Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.Lebensverwicklungen gerathen, die ihn über die Gebühr gefangen nahmen. Die neuliche Erklärung des Grafen über Ada, die er in der That bestätigt fand, die zwangsweisen Besuche bei Edwina Marloff nahmen ihm den Boden unter den Füßen. Jetzt sah er nur immer auf die Thür, ob endlich sein Vater kam, und da dieser ausblieb, so ruhte seine Hand lässig auf dem Tisch und er hörte nicht mehr, ob die Menschheit durch den Soldatenrock besser oder schlechter würde. Zur Zeit des "Simplicissimus", sagte er einmal vor sich hin, als ein "Oberlehrer" gesprochen, wurden die Menschen durch den Soldatenrock entschieden schlechter! Sein Vater kam nicht. Er kämpfte lange mit sich, ob er aufstehen sollte und gehen. Er hatte nur den liebevollen Vater begrüßen, ihm die Hand drücken wollen. Denn - sie hatten gestern Beide eine böse, böse Stunde! Harte Worte, ungerechte Beschuldigungen waren gefallen! Der alte Bildhauer hatte den gestrigen Sonntag, wo der Sohn bei den Eltern zu speisen pflegte, zu einem dunklen Tage im Erinnerungskalender der Seinigen gemacht! Nur die winterlichen Doppelfenster hatten die Schallwirkung der mächtigen Worte gedämpft, die schon während des Essens, dann bei dem sonst so gemüthlich verlaufenden Kaffee durch die niedrigen Räume des vierten Stockes ertönten. Selbst die Thränen hätte man sozusagen Lebensverwicklungen gerathen, die ihn über die Gebühr gefangen nahmen. Die neuliche Erklärung des Grafen über Ada, die er in der That bestätigt fand, die zwangsweisen Besuche bei Edwina Marloff nahmen ihm den Boden unter den Füßen. Jetzt sah er nur immer auf die Thür, ob endlich sein Vater kam, und da dieser ausblieb, so ruhte seine Hand lässig auf dem Tisch und er hörte nicht mehr, ob die Menschheit durch den Soldatenrock besser oder schlechter würde. Zur Zeit des „Simplicissimus“, sagte er einmal vor sich hin, als ein „Oberlehrer“ gesprochen, wurden die Menschen durch den Soldatenrock entschieden schlechter! Sein Vater kam nicht. Er kämpfte lange mit sich, ob er aufstehen sollte und gehen. Er hatte nur den liebevollen Vater begrüßen, ihm die Hand drücken wollen. Denn – sie hatten gestern Beide eine böse, böse Stunde! Harte Worte, ungerechte Beschuldigungen waren gefallen! Der alte Bildhauer hatte den gestrigen Sonntag, wo der Sohn bei den Eltern zu speisen pflegte, zu einem dunklen Tage im Erinnerungskalender der Seinigen gemacht! Nur die winterlichen Doppelfenster hatten die Schallwirkung der mächtigen Worte gedämpft, die schon während des Essens, dann bei dem sonst so gemüthlich verlaufenden Kaffee durch die niedrigen Räume des vierten Stockes ertönten. Selbst die Thränen hätte man sozusagen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0212" n="206"/> Lebensverwicklungen gerathen, die ihn über die Gebühr gefangen nahmen. Die neuliche Erklärung des Grafen über Ada, die er in der That bestätigt fand, die zwangsweisen Besuche bei Edwina Marloff nahmen ihm den Boden unter den Füßen. Jetzt sah er nur immer auf die Thür, ob endlich sein Vater kam, und da dieser ausblieb, so ruhte seine Hand lässig auf dem Tisch und er hörte nicht mehr, ob die Menschheit durch den Soldatenrock besser oder schlechter würde. <ref xml:id="TEXTZurZeitdesSimplicissimus" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLZurZeitdesSimplicissimus">Zur Zeit des „Simplicissimus</ref>“, sagte er einmal vor sich hin, als ein „Oberlehrer“ gesprochen, wurden die Menschen durch den Soldatenrock entschieden schlechter! </p> <p>Sein Vater kam nicht. Er kämpfte lange mit sich, ob er aufstehen sollte und gehen. Er hatte nur den liebevollen Vater begrüßen, ihm die Hand drücken wollen. Denn – sie hatten gestern Beide eine böse, böse Stunde! Harte Worte, ungerechte Beschuldigungen waren gefallen! Der alte Bildhauer hatte den gestrigen Sonntag, wo der Sohn bei den Eltern zu speisen pflegte, zu einem dunklen Tage im Erinnerungskalender der Seinigen gemacht! Nur die winterlichen Doppelfenster hatten die Schallwirkung der mächtigen Worte gedämpft, die schon während des Essens, dann bei dem sonst so gemüthlich verlaufenden Kaffee durch die niedrigen Räume des vierten Stockes ertönten. Selbst die Thränen hätte man sozusagen </p> </div> </body> </text> </TEI> [206/0212]
Lebensverwicklungen gerathen, die ihn über die Gebühr gefangen nahmen. Die neuliche Erklärung des Grafen über Ada, die er in der That bestätigt fand, die zwangsweisen Besuche bei Edwina Marloff nahmen ihm den Boden unter den Füßen. Jetzt sah er nur immer auf die Thür, ob endlich sein Vater kam, und da dieser ausblieb, so ruhte seine Hand lässig auf dem Tisch und er hörte nicht mehr, ob die Menschheit durch den Soldatenrock besser oder schlechter würde. Zur Zeit des „Simplicissimus“, sagte er einmal vor sich hin, als ein „Oberlehrer“ gesprochen, wurden die Menschen durch den Soldatenrock entschieden schlechter!
Sein Vater kam nicht. Er kämpfte lange mit sich, ob er aufstehen sollte und gehen. Er hatte nur den liebevollen Vater begrüßen, ihm die Hand drücken wollen. Denn – sie hatten gestern Beide eine böse, böse Stunde! Harte Worte, ungerechte Beschuldigungen waren gefallen! Der alte Bildhauer hatte den gestrigen Sonntag, wo der Sohn bei den Eltern zu speisen pflegte, zu einem dunklen Tage im Erinnerungskalender der Seinigen gemacht! Nur die winterlichen Doppelfenster hatten die Schallwirkung der mächtigen Worte gedämpft, die schon während des Essens, dann bei dem sonst so gemüthlich verlaufenden Kaffee durch die niedrigen Räume des vierten Stockes ertönten. Selbst die Thränen hätte man sozusagen
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