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Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.

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O, sprach Ottomar mit einem gewissen Schwunge, lassen Sie diese Sonne leuchten! Gäste sind nicht mehr viel in den Zimmern! Man kann ein Wort plaudern, das Niemand hört! Der Graf fürchtet sich vor der Wahrheit, ich bin ja sein Freund, lassen Sie mich den Vermittler bleiben!

Der Geometer blieb stehen. Sein Mantel schlug auseinander. Der Geierblick des Auges, der durch eine Brille hindurchdrang, hatte sich gemildert. Er nahm die Brille ab und behauptete nun wegen der blendenden Laternen besser zu sehen. Man war nahe an dem bezeichneten Locale. Er richtete seine gefurchten magern Gesichtszüge, die etwas Mephistophelisches hatten, auf die Häuserreihe, vor der man stand, und murmelte: Die Sonne der Nacht, sagen Sie? Ja, ja, wenn uns die einst scheinen wird! Die Kehrseite aller Dinge! Dann ist das Meer abgelaufen! Auf seinem Grunde sieht man das Gewimmel, die begrabne Welt, Schiffstrümmer, Leichen, untergegangene Städte, Länder, die verschlungen wurden, gräuliches Gewürm!

Die Seeschlange! unterbrach Ottomar den plötzlich wunderbar aufthauenden Mann und setzte prosaisch heiter, um den Gewonnenen launig zu stimmen, hinzu: Fünf Häuser weiter kriegen wir sie!

Sie waren dann wirklich in die fast gänzlich leeren Zimmer des bekannten Weinlocals gerathen, wo bereits einige

O, sprach Ottomar mit einem gewissen Schwunge, lassen Sie diese Sonne leuchten! Gäste sind nicht mehr viel in den Zimmern! Man kann ein Wort plaudern, das Niemand hört! Der Graf fürchtet sich vor der Wahrheit, ich bin ja sein Freund, lassen Sie mich den Vermittler bleiben!

Der Geometer blieb stehen. Sein Mantel schlug auseinander. Der Geierblick des Auges, der durch eine Brille hindurchdrang, hatte sich gemildert. Er nahm die Brille ab und behauptete nun wegen der blendenden Laternen besser zu sehen. Man war nahe an dem bezeichneten Locale. Er richtete seine gefurchten magern Gesichtszüge, die etwas Mephistophelisches hatten, auf die Häuserreihe, vor der man stand, und murmelte: Die Sonne der Nacht, sagen Sie? Ja, ja, wenn uns die einst scheinen wird! Die Kehrseite aller Dinge! Dann ist das Meer abgelaufen! Auf seinem Grunde sieht man das Gewimmel, die begrabne Welt, Schiffstrümmer, Leichen, untergegangene Städte, Länder, die verschlungen wurden, gräuliches Gewürm!

Die Seeschlange! unterbrach Ottomar den plötzlich wunderbar aufthauenden Mann und setzte prosaisch heiter, um den Gewonnenen launig zu stimmen, hinzu: Fünf Häuser weiter kriegen wir sie!

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[275/0281] O, sprach Ottomar mit einem gewissen Schwunge, lassen Sie diese Sonne leuchten! Gäste sind nicht mehr viel in den Zimmern! Man kann ein Wort plaudern, das Niemand hört! Der Graf fürchtet sich vor der Wahrheit, ich bin ja sein Freund, lassen Sie mich den Vermittler bleiben! Der Geometer blieb stehen. Sein Mantel schlug auseinander. Der Geierblick des Auges, der durch eine Brille hindurchdrang, hatte sich gemildert. Er nahm die Brille ab und behauptete nun wegen der blendenden Laternen besser zu sehen. Man war nahe an dem bezeichneten Locale. Er richtete seine gefurchten magern Gesichtszüge, die etwas Mephistophelisches hatten, auf die Häuserreihe, vor der man stand, und murmelte: Die Sonne der Nacht, sagen Sie? Ja, ja, wenn uns die einst scheinen wird! Die Kehrseite aller Dinge! Dann ist das Meer abgelaufen! Auf seinem Grunde sieht man das Gewimmel, die begrabne Welt, Schiffstrümmer, Leichen, untergegangene Städte, Länder, die verschlungen wurden, gräuliches Gewürm! Die Seeschlange! unterbrach Ottomar den plötzlich wunderbar aufthauenden Mann und setzte prosaisch heiter, um den Gewonnenen launig zu stimmen, hinzu: Fünf Häuser weiter kriegen wir sie! Sie waren dann wirklich in die fast gänzlich leeren Zimmer des bekannten Weinlocals gerathen, wo bereits einige

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/281>, abgerufen am 28.11.2024.