sieht, wie ineinanderlaufend und ungezogen hier die Gränzen sind von Liebenswürdigkeit, Rührung, Thor¬ heit und Koketterie.
Als Napoleons Glück, wie das des Polykrates, für einen Menschen dämonisch lange zu dauern schien, und alle Welt auf Rechnung von Ereignissen, die man noch nicht kannte, zu konspiriren anfing, schlüpfte auch Chateaubriand unter die große ganz Europa deckende Nebelkappe der Verschwörung. Indem er sich äußer¬ lich das Ansehen gab, als beschäftige er sich einzig damit, die Früchte seines Ruhms für den Winter und die Zukunft einzumachen, zog ihn sein Instinkt, der immer mit der Unterdrückung sympathisirte, in die Interessen der Bourbone hinein.
Als Napoleon zum Erstenmale so strauchelte, daß er erst in Elba wieder aufstand, zeichnete ihn und sein System, und die Tugenden der Bourbons Chateau¬ briand in einer Schrift, welche Louis XVIII. statt einer Armee konnte spielen lassen. Louis sagte dis selbst und machte den prophetischen Vicomte, den Pro¬ pheten nach rückwärts, zu seinem Minister der aus¬ wärtigen Angelegenheiten.
Er war damals schon wieder in Gent, Louis
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Chateaubriand.
ſieht, wie ineinanderlaufend und ungezogen hier die Graͤnzen ſind von Liebenswuͤrdigkeit, Ruͤhrung, Thor¬ heit und Koketterie.
Als Napoleons Gluͤck, wie das des Polykrates, fuͤr einen Menſchen daͤmoniſch lange zu dauern ſchien, und alle Welt auf Rechnung von Ereigniſſen, die man noch nicht kannte, zu konſpiriren anfing, ſchluͤpfte auch Chateaubriand unter die große ganz Europa deckende Nebelkappe der Verſchwoͤrung. Indem er ſich aͤußer¬ lich das Anſehen gab, als beſchaͤftige er ſich einzig damit, die Fruͤchte ſeines Ruhms fuͤr den Winter und die Zukunft einzumachen, zog ihn ſein Inſtinkt, der immer mit der Unterdruͤckung ſympathiſirte, in die Intereſſen der Bourbone hinein.
Als Napoleon zum Erſtenmale ſo ſtrauchelte, daß er erſt in Elba wieder aufſtand, zeichnete ihn und ſein Syſtem, und die Tugenden der Bourbons Chateau¬ briand in einer Schrift, welche Louis XVIII. ſtatt einer Armee konnte ſpielen laſſen. Louis ſagte dis ſelbſt und machte den prophetiſchen Vicomte, den Pro¬ pheten nach ruͤckwaͤrts, zu ſeinem Miniſter der aus¬ waͤrtigen Angelegenheiten.
Er war damals ſchon wieder in Gent, Louis
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Chateaubriand.
ſieht, wie ineinanderlaufend und ungezogen hier die
Graͤnzen ſind von Liebenswuͤrdigkeit, Ruͤhrung, Thor¬
heit und Koketterie.
Als Napoleons Gluͤck, wie das des Polykrates,
fuͤr einen Menſchen daͤmoniſch lange zu dauern ſchien,
und alle Welt auf Rechnung von Ereigniſſen, die man
noch nicht kannte, zu konſpiriren anfing, ſchluͤpfte auch
Chateaubriand unter die große ganz Europa deckende
Nebelkappe der Verſchwoͤrung. Indem er ſich aͤußer¬
lich das Anſehen gab, als beſchaͤftige er ſich einzig
damit, die Fruͤchte ſeines Ruhms fuͤr den Winter und
die Zukunft einzumachen, zog ihn ſein Inſtinkt, der
immer mit der Unterdruͤckung ſympathiſirte, in die
Intereſſen der Bourbone hinein.
Als Napoleon zum Erſtenmale ſo ſtrauchelte, daß
er erſt in Elba wieder aufſtand, zeichnete ihn und ſein
Syſtem, und die Tugenden der Bourbons Chateau¬
briand in einer Schrift, welche Louis XVIII. ſtatt
einer Armee konnte ſpielen laſſen. Louis ſagte dis
ſelbſt und machte den prophetiſchen Vicomte, den Pro¬
pheten nach ruͤckwaͤrts, zu ſeinem Miniſter der aus¬
waͤrtigen Angelegenheiten.
Er war damals ſchon wieder in Gent, Louis
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/91>, abgerufen am 16.02.2025.
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