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[Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832.

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beginnen, ohne sich vorher durch ein Manifest der europäischen Meinung, oder auch nur der im eignen Lande versichert zu haben. Die Verfassungen, wie gern sie aus eigner Gnadenfülle und Machtvollkommenheit hergeleitet werden, sollen nach ihrer Abschließung meist dazu dienen, die gleichmäßige Abwägung der Rechte und Pflichten nach den höchsten Gesetzen des Rechtes und der Billigkeit zu bezeichnen, und wie Keiner etwas sein nennen dürfe, ohne das Eigenthum des Andern anzuerkennen. Wie aber Lug und Trug über den ehrlichen Willen immer den Sieg davonträgt, beweisen bis jetzt noch die meisten deutschen Formen dieser Art. Man wird bei ihnen fast an jene Mutter erinnert, die ihren Kindern Pflaumen kaufte, um ihnen die Kerne zum Spielen zu geben, das Fleisch aber für sich zu behalten.

Darum, meine Gute, wo es Dir nur irgend möglich ist, verleite die Herrscher zu Gewaltschritten, befördere die Ordonnanzen, damit wir zu neuen Juliustagen kommen. Stift' an den Höfen, wo du Zutritt hast, Factionen, Camarillen; spiegle den Schwächern das Uebergewicht an Gewalt vor, das die Mächtigeren besitzen, und diesen selbst noch die Kleinigkeit, die Jenen gelassen ist! Ich wette, es muß zu Fortschritten kommen, zu neuen Verträgen, zu Revisionen der alten. Oder kannst Du

beginnen, ohne sich vorher durch ein Manifest der europäischen Meinung, oder auch nur der im eignen Lande versichert zu haben. Die Verfassungen, wie gern sie aus eigner Gnadenfülle und Machtvollkommenheit hergeleitet werden, sollen nach ihrer Abschließung meist dazu dienen, die gleichmäßige Abwägung der Rechte und Pflichten nach den höchsten Gesetzen des Rechtes und der Billigkeit zu bezeichnen, und wie Keiner etwas sein nennen dürfe, ohne das Eigenthum des Andern anzuerkennen. Wie aber Lug und Trug über den ehrlichen Willen immer den Sieg davonträgt, beweisen bis jetzt noch die meisten deutschen Formen dieser Art. Man wird bei ihnen fast an jene Mutter erinnert, die ihren Kindern Pflaumen kaufte, um ihnen die Kerne zum Spielen zu geben, das Fleisch aber für sich zu behalten.

Darum, meine Gute, wo es Dir nur irgend möglich ist, verleite die Herrscher zu Gewaltschritten, befördere die Ordonnanzen, damit wir zu neuen Juliustagen kommen. Stift’ an den Höfen, wo du Zutritt hast, Factionen, Camarillen; spiegle den Schwächern das Uebergewicht an Gewalt vor, das die Mächtigeren besitzen, und diesen selbst noch die Kleinigkeit, die Jenen gelassen ist! Ich wette, es muß zu Fortschritten kommen, zu neuen Verträgen, zu Revisionen der alten. Oder kannst Du

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[116/0129] beginnen, ohne sich vorher durch ein Manifest der europäischen Meinung, oder auch nur der im eignen Lande versichert zu haben. Die Verfassungen, wie gern sie aus eigner Gnadenfülle und Machtvollkommenheit hergeleitet werden, sollen nach ihrer Abschließung meist dazu dienen, die gleichmäßige Abwägung der Rechte und Pflichten nach den höchsten Gesetzen des Rechtes und der Billigkeit zu bezeichnen, und wie Keiner etwas sein nennen dürfe, ohne das Eigenthum des Andern anzuerkennen. Wie aber Lug und Trug über den ehrlichen Willen immer den Sieg davonträgt, beweisen bis jetzt noch die meisten deutschen Formen dieser Art. Man wird bei ihnen fast an jene Mutter erinnert, die ihren Kindern Pflaumen kaufte, um ihnen die Kerne zum Spielen zu geben, das Fleisch aber für sich zu behalten. Darum, meine Gute, wo es Dir nur irgend möglich ist, verleite die Herrscher zu Gewaltschritten, befördere die Ordonnanzen, damit wir zu neuen Juliustagen kommen. Stift’ an den Höfen, wo du Zutritt hast, Factionen, Camarillen; spiegle den Schwächern das Uebergewicht an Gewalt vor, das die Mächtigeren besitzen, und diesen selbst noch die Kleinigkeit, die Jenen gelassen ist! Ich wette, es muß zu Fortschritten kommen, zu neuen Verträgen, zu Revisionen der alten. Oder kannst Du

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Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-01T14:33:31Z)
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  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
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Zitationshilfe: [Gutzkow, Karl]: Briefe eines Narren an eine Närrin. Hamburg, 1832, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_narren_1832/129>, abgerufen am 25.11.2024.