Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.hören können, da das Schluchzen Helenens und der Mutter mit Worten begleitet war. Ich bin kein solcher Bildhauer, hatte der Vater sich zu Helenen wendend gerufen, wie Du da einen in Deinem neuen Roman geschildert kriegst! Ich mache der deutschen Künstlerwelt nicht das Compliment, zwei Ateliers zu haben, eines, wo ich Christus dem Herrn diene, und eines, wo Venus und die Wollust herrscht! O über einen Dichter, der unter Künstlern lebt und sie so zu schildern im Stande war! Wir Künstler mögen zuweilen Thoren in unserer Richtung sein und die ganze deutsche Kunstgeschichte beweist ja, daß wir eigentlich immer in Extremen gelebt haben! Ist ein Gedanke da, so wurde er gleich breitgetreten! Jede Originalität erzeugt die Manier! Aber was wir sind und sein wollen, das sind wir auch - ganz. Machen wir Marien und Crucifixe, so ruht unsere Seele in dieser Formgebung des Steins! Malen wir Madonnen, so lassen wir uns das Lächeln frivoler Collegen gefallen! Aber wir kaufen uns nicht von dem froh getragenen Martyrium unserer Ueberzeugung durch ein zweites Atelier ab, wo der persönliche Penchant herrscht. Ihr werdet's noch dahin bringen, daß ich das ganze Monument unten in Stücke zerschlage und Euren frivolen Grafen aus dem Hause weise! hören können, da das Schluchzen Helenens und der Mutter mit Worten begleitet war. Ich bin kein solcher Bildhauer, hatte der Vater sich zu Helenen wendend gerufen, wie Du da einen in Deinem neuen Roman geschildert kriegst! Ich mache der deutschen Künstlerwelt nicht das Compliment, zwei Ateliers zu haben, eines, wo ich Christus dem Herrn diene, und eines, wo Venus und die Wollust herrscht! O über einen Dichter, der unter Künstlern lebt und sie so zu schildern im Stande war! Wir Künstler mögen zuweilen Thoren in unserer Richtung sein und die ganze deutsche Kunstgeschichte beweist ja, daß wir eigentlich immer in Extremen gelebt haben! Ist ein Gedanke da, so wurde er gleich breitgetreten! Jede Originalität erzeugt die Manier! Aber was wir sind und sein wollen, das sind wir auch – ganz. Machen wir Marien und Crucifixe, so ruht unsere Seele in dieser Formgebung des Steins! Malen wir Madonnen, so lassen wir uns das Lächeln frivoler Collegen gefallen! Aber wir kaufen uns nicht von dem froh getragenen Martyrium unserer Ueberzeugung durch ein zweites Atelier ab, wo der persönliche Penchant herrscht. Ihr werdet’s noch dahin bringen, daß ich das ganze Monument unten in Stücke zerschlage und Euren frivolen Grafen aus dem Hause weise! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0213" n="207"/> hören können, da das Schluchzen Helenens und der Mutter mit Worten begleitet war. </p> <p>Ich bin kein solcher Bildhauer, hatte der Vater sich zu Helenen wendend gerufen, wie Du da einen in Deinem neuen Roman geschildert kriegst! Ich mache der deutschen Künstlerwelt nicht das Compliment, zwei Ateliers zu haben, eines, wo ich Christus dem Herrn diene, und eines, wo Venus und die Wollust herrscht! O über einen Dichter, der unter Künstlern lebt und sie so zu schildern im Stande war! Wir Künstler mögen zuweilen Thoren in unserer Richtung sein und die ganze deutsche Kunstgeschichte beweist ja, daß wir eigentlich immer in Extremen gelebt haben! Ist ein Gedanke da, so wurde er gleich breitgetreten! Jede Originalität erzeugt die Manier! Aber was wir sind und sein wollen, das sind wir auch – ganz. Machen wir Marien und Crucifixe, so ruht unsere Seele in dieser Formgebung des Steins! Malen wir Madonnen, so lassen wir uns das Lächeln frivoler Collegen gefallen! Aber wir kaufen uns nicht von dem froh getragenen Martyrium unserer Ueberzeugung durch ein zweites Atelier ab, wo der persönliche <ref xml:id="TEXTPenchant" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLPenchant">Penchant</ref> herrscht. Ihr werdet’s noch dahin bringen, daß ich das ganze Monument unten in Stücke zerschlage und Euren frivolen Grafen aus dem Hause weise! </p> <p> </p> </div> </body> </text> </TEI> [207/0213]
hören können, da das Schluchzen Helenens und der Mutter mit Worten begleitet war.
Ich bin kein solcher Bildhauer, hatte der Vater sich zu Helenen wendend gerufen, wie Du da einen in Deinem neuen Roman geschildert kriegst! Ich mache der deutschen Künstlerwelt nicht das Compliment, zwei Ateliers zu haben, eines, wo ich Christus dem Herrn diene, und eines, wo Venus und die Wollust herrscht! O über einen Dichter, der unter Künstlern lebt und sie so zu schildern im Stande war! Wir Künstler mögen zuweilen Thoren in unserer Richtung sein und die ganze deutsche Kunstgeschichte beweist ja, daß wir eigentlich immer in Extremen gelebt haben! Ist ein Gedanke da, so wurde er gleich breitgetreten! Jede Originalität erzeugt die Manier! Aber was wir sind und sein wollen, das sind wir auch – ganz. Machen wir Marien und Crucifixe, so ruht unsere Seele in dieser Formgebung des Steins! Malen wir Madonnen, so lassen wir uns das Lächeln frivoler Collegen gefallen! Aber wir kaufen uns nicht von dem froh getragenen Martyrium unserer Ueberzeugung durch ein zweites Atelier ab, wo der persönliche Penchant herrscht. Ihr werdet’s noch dahin bringen, daß ich das ganze Monument unten in Stücke zerschlage und Euren frivolen Grafen aus dem Hause weise!
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