Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.
Du kommst so selten! Ich rufe die Mutter herunter, sagte sie. Nein, nein, ich springe hinauf! erwiderte die schlanke, plastisch geformte Martha. Ach, was sind mir vier Treppen! Und gar die Euern! Wie beim Kaiser sind die ja prächtig! Aber die Treppen, die ich heute schon gestiegen bin! Bei Wöchnerinnen, Wittwen, buckligen Lehrerinnen, erblindeten Stickerinnen - und dabei Commissionen für alle Modemagazine und beim Italiener in der Frankenstraße für die neuesten Ankömmlinge aus der See, für Lachs und Hummer - und bis zur Mittagsstunde, vier Uhr (wir haben ein Diner) muß Alles wieder zur Stelle sein - Und dabei, fiel Althing mit Schärfe und seiner Arbeiter wegen Schroffheit ein, wie ich in der Zeitung lese, Streik in Ihrer Fabrik! Ihr Bruder, der Hauptaufwiegler der Leute! Sagen Sie ihm nur, daß ich Debatten vermeiden und ihm nicht gern begegnen möchte! Das junonisch gewachsene Mädchen, das dem Künstler immer den der "Sonne der Nacht" angehörenden Gedanken weckte: Das wäre recht ein Modell! bebte zusammen. Eine Thräne schlich sich in ihr Auge. Helene sagte, den Arm um die Freundin schlingend: Papa meint es nicht so bös! Sie zog Martha wieder hinaus in's Freie. Du kommst so selten! Ich rufe die Mutter herunter, sagte sie. Nein, nein, ich springe hinauf! erwiderte die schlanke, plastisch geformte Martha. Ach, was sind mir vier Treppen! Und gar die Euern! Wie beim Kaiser sind die ja prächtig! Aber die Treppen, die ich heute schon gestiegen bin! Bei Wöchnerinnen, Wittwen, buckligen Lehrerinnen, erblindeten Stickerinnen – und dabei Commissionen für alle Modemagazine und beim Italiener in der Frankenstraße für die neuesten Ankömmlinge aus der See, für Lachs und Hummer – und bis zur Mittagsstunde, vier Uhr (wir haben ein Diner) muß Alles wieder zur Stelle sein – Und dabei, fiel Althing mit Schärfe und seiner Arbeiter wegen Schroffheit ein, wie ich in der Zeitung lese, Streik in Ihrer Fabrik! Ihr Bruder, der Hauptaufwiegler der Leute! Sagen Sie ihm nur, daß ich Debatten vermeiden und ihm nicht gern begegnen möchte! Das junonisch gewachsene Mädchen, das dem Künstler immer den der „Sonne der Nacht“ angehörenden Gedanken weckte: Das wäre recht ein Modell! bebte zusammen. Eine Thräne schlich sich in ihr Auge. Helene sagte, den Arm um die Freundin schlingend: Papa meint es nicht so bös! Sie zog Martha wieder hinaus in’s Freie. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="82"/> Du kommst so selten! Ich rufe die Mutter herunter, sagte sie. </p> <p>Nein, nein, ich springe hinauf! erwiderte die schlanke, plastisch geformte Martha. Ach, was sind mir vier Treppen! Und gar die Euern! Wie beim Kaiser sind die ja prächtig! Aber die Treppen, die ich heute schon gestiegen bin! Bei Wöchnerinnen, Wittwen, buckligen Lehrerinnen, erblindeten Stickerinnen – und dabei Commissionen für alle Modemagazine und beim Italiener in der Frankenstraße für die neuesten Ankömmlinge aus der See, für Lachs und Hummer – und <ref xml:id="TEXTbiszurBISDiner" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLbiszurBISdiner">bis zur Mittagsstunde, vier Uhr (wir haben ein Diner</ref>) muß Alles wieder zur Stelle sein –</p> <p>Und dabei, fiel Althing mit Schärfe und seiner Arbeiter wegen Schroffheit ein, wie ich in der Zeitung lese, Streik in Ihrer Fabrik! Ihr Bruder, der Hauptaufwiegler der Leute! Sagen Sie ihm nur, daß ich Debatten vermeiden und ihm nicht gern begegnen möchte! </p> <p>Das <ref xml:id="TEXTjunonischgewachsene" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLjunonischgewachsene">junonisch gewachsene</ref> Mädchen, das dem Künstler immer <ref xml:id="TEXTdenderSonneBISModell" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLdenderSonneBISModell">den der „Sonne der Nacht“ angehörenden Gedanken weckte: Das wäre recht ein Modell</ref>! bebte zusammen. Eine Thräne schlich sich in ihr Auge. Helene sagte, den Arm um die Freundin schlingend: Papa meint es nicht so bös! Sie zog Martha wieder hinaus in’s Freie. </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [82/0088]
Du kommst so selten! Ich rufe die Mutter herunter, sagte sie.
Nein, nein, ich springe hinauf! erwiderte die schlanke, plastisch geformte Martha. Ach, was sind mir vier Treppen! Und gar die Euern! Wie beim Kaiser sind die ja prächtig! Aber die Treppen, die ich heute schon gestiegen bin! Bei Wöchnerinnen, Wittwen, buckligen Lehrerinnen, erblindeten Stickerinnen – und dabei Commissionen für alle Modemagazine und beim Italiener in der Frankenstraße für die neuesten Ankömmlinge aus der See, für Lachs und Hummer – und bis zur Mittagsstunde, vier Uhr (wir haben ein Diner) muß Alles wieder zur Stelle sein –
Und dabei, fiel Althing mit Schärfe und seiner Arbeiter wegen Schroffheit ein, wie ich in der Zeitung lese, Streik in Ihrer Fabrik! Ihr Bruder, der Hauptaufwiegler der Leute! Sagen Sie ihm nur, daß ich Debatten vermeiden und ihm nicht gern begegnen möchte!
Das junonisch gewachsene Mädchen, das dem Künstler immer den der „Sonne der Nacht“ angehörenden Gedanken weckte: Das wäre recht ein Modell! bebte zusammen. Eine Thräne schlich sich in ihr Auge. Helene sagte, den Arm um die Freundin schlingend: Papa meint es nicht so bös! Sie zog Martha wieder hinaus in’s Freie.
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| Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/88>, abgerufen am 25.11.2024. |
