Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Etwas Aehnliches - Die beiden jungen Männer schwiegen. Das Talent, leichthin von den Fehlern andrer Menschen zu sprechen, schien keiner von ihnen zu besitzen. Es erlernt sich erst in späteren Jahren durch die ansteckende Verläumdungslust oder frühe durch eigne Schlechtigkeit. Graf Udo erzählte: In jenem Schreibtisch habe ich von etwa vorhandenen Kindern Nichts gefunden. Mein Onkel starb so plötzlich, daß ihm eine Ordnung in seine Papiere zu bringen nicht gestattet war. Er kam wie gewöhnlich gegen 11 Uhr Abends vom adligen Casino, fühlte sich unwohl und war plötzlich todt. Meine gute Tante, die ihn anbetete, die auch er selbst mit jeder nur erdenklichen Zuvorkommenheit und Güte behandelte, glaubte, daß er regelmäßig vom Casino kam - vier, fünf Jahre hat sie das geglaubt - ohne Grund geglaubt - ich bin über diesen Flecken - doch wer mag moralisiren? Da macht mich die Geschichte mit ihren Folgen, die sie nun hat, doch recht unglücklich - Althing wollte nicht dem Ausdruck, sondern nur der Heftigkeit des sittlichen Schmerzes wehren, wenn er sagte: Mein Vater soll auf dem Monument keinen Anker anbringen! Etwas Aehnliches – Die beiden jungen Männer schwiegen. Das Talent, leichthin von den Fehlern andrer Menschen zu sprechen, schien keiner von ihnen zu besitzen. Es erlernt sich erst in späteren Jahren durch die ansteckende Verläumdungslust oder frühe durch eigne Schlechtigkeit. Graf Udo erzählte: In jenem Schreibtisch habe ich von etwa vorhandenen Kindern Nichts gefunden. Mein Onkel starb so plötzlich, daß ihm eine Ordnung in seine Papiere zu bringen nicht gestattet war. Er kam wie gewöhnlich gegen 11 Uhr Abends vom adligen Casino, fühlte sich unwohl und war plötzlich todt. Meine gute Tante, die ihn anbetete, die auch er selbst mit jeder nur erdenklichen Zuvorkommenheit und Güte behandelte, glaubte, daß er regelmäßig vom Casino kam – vier, fünf Jahre hat sie das geglaubt – ohne Grund geglaubt – ich bin über diesen Flecken – doch wer mag moralisiren? Da macht mich die Geschichte mit ihren Folgen, die sie nun hat, doch recht unglücklich – Althing wollte nicht dem Ausdruck, sondern nur der Heftigkeit des sittlichen Schmerzes wehren, wenn er sagte: Mein Vater soll auf dem Monument keinen Anker anbringen! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0046" n="40"/> Etwas Aehnliches –</p> <p>Die beiden jungen Männer schwiegen. Das Talent, leichthin von den Fehlern andrer Menschen zu sprechen, schien keiner von ihnen zu besitzen. Es erlernt sich erst in späteren Jahren durch die ansteckende Verläumdungslust oder frühe durch eigne Schlechtigkeit. </p> <p>Graf Udo erzählte: In jenem Schreibtisch habe ich von etwa vorhandenen Kindern Nichts gefunden. Mein Onkel starb so plötzlich, daß ihm eine Ordnung in seine Papiere zu bringen nicht gestattet war. Er kam wie gewöhnlich gegen 11 Uhr Abends vom adligen Casino, fühlte sich unwohl und war plötzlich todt. Meine gute Tante, die ihn anbetete, die auch er selbst mit jeder nur erdenklichen Zuvorkommenheit und Güte behandelte, glaubte, daß er regelmäßig vom Casino kam – vier, fünf Jahre hat sie das geglaubt – ohne Grund geglaubt – ich bin über diesen Flecken – doch wer mag moralisiren? Da macht mich die Geschichte mit ihren Folgen, die sie nun hat, doch recht unglücklich –</p> <p>Althing wollte nicht dem Ausdruck, sondern nur der Heftigkeit des sittlichen Schmerzes wehren, wenn er sagte: Mein Vater soll auf dem Monument keinen Anker anbringen! </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [40/0046]
Etwas Aehnliches –
Die beiden jungen Männer schwiegen. Das Talent, leichthin von den Fehlern andrer Menschen zu sprechen, schien keiner von ihnen zu besitzen. Es erlernt sich erst in späteren Jahren durch die ansteckende Verläumdungslust oder frühe durch eigne Schlechtigkeit.
Graf Udo erzählte: In jenem Schreibtisch habe ich von etwa vorhandenen Kindern Nichts gefunden. Mein Onkel starb so plötzlich, daß ihm eine Ordnung in seine Papiere zu bringen nicht gestattet war. Er kam wie gewöhnlich gegen 11 Uhr Abends vom adligen Casino, fühlte sich unwohl und war plötzlich todt. Meine gute Tante, die ihn anbetete, die auch er selbst mit jeder nur erdenklichen Zuvorkommenheit und Güte behandelte, glaubte, daß er regelmäßig vom Casino kam – vier, fünf Jahre hat sie das geglaubt – ohne Grund geglaubt – ich bin über diesen Flecken – doch wer mag moralisiren? Da macht mich die Geschichte mit ihren Folgen, die sie nun hat, doch recht unglücklich –
Althing wollte nicht dem Ausdruck, sondern nur der Heftigkeit des sittlichen Schmerzes wehren, wenn er sagte: Mein Vater soll auf dem Monument keinen Anker anbringen!
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/46>, abgerufen am 16.07.2024. |