Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Es war ein schönes neues Haus, das Ottomar endlich betrat, aber die Nachfrage nach seinem Mann wies ihn in den Hinterhof, der allerdings hell und freundlich war. Zwei Stiegen sollte er hinaufgehen! Er, der sich gerüstet hatte, einem Mann zu begegnen, der nur in den feinsten Restaurants leben, auf schwellenden Divans sich strecken konnte! Zwei enge, wenig sauber gehaltene Treppen! Verwundert klopfte er an eine Thür, die wirklich mit dem Namen des Gesuchten bezeichnet war. Ein einfaches kleines Arbeitszimmer empfing ihn, wo sich auf einem großen dicht an's Fenster gerückten Tische, Schreibbücher, Bücher, Zirkel, Meßinstrumente und ähnliche Arbeitsbeihülfen eines mit dem Messungswesen beschäftigten Technikers vorfanden. Schon öffnete sich eine Nebenthür und ein mittelgroßer wettergebräunter Mann mit weißen Haaren, mit feurigschwarzen Augen, in einer gestreiften Jacke, ohne Tragbänder für die schlaff herabhängenden Beinkleider, der eben sein Mittagsmahl zu halten schien, herrschte ihn mit den Worten an: Was wünschen Sie? Was wollen Sie? Womit kann ich dienen? Sind Sie nicht irre gegangen?

Sicher ein Geizhals! dachte Ottomar. Er fand nicht sogleich die Sprache. Denn dieser Gatte einer leichtsinnigen jungen Frau, dieser Schlemmer und Schuldenmacher hatte eben einem auf einer Tischkante servirten

Es war ein schönes neues Haus, das Ottomar endlich betrat, aber die Nachfrage nach seinem Mann wies ihn in den Hinterhof, der allerdings hell und freundlich war. Zwei Stiegen sollte er hinaufgehen! Er, der sich gerüstet hatte, einem Mann zu begegnen, der nur in den feinsten Restaurants leben, auf schwellenden Divans sich strecken konnte! Zwei enge, wenig sauber gehaltene Treppen! Verwundert klopfte er an eine Thür, die wirklich mit dem Namen des Gesuchten bezeichnet war. Ein einfaches kleines Arbeitszimmer empfing ihn, wo sich auf einem großen dicht an’s Fenster gerückten Tische, Schreibbücher, Bücher, Zirkel, Meßinstrumente und ähnliche Arbeitsbeihülfen eines mit dem Messungswesen beschäftigten Technikers vorfanden. Schon öffnete sich eine Nebenthür und ein mittelgroßer wettergebräunter Mann mit weißen Haaren, mit feurigschwarzen Augen, in einer gestreiften Jacke, ohne Tragbänder für die schlaff herabhängenden Beinkleider, der eben sein Mittagsmahl zu halten schien, herrschte ihn mit den Worten an: Was wünschen Sie? Was wollen Sie? Womit kann ich dienen? Sind Sie nicht irre gegangen?

Sicher ein Geizhals! dachte Ottomar. Er fand nicht sogleich die Sprache. Denn dieser Gatte einer leichtsinnigen jungen Frau, dieser Schlemmer und Schuldenmacher hatte eben einem auf einer Tischkante servirten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0069" n="63"/>
Es war ein schönes neues Haus, das Ottomar endlich betrat, aber die Nachfrage nach seinem Mann wies ihn in den Hinterhof, der allerdings hell und freundlich war. Zwei Stiegen sollte er hinaufgehen! Er, der sich gerüstet hatte, einem Mann zu begegnen, der nur in den feinsten Restaurants leben, auf schwellenden Divans sich strecken konnte! Zwei enge, wenig sauber gehaltene Treppen! Verwundert klopfte er an eine Thür, die wirklich mit dem Namen des Gesuchten bezeichnet war. Ein einfaches kleines Arbeitszimmer empfing ihn, wo sich auf einem großen dicht an&#x2019;s Fenster gerückten Tische, Schreibbücher, Bücher, Zirkel, Meßinstrumente und ähnliche Arbeitsbeihülfen eines mit dem Messungswesen beschäftigten Technikers vorfanden. Schon öffnete sich eine Nebenthür und ein mittelgroßer wettergebräunter Mann mit weißen Haaren, mit feurigschwarzen Augen, in einer gestreiften Jacke, ohne Tragbänder für die schlaff herabhängenden Beinkleider, der eben sein Mittagsmahl zu halten schien, herrschte ihn mit den Worten an: Was wünschen Sie? Was wollen Sie? Womit kann ich dienen? Sind Sie nicht irre gegangen? </p>
        <p>Sicher ein Geizhals! dachte Ottomar. Er fand nicht sogleich die Sprache. Denn dieser Gatte einer leichtsinnigen jungen Frau, dieser Schlemmer und Schuldenmacher hatte eben einem auf einer Tischkante servirten
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0069] Es war ein schönes neues Haus, das Ottomar endlich betrat, aber die Nachfrage nach seinem Mann wies ihn in den Hinterhof, der allerdings hell und freundlich war. Zwei Stiegen sollte er hinaufgehen! Er, der sich gerüstet hatte, einem Mann zu begegnen, der nur in den feinsten Restaurants leben, auf schwellenden Divans sich strecken konnte! Zwei enge, wenig sauber gehaltene Treppen! Verwundert klopfte er an eine Thür, die wirklich mit dem Namen des Gesuchten bezeichnet war. Ein einfaches kleines Arbeitszimmer empfing ihn, wo sich auf einem großen dicht an’s Fenster gerückten Tische, Schreibbücher, Bücher, Zirkel, Meßinstrumente und ähnliche Arbeitsbeihülfen eines mit dem Messungswesen beschäftigten Technikers vorfanden. Schon öffnete sich eine Nebenthür und ein mittelgroßer wettergebräunter Mann mit weißen Haaren, mit feurigschwarzen Augen, in einer gestreiften Jacke, ohne Tragbänder für die schlaff herabhängenden Beinkleider, der eben sein Mittagsmahl zu halten schien, herrschte ihn mit den Worten an: Was wünschen Sie? Was wollen Sie? Womit kann ich dienen? Sind Sie nicht irre gegangen? Sicher ein Geizhals! dachte Ottomar. Er fand nicht sogleich die Sprache. Denn dieser Gatte einer leichtsinnigen jungen Frau, dieser Schlemmer und Schuldenmacher hatte eben einem auf einer Tischkante servirten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T12:27:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T12:27:44Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-1<a>) (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/69
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/69>, abgerufen am 24.11.2024.