Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877.die Cigarrenkästchen waren Behälter der heterogensten Dinge geworden. Fast durchgängig hatte der ausgeleerte Cigarrenkasten eine Civilversorgung bekommen als Tintenfaßbehälter, Waschnecessaire, Lichtstumpfen- oder Streichhölzerreservoir. Eine Reihe leerer grüner Flaschen garnirte schon die Mauer unterm Fenster. Noch stand eine halbgefüllte auf dem Tisch, welcher seinerseits alle Wahrzeichen eines eben erst, gegen Mittag, genossenen Frühstücks trug. Ein Kalabreserhut hing über einer wenig gereinigten, einen nicht an Heliotrop erinnernden Geruch verbreitenden Petroleumlampe. Anfälle von Sparsamkeit bestimmen zuweilen den Junggesellen, sich selbst die Lampe füllen zu wollen und so entbehren sie jener sorgfältigen Pflege, die bei Lampen die Hauptsache ist. Der schmächtige schon graubärtige Mahlo mit kahlem Scheitel und weinrother Nase hatte die Nacht hier geschlafen und sah in Raimunds winterlichem Reisepelz für einen humoristischen Maler herausfordernd genug aus. Die Stiefel waren schmutzig, das Hemd erinnerte an den Umgang mit der Kohle. Raimund dagegen war eine anziehendere Erscheinung, auch wirklich schon leidlich toilettirt und mit den rothen Tragbändern über'm Hemde - weiter war sein Anzug noch nicht gediehen - eine Erscheinung, die einnehmen konnte. Marthas Haar war kastanienbraun; ihres Bruders lockiges Haar, das an die Cigarrenkästchen waren Behälter der heterogensten Dinge geworden. Fast durchgängig hatte der ausgeleerte Cigarrenkasten eine Civilversorgung bekommen als Tintenfaßbehälter, Waschnecessaire, Lichtstumpfen- oder Streichhölzerreservoir. Eine Reihe leerer grüner Flaschen garnirte schon die Mauer unterm Fenster. Noch stand eine halbgefüllte auf dem Tisch, welcher seinerseits alle Wahrzeichen eines eben erst, gegen Mittag, genossenen Frühstücks trug. Ein Kalabreserhut hing über einer wenig gereinigten, einen nicht an Heliotrop erinnernden Geruch verbreitenden Petroleumlampe. Anfälle von Sparsamkeit bestimmen zuweilen den Junggesellen, sich selbst die Lampe füllen zu wollen und so entbehren sie jener sorgfältigen Pflege, die bei Lampen die Hauptsache ist. Der schmächtige schon graubärtige Mahlo mit kahlem Scheitel und weinrother Nase hatte die Nacht hier geschlafen und sah in Raimunds winterlichem Reisepelz für einen humoristischen Maler herausfordernd genug aus. Die Stiefel waren schmutzig, das Hemd erinnerte an den Umgang mit der Kohle. Raimund dagegen war eine anziehendere Erscheinung, auch wirklich schon leidlich toilettirt und mit den rothen Tragbändern über’m Hemde – weiter war sein Anzug noch nicht gediehen – eine Erscheinung, die einnehmen konnte. Marthas Haar war kastanienbraun; ihres Bruders lockiges Haar, das an <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0160" n="154"/> die Cigarrenkästchen waren Behälter der heterogensten Dinge geworden. Fast durchgängig hatte der ausgeleerte Cigarrenkasten eine Civilversorgung bekommen als Tintenfaßbehälter, Waschnecessaire, Lichtstumpfen- oder Streichhölzerreservoir. Eine Reihe leerer grüner Flaschen garnirte schon die Mauer unterm Fenster. Noch stand eine halbgefüllte auf dem Tisch, welcher seinerseits alle Wahrzeichen eines eben erst, gegen Mittag, genossenen Frühstücks trug. Ein <ref xml:id="TEXTKalabreserhut" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLKalabreserhut">Kalabreserhut</ref> hing über einer wenig gereinigten, einen nicht an <ref xml:id="TEXTHeliotrop" type="editorialNote" target="NSer2E.htm#ERLHeliotrop">Heliotrop</ref> erinnernden Geruch verbreitenden Petroleumlampe. Anfälle von Sparsamkeit bestimmen zuweilen den Junggesellen, sich selbst die Lampe füllen zu wollen und so entbehren sie jener sorgfältigen Pflege, die bei Lampen die Hauptsache ist. </p> <p>Der schmächtige schon graubärtige Mahlo mit kahlem Scheitel und weinrother Nase hatte die Nacht hier geschlafen und sah in Raimunds winterlichem Reisepelz für einen humoristischen Maler herausfordernd genug aus. Die Stiefel waren schmutzig, das Hemd erinnerte an den Umgang mit der Kohle. Raimund dagegen war eine anziehendere Erscheinung, auch wirklich schon leidlich toilettirt und mit den rothen Tragbändern über’m Hemde – weiter war sein Anzug noch nicht gediehen – eine Erscheinung, die einnehmen konnte. Marthas Haar war kastanienbraun; ihres Bruders lockiges Haar, das an </p> </div> </body> </text> </TEI> [154/0160]
die Cigarrenkästchen waren Behälter der heterogensten Dinge geworden. Fast durchgängig hatte der ausgeleerte Cigarrenkasten eine Civilversorgung bekommen als Tintenfaßbehälter, Waschnecessaire, Lichtstumpfen- oder Streichhölzerreservoir. Eine Reihe leerer grüner Flaschen garnirte schon die Mauer unterm Fenster. Noch stand eine halbgefüllte auf dem Tisch, welcher seinerseits alle Wahrzeichen eines eben erst, gegen Mittag, genossenen Frühstücks trug. Ein Kalabreserhut hing über einer wenig gereinigten, einen nicht an Heliotrop erinnernden Geruch verbreitenden Petroleumlampe. Anfälle von Sparsamkeit bestimmen zuweilen den Junggesellen, sich selbst die Lampe füllen zu wollen und so entbehren sie jener sorgfältigen Pflege, die bei Lampen die Hauptsache ist.
Der schmächtige schon graubärtige Mahlo mit kahlem Scheitel und weinrother Nase hatte die Nacht hier geschlafen und sah in Raimunds winterlichem Reisepelz für einen humoristischen Maler herausfordernd genug aus. Die Stiefel waren schmutzig, das Hemd erinnerte an den Umgang mit der Kohle. Raimund dagegen war eine anziehendere Erscheinung, auch wirklich schon leidlich toilettirt und mit den rothen Tragbändern über’m Hemde – weiter war sein Anzug noch nicht gediehen – eine Erscheinung, die einnehmen konnte. Marthas Haar war kastanienbraun; ihres Bruders lockiges Haar, das an
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Die neuen Serapionsbrüder. Bd. 1. Breslau, 1877, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_serapionsbrueder01_1877/160>, abgerufen am 16.02.2025. |