worte, es sei ein Zeichen des Weichlichen, Schwächlichen und sagte in ihrem aristokratischen Chauvinismus unter Anderm: Sie lieben doch Ihren König und Kaiser, ohne daß Sie irgend eine engere persönliche Beziehung zu ihm haben!</p> <p>Dagegen stand für die junge Gräfin fest, daß Liebe ein Pflichtgebot aus einer ganz andern Welt sei. Sie hatte dabei keinen Haß auf den Grafen Udo. Nur Abneigung für das rein Persönliche, für den Mangel an Anziehung. Sie konnte ihn nicht stürmisch umarmen, nicht zu ihm sagen: Du, Du, mein Leben! Du mein Alles! Sie wünschte dem schönen, alle Welt durch seine Erscheinung, durch die Anmuth seines Auftretens bezaubernden Manne, der ihr jedoch zu passiv erschien, die volle Beglückung durch Ottomars Schwester. Sie dachte sich den Seelenbund von ihnen allen Vieren „himmlisch, göttlich“. Sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [165/0171]
immer dieselbe Bescheerung, worauf er auch Anfangs immer in denselben Lärm verfiel und Teller und Schüsseln entzwei schlug. Nachher lernte er sich beherrschen! Ich will Dich zum Dulder erziehen, Wilderich! sagte ich ruhig. Ich meine es christlich mit Dir! Der Mensch muß seine Leidenschaft bezähmen lernen! Was braucht man sich z. B. einzubilden, Jemanden zu lieben! Es ist eine reine Vorstellung, eine Idee, eine Verliebtheit in sich selbst!“ In Gegenwart des Grafen Udo ging die resolute Frau wohl gar bis zu dem Worte, es sei ein Zeichen des Weichlichen, Schwächlichen und sagte in ihrem aristokratischen Chauvinismus unter Anderm: Sie lieben doch Ihren König und Kaiser, ohne daß Sie irgend eine engere persönliche Beziehung zu ihm haben!
Dagegen stand für die junge Gräfin fest, daß Liebe ein Pflichtgebot aus einer ganz andern Welt sei. Sie hatte dabei keinen Haß auf den Grafen Udo. Nur Abneigung für das rein Persönliche, für den Mangel an Anziehung. Sie konnte ihn nicht stürmisch umarmen, nicht zu ihm sagen: Du, Du, mein Leben! Du mein Alles! Sie wünschte dem schönen, alle Welt durch seine Erscheinung, durch die Anmuth seines Auftretens bezaubernden Manne, der ihr jedoch zu passiv erschien, die volle Beglückung durch Ottomars Schwester. Sie dachte sich den Seelenbund von ihnen allen Vieren „himmlisch, göttlich“. Sie
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