Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieterici, sieht man, ist Menschenkenner und Dichter. Im letztern Umstande sollte sein Herabsteigen bis zu seinen Wirthsleuten liegen, nicht in anderen Ursachen. "Dichter lieben nicht zu schweigen, wollen sich der Menge zeigen!" Moliere zog das gesunde Lachen oder das Gähnen seiner Haushälterin allen Urtheilen der Akademie vor. Leider konnte Blaumeißel nicht Alles so tief fassen, so ergreifend wiedergeben, wie Micheline, seine Gattin und Josefa das auffaßten, jene trotz ihrer drei Kinder, die im Schlafe zuweilen schrieen. Plümicke staunte nur und bewunderte.

Aber das war richtig. Ottomar hatte einigemal in Abendstunden, tief in seinen Paletot gewickelt, die Palissadenstraße durchstreift und endlich Edwina Marloff besucht. Als er seinem Freunde, dem Grafen zum ersten Male Bericht erstattete, fand er leider diesen dermaßen zerstreut, daß er sich nur kurz fassen konnte und die Details seines Besuchs obenhin berührte.

Denn unter dem Siegel der Verschwiegenheit hatte ihm der Graf anvertraut, daß ein großes starkes Leinwandcouvertpacket, das erbrochen vor ihm lag, eine Sammlung unbezahlter Rechnungen enthielt, die ihm die Generalin zuschickte. Es waren oder schienen die Ausgaben zu sein für die schon vorgenommene Ausstattung und Einrichtung seiner voraussichtlichen neuen Existenz,

Dieterici, sieht man, ist Menschenkenner und Dichter. Im letztern Umstande sollte sein Herabsteigen bis zu seinen Wirthsleuten liegen, nicht in anderen Ursachen. „Dichter lieben nicht zu schweigen, wollen sich der Menge zeigen!“ Molière zog das gesunde Lachen oder das Gähnen seiner Haushälterin allen Urtheilen der Akademie vor. Leider konnte Blaumeißel nicht Alles so tief fassen, so ergreifend wiedergeben, wie Micheline, seine Gattin und Josefa das auffaßten, jene trotz ihrer drei Kinder, die im Schlafe zuweilen schrieen. Plümicke staunte nur und bewunderte.

Aber das war richtig. Ottomar hatte einigemal in Abendstunden, tief in seinen Paletot gewickelt, die Palissadenstraße durchstreift und endlich Edwina Marloff besucht. Als er seinem Freunde, dem Grafen zum ersten Male Bericht erstattete, fand er leider diesen dermaßen zerstreut, daß er sich nur kurz fassen konnte und die Details seines Besuchs obenhin berührte.

Denn unter dem Siegel der Verschwiegenheit hatte ihm der Graf anvertraut, daß ein großes starkes Leinwandcouvertpacket, das erbrochen vor ihm lag, eine Sammlung unbezahlter Rechnungen enthielt, die ihm die Generalin zuschickte. Es waren oder schienen die Ausgaben zu sein für die schon vorgenommene Ausstattung und Einrichtung seiner voraussichtlichen neuen Existenz,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0192" n="186"/>
Dieterici, sieht man, ist Menschenkenner und Dichter. Im letztern Umstande sollte sein Herabsteigen bis zu seinen Wirthsleuten liegen, nicht in anderen Ursachen. &#x201E;<ref xml:id="TEXTDichterBISzeigen" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLDichterBISzeigen">Dichter lieben nicht zu schweigen, wollen sich der Menge zeigen</ref>!&#x201C; <ref xml:id="TEXTMoliereBISAkademievor" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLMoliereBISAkademievor">Molière zog das gesunde Lachen oder das Gähnen seiner Haushälterin allen Urtheilen der Akademie vor</ref>. Leider konnte Blaumeißel nicht Alles so tief fassen, so ergreifend wiedergeben, wie Micheline, seine Gattin und Josefa das auffaßten, jene trotz ihrer drei Kinder, die im Schlafe zuweilen schrieen. Plümicke staunte nur und bewunderte. </p>
        <p>Aber das war richtig. Ottomar hatte einigemal in Abendstunden, tief in seinen <ref xml:id="TEXTPaletot" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLPaletot">Paletot</ref> gewickelt, die Palissadenstraße durchstreift und endlich Edwina Marloff besucht. Als er seinem Freunde, dem Grafen zum ersten Male Bericht erstattete, fand er leider diesen dermaßen zerstreut, daß er sich nur kurz fassen konnte und die Details seines Besuchs obenhin berührte. </p>
        <p>Denn unter dem Siegel der Verschwiegenheit hatte ihm der Graf anvertraut, daß ein großes starkes Leinwandcouvertpacket, das erbrochen vor ihm lag, eine Sammlung unbezahlter Rechnungen enthielt, die ihm die Generalin zuschickte. Es waren oder schienen die Ausgaben zu sein für die schon vorgenommene Ausstattung und Einrichtung seiner voraussichtlichen neuen Existenz,
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0192] Dieterici, sieht man, ist Menschenkenner und Dichter. Im letztern Umstande sollte sein Herabsteigen bis zu seinen Wirthsleuten liegen, nicht in anderen Ursachen. „Dichter lieben nicht zu schweigen, wollen sich der Menge zeigen!“ Molière zog das gesunde Lachen oder das Gähnen seiner Haushälterin allen Urtheilen der Akademie vor. Leider konnte Blaumeißel nicht Alles so tief fassen, so ergreifend wiedergeben, wie Micheline, seine Gattin und Josefa das auffaßten, jene trotz ihrer drei Kinder, die im Schlafe zuweilen schrieen. Plümicke staunte nur und bewunderte. Aber das war richtig. Ottomar hatte einigemal in Abendstunden, tief in seinen Paletot gewickelt, die Palissadenstraße durchstreift und endlich Edwina Marloff besucht. Als er seinem Freunde, dem Grafen zum ersten Male Bericht erstattete, fand er leider diesen dermaßen zerstreut, daß er sich nur kurz fassen konnte und die Details seines Besuchs obenhin berührte. Denn unter dem Siegel der Verschwiegenheit hatte ihm der Graf anvertraut, daß ein großes starkes Leinwandcouvertpacket, das erbrochen vor ihm lag, eine Sammlung unbezahlter Rechnungen enthielt, die ihm die Generalin zuschickte. Es waren oder schienen die Ausgaben zu sein für die schon vorgenommene Ausstattung und Einrichtung seiner voraussichtlichen neuen Existenz,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2014-02-19T12:27:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-02-19T12:27:44Z)
Staatsbibliothek zu Berlin: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Sign. Yx 17781-1<a>) (2013-07-01T14:33:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet
  • Druckfehler: dokumentiert
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/192
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/192>, abgerufen am 07.05.2024.