Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 3. Breslau, 1877.es, eine Ausbezahlung von 30,000 Thalern bekommen, wofür sie auf alle weiteren Beziehungen zur Familie des Grafen hätte verzichten müssen. Schrecklich wurde der Verkehr des Grafen mit seiner Tochter entstellt! Furchtbar fletschte hier das Unthier, die Verleumdung, ihre Tigerzähne. Milderes erfuhr der erstaunte Pfarrer erst von dem kränkelnden, ganz eingeschrumpften Luzius, den er seiner Beziehungen zum Grafen wegen als untrügliche Quelle kannte. Den sonst so rührigen Anwalt fand er wortkarger als sonst, ungeneigter über Dinge zu sprechen, die Andre Nichts angingen. Ueber den neuen Papst Alexander den Sechsten und eine zweite Lucrezia Borgia stutzte der verdrießliche Anwalt Anfangs selbst, wallte dann aber in hellen lichten Zorn auf und verwünschte diese ganze "erbärmliche Welt", nannte das Menschengeschlecht eine "Horde von Affen", den Lauf der Dinge ein Gespött des Teufels! Dem Pfarrer wurde angst und bange bei solchem Pessimismus. Er sah, ein Pfarramt in dieser Stadt war eine herbe Prüfung, eine Mission wie unter den Wilden. Kirchenunglaube, Leichenverbrennung, Alles hing hier zusammen. Es wurde ihm unheimlich in dem Arbeitszimmer des berühmten Anwaltes, wo ihn sonst immer so viel Freundlichkeit begrüßt hatte. Leider war er den Damen des Hauses nie vorgestellt worden. Was konnten es, eine Ausbezahlung von 30,000 Thalern bekommen, wofür sie auf alle weiteren Beziehungen zur Familie des Grafen hätte verzichten müssen. Schrecklich wurde der Verkehr des Grafen mit seiner Tochter entstellt! Furchtbar fletschte hier das Unthier, die Verleumdung, ihre Tigerzähne. Milderes erfuhr der erstaunte Pfarrer erst von dem kränkelnden, ganz eingeschrumpften Luzius, den er seiner Beziehungen zum Grafen wegen als untrügliche Quelle kannte. Den sonst so rührigen Anwalt fand er wortkarger als sonst, ungeneigter über Dinge zu sprechen, die Andre Nichts angingen. Ueber den neuen Papst Alexander den Sechsten und eine zweite Lucrezia Borgia stutzte der verdrießliche Anwalt Anfangs selbst, wallte dann aber in hellen lichten Zorn auf und verwünschte diese ganze „erbärmliche Welt“, nannte das Menschengeschlecht eine „Horde von Affen“, den Lauf der Dinge ein Gespött des Teufels! Dem Pfarrer wurde angst und bange bei solchem Pessimismus. Er sah, ein Pfarramt in dieser Stadt war eine herbe Prüfung, eine Mission wie unter den Wilden. Kirchenunglaube, Leichenverbrennung, Alles hing hier zusammen. Es wurde ihm unheimlich in dem Arbeitszimmer des berühmten Anwaltes, wo ihn sonst immer so viel Freundlichkeit begrüßt hatte. Leider war er den Damen des Hauses nie vorgestellt worden. Was konnten <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0100" n="94"/> es, eine Ausbezahlung von 30,000 Thalern bekommen, wofür sie auf alle weiteren Beziehungen zur Familie des Grafen hätte verzichten müssen. Schrecklich wurde der Verkehr des Grafen mit seiner Tochter entstellt! Furchtbar fletschte hier das Unthier, die Verleumdung, ihre Tigerzähne. Milderes erfuhr der erstaunte Pfarrer erst von dem kränkelnden, ganz eingeschrumpften Luzius, den er seiner Beziehungen zum Grafen wegen als untrügliche Quelle kannte. Den sonst so rührigen Anwalt fand er wortkarger als sonst, ungeneigter über Dinge zu sprechen, die Andre Nichts angingen. Ueber den neuen Papst Alexander den Sechsten und eine zweite Lucrezia Borgia stutzte der verdrießliche Anwalt Anfangs selbst, wallte dann aber in hellen lichten Zorn auf und verwünschte diese ganze „erbärmliche Welt“, nannte das Menschengeschlecht eine „Horde von Affen“, den Lauf der Dinge ein Gespött des Teufels! Dem Pfarrer wurde angst und bange bei solchem Pessimismus. Er sah, ein Pfarramt in dieser Stadt war eine herbe Prüfung, eine Mission wie unter den Wilden. Kirchenunglaube, Leichenverbrennung, Alles hing hier zusammen. Es wurde ihm unheimlich in dem Arbeitszimmer des berühmten Anwaltes, wo ihn sonst immer so viel Freundlichkeit begrüßt hatte. Leider war er den Damen des Hauses nie vorgestellt worden. Was konnten </p> </div> </body> </text> </TEI> [94/0100]
es, eine Ausbezahlung von 30,000 Thalern bekommen, wofür sie auf alle weiteren Beziehungen zur Familie des Grafen hätte verzichten müssen. Schrecklich wurde der Verkehr des Grafen mit seiner Tochter entstellt! Furchtbar fletschte hier das Unthier, die Verleumdung, ihre Tigerzähne. Milderes erfuhr der erstaunte Pfarrer erst von dem kränkelnden, ganz eingeschrumpften Luzius, den er seiner Beziehungen zum Grafen wegen als untrügliche Quelle kannte. Den sonst so rührigen Anwalt fand er wortkarger als sonst, ungeneigter über Dinge zu sprechen, die Andre Nichts angingen. Ueber den neuen Papst Alexander den Sechsten und eine zweite Lucrezia Borgia stutzte der verdrießliche Anwalt Anfangs selbst, wallte dann aber in hellen lichten Zorn auf und verwünschte diese ganze „erbärmliche Welt“, nannte das Menschengeschlecht eine „Horde von Affen“, den Lauf der Dinge ein Gespött des Teufels! Dem Pfarrer wurde angst und bange bei solchem Pessimismus. Er sah, ein Pfarramt in dieser Stadt war eine herbe Prüfung, eine Mission wie unter den Wilden. Kirchenunglaube, Leichenverbrennung, Alles hing hier zusammen. Es wurde ihm unheimlich in dem Arbeitszimmer des berühmten Anwaltes, wo ihn sonst immer so viel Freundlichkeit begrüßt hatte. Leider war er den Damen des Hauses nie vorgestellt worden. Was konnten
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