Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.Was wollen Sie? fragte ein Herr, ein kleiner wohlfrisirter jüdischer Mann, der mit vielen Orden auf der Brust erschien und die Augen zusammendrückte und die rathlose Gestalt des Pfarrers, die ihm auffiel, freundwilligst orientiren wollte. Es war Baron Cohn von Cohnheim. Welches ist die Braut? stotterte Merkus, statt zu sagen: Ich habe Hunger! Schon machte der freundliche Hebräer eine verdrießliche Miene. Er hatte Mahlo bemerkt. Mit einer Länge der Tonschwingung, die sich die hier nun expatriirte gute Brennicke hätte für ihre "Abgänge" merken können, sagte er zu Mahlo plötzlich: Sie auch hier -? Aller Humor schien ihm vergangen. Auch war eine Naht an seinen gelben Glacehandschuhen geplatzt. Dennoch galoppirte er bald darauf mit einer Dame, die dem fragenden Pfarrer Mahlo als die Frau Verwaltungsräthin Jenny Rabe constatirte. Endlich glaubte Merkus das Brautpaar zu sehen. Der stumme Mann zeigte mit dem Finger hinaus. Das war also der Bruder dieser Martha! Da hält er die Bewußte umschlungen und jagt dahin mit ihr wie rasend! Schön ist die Person -! Etwas schon an den Schläfen verfallen -! Dem Grafen Wilhelm sieht sie sehr ähnlich! Wie sie den Mann umklammert hält, der ganz leichenblaß aussieht, diesen Gottesleugner, der früher Was wollen Sie? fragte ein Herr, ein kleiner wohlfrisirter jüdischer Mann, der mit vielen Orden auf der Brust erschien und die Augen zusammendrückte und die rathlose Gestalt des Pfarrers, die ihm auffiel, freundwilligst orientiren wollte. Es war Baron Cohn von Cohnheim. Welches ist die Braut? stotterte Merkus, statt zu sagen: Ich habe Hunger! Schon machte der freundliche Hebräer eine verdrießliche Miene. Er hatte Mahlo bemerkt. Mit einer Länge der Tonschwingung, die sich die hier nun expatriirte gute Brennicke hätte für ihre „Abgänge“ merken können, sagte er zu Mahlo plötzlich: Sie auch hier –? Aller Humor schien ihm vergangen. Auch war eine Naht an seinen gelben Glacéhandschuhen geplatzt. Dennoch galoppirte er bald darauf mit einer Dame, die dem fragenden Pfarrer Mahlo als die Frau Verwaltungsräthin Jenny Rabe constatirte. Endlich glaubte Merkus das Brautpaar zu sehen. Der stumme Mann zeigte mit dem Finger hinaus. Das war also der Bruder dieser Martha! Da hält er die Bewußte umschlungen und jagt dahin mit ihr wie rasend! Schön ist die Person –! Etwas schon an den Schläfen verfallen –! Dem Grafen Wilhelm sieht sie sehr ähnlich! Wie sie den Mann umklammert hält, der ganz leichenblaß aussieht, diesen Gottesleugner, der früher <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0118" n="112"/> <p> Was wollen Sie? fragte ein Herr, ein kleiner wohlfrisirter jüdischer Mann, der mit vielen Orden auf der Brust erschien und die Augen zusammendrückte und die rathlose Gestalt des Pfarrers, die ihm auffiel, freundwilligst orientiren wollte. Es war Baron Cohn von Cohnheim.</p> <p>Welches ist die Braut? stotterte Merkus, statt zu sagen: Ich habe Hunger!</p> <p>Schon machte der freundliche Hebräer eine verdrießliche Miene. Er hatte Mahlo bemerkt. Mit einer Länge der Tonschwingung, die sich die hier nun expatriirte gute Brennicke hätte für ihre „Abgänge“ merken können, sagte er zu Mahlo plötzlich: Sie auch hier –? Aller Humor schien ihm vergangen. Auch war eine Naht an seinen gelben Glacéhandschuhen geplatzt. Dennoch galoppirte er bald darauf mit einer Dame, die dem fragenden Pfarrer Mahlo als die Frau Verwaltungsräthin Jenny Rabe constatirte.</p> <p>Endlich glaubte Merkus das Brautpaar zu sehen. Der stumme Mann zeigte mit dem Finger hinaus. Das war also der Bruder dieser Martha! Da hält er die Bewußte umschlungen und jagt dahin mit ihr wie rasend! Schön ist die Person –! Etwas schon an den Schläfen verfallen –! Dem Grafen Wilhelm sieht sie sehr ähnlich! Wie sie den Mann umklammert hält, der ganz leichenblaß aussieht, diesen Gottesleugner, der früher </p> </div> </body> </text> </TEI> [112/0118]
Was wollen Sie? fragte ein Herr, ein kleiner wohlfrisirter jüdischer Mann, der mit vielen Orden auf der Brust erschien und die Augen zusammendrückte und die rathlose Gestalt des Pfarrers, die ihm auffiel, freundwilligst orientiren wollte. Es war Baron Cohn von Cohnheim.
Welches ist die Braut? stotterte Merkus, statt zu sagen: Ich habe Hunger!
Schon machte der freundliche Hebräer eine verdrießliche Miene. Er hatte Mahlo bemerkt. Mit einer Länge der Tonschwingung, die sich die hier nun expatriirte gute Brennicke hätte für ihre „Abgänge“ merken können, sagte er zu Mahlo plötzlich: Sie auch hier –? Aller Humor schien ihm vergangen. Auch war eine Naht an seinen gelben Glacéhandschuhen geplatzt. Dennoch galoppirte er bald darauf mit einer Dame, die dem fragenden Pfarrer Mahlo als die Frau Verwaltungsräthin Jenny Rabe constatirte.
Endlich glaubte Merkus das Brautpaar zu sehen. Der stumme Mann zeigte mit dem Finger hinaus. Das war also der Bruder dieser Martha! Da hält er die Bewußte umschlungen und jagt dahin mit ihr wie rasend! Schön ist die Person –! Etwas schon an den Schläfen verfallen –! Dem Grafen Wilhelm sieht sie sehr ähnlich! Wie sie den Mann umklammert hält, der ganz leichenblaß aussieht, diesen Gottesleugner, der früher
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