Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

sie Nichts that, um die Mutter aus dem tragischen in den komischen Ton hinüber zu leiten. Die Generalin verfiel in diesen Ton zuweilen selbst, besonders, wenn sie über den Grafen bei Alledem ihre Glossen zu machen und besonders darüber zu spotten anfing, daß er sich an eine Bildhauertochter gehängt hätte. Ob man sich denn einbildete, daß sie selbst zu ihrem General von Forbeck je gepaßt hätte! sagte die aristokratische Dame. "Gezankt haben wir uns den ganzen Tag und uns dennoch sozusagen geliebt! Ich konnte die Stiefelwichse nicht ertragen, die er dem Bedienten für sein Schuhwerk zu nehmen befahl, und darüber haben wir uns eine Rheinreise verdorben! Er blieb bei seiner Wichse und ich blieb bei meinem: Ich kann die Stiefel nicht riechen!" Die Generalin verlangte durchaus, jeder Mensch sollte sich den "Gemeinplatz" - die Gänsefüße waren von Ada - angewöhnen, man könnte sich für Alles beherrschen. Sie hatte mit ihrem Sohne ein Beispiel der schlechtesten Erziehung aufgestellt und nannte sich in jeder Damenvereinssitzung eine geprüfte Menschenkennerin. Ihrem Seligen, erzählte sie, hätte sie regelmäßig denselben Aerger bereitet, nur um seine Empfindlichkeit dagegen abzustumpfen. "Ich setzte regelmäßig eingetrockneten Mostrich auf den Tisch. Wenn er dann die Büchse öffnen und sich sein Rindfleisch genießbarer machen wollte, fand er

sie Nichts that, um die Mutter aus dem tragischen in den komischen Ton hinüber zu leiten. Die Generalin verfiel in diesen Ton zuweilen selbst, besonders, wenn sie über den Grafen bei Alledem ihre Glossen zu machen und besonders darüber zu spotten anfing, daß er sich an eine Bildhauertochter gehängt hätte. Ob man sich denn einbildete, daß sie selbst zu ihrem General von Forbeck je gepaßt hätte! sagte die aristokratische Dame. „Gezankt haben wir uns den ganzen Tag und uns dennoch sozusagen geliebt! Ich konnte die Stiefelwichse nicht ertragen, die er dem Bedienten für sein Schuhwerk zu nehmen befahl, und darüber haben wir uns eine Rheinreise verdorben! Er blieb bei seiner Wichse und ich blieb bei meinem: Ich kann die Stiefel nicht riechen!“ Die Generalin verlangte durchaus, jeder Mensch sollte sich den „Gemeinplatz“ – die Gänsefüße waren von Ada – angewöhnen, man könnte sich für Alles beherrschen. Sie hatte mit ihrem Sohne ein Beispiel der schlechtesten Erziehung aufgestellt und nannte sich in jeder Damenvereinssitzung eine geprüfte Menschenkennerin. Ihrem Seligen, erzählte sie, hätte sie regelmäßig denselben Aerger bereitet, nur um seine Empfindlichkeit dagegen abzustumpfen. „Ich setzte regelmäßig eingetrockneten Mostrich auf den Tisch. Wenn er dann die Büchse öffnen und sich sein Rindfleisch genießbarer machen wollte, fand er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0170" n="164"/>
sie Nichts that, um die Mutter aus dem tragischen in den komischen Ton hinüber zu leiten. Die Generalin verfiel in diesen Ton zuweilen selbst, besonders, wenn sie über den Grafen bei Alledem ihre Glossen zu machen und besonders darüber zu spotten anfing, daß er sich an eine Bildhauertochter gehängt hätte. Ob man sich denn einbildete, daß sie selbst zu ihrem General von Forbeck je gepaßt hätte! sagte die aristokratische Dame. &#x201E;Gezankt haben wir uns den ganzen Tag und uns dennoch sozusagen geliebt! Ich konnte die Stiefelwichse nicht ertragen, die er dem Bedienten für sein Schuhwerk zu nehmen befahl, und darüber haben wir uns eine Rheinreise verdorben! Er blieb bei seiner Wichse und ich blieb bei meinem: Ich kann die Stiefel nicht riechen!&#x201C; Die Generalin verlangte durchaus, jeder Mensch sollte sich den &#x201E;Gemeinplatz&#x201C; &#x2013; die Gänsefüße waren von Ada &#x2013; angewöhnen, man könnte sich für Alles beherrschen. Sie hatte mit ihrem Sohne ein Beispiel der schlechtesten Erziehung aufgestellt und nannte sich in jeder Damenvereinssitzung eine geprüfte Menschenkennerin. Ihrem Seligen, erzählte sie, hätte sie regelmäßig denselben Aerger bereitet, nur um seine Empfindlichkeit dagegen abzustumpfen. &#x201E;Ich setzte regelmäßig eingetrockneten Mostrich auf den Tisch. Wenn er dann die Büchse öffnen und sich sein Rindfleisch genießbarer machen wollte, fand er
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[164/0170] sie Nichts that, um die Mutter aus dem tragischen in den komischen Ton hinüber zu leiten. Die Generalin verfiel in diesen Ton zuweilen selbst, besonders, wenn sie über den Grafen bei Alledem ihre Glossen zu machen und besonders darüber zu spotten anfing, daß er sich an eine Bildhauertochter gehängt hätte. Ob man sich denn einbildete, daß sie selbst zu ihrem General von Forbeck je gepaßt hätte! sagte die aristokratische Dame. „Gezankt haben wir uns den ganzen Tag und uns dennoch sozusagen geliebt! Ich konnte die Stiefelwichse nicht ertragen, die er dem Bedienten für sein Schuhwerk zu nehmen befahl, und darüber haben wir uns eine Rheinreise verdorben! Er blieb bei seiner Wichse und ich blieb bei meinem: Ich kann die Stiefel nicht riechen!“ Die Generalin verlangte durchaus, jeder Mensch sollte sich den „Gemeinplatz“ – die Gänsefüße waren von Ada – angewöhnen, man könnte sich für Alles beherrschen. Sie hatte mit ihrem Sohne ein Beispiel der schlechtesten Erziehung aufgestellt und nannte sich in jeder Damenvereinssitzung eine geprüfte Menschenkennerin. Ihrem Seligen, erzählte sie, hätte sie regelmäßig denselben Aerger bereitet, nur um seine Empfindlichkeit dagegen abzustumpfen. „Ich setzte regelmäßig eingetrockneten Mostrich auf den Tisch. Wenn er dann die Büchse öffnen und sich sein Rindfleisch genießbarer machen wollte, fand er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T11:57:26Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T11:57:26Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-3<a>) (2014-02-19T11:57:26Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/170
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder03_1877/170>, abgerufen am 07.05.2024.