Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Chateaubriand. Käfern des Mithrasdienstes, mit Genealogie, Bibel¬sprüchen, Reliquien von Skeletten der Heiligen, mit Trümmern alter Architektur, mit malerischen Perspek¬ tiven, psychologischen Entdeckungen, kurz die Märtyrer Chateaubriands, statt in Himmelsglorien aufzusteigen, winden sich keuchend und überladen an den Reiserou¬ ten der Landkarte hin. Hier ist alles zum üppigen Ausbruch gekommen, was an Chateaubriand früher vom Enthusiasmus gelobt, von der Nachsicht gebilligt und von der Wahrheit gefürchtet war. In diesen Mas¬ sen pompöser und gelehrter Worte sucht man mit Mühe den poetischen Funken, Alles ist in Schwulst und Wohlrednerei aufgegangen, und nichts übrig geblieben, als der eigenthümliche sentimentale Schmelz, der jeder französischen Phantasie inwohnt, ein gewisser schmach¬ tender Parfüm, der die Weiber und die Franzosen so entzückt, und doch täglich große Verheerungen unter Frankreichs Talenten anrichtet. Hier kann man auch fragen, was denn Chateau¬ Chateaubriand. Kaͤfern des Mithrasdienſtes, mit Genealogie, Bibel¬ſpruͤchen, Reliquien von Skeletten der Heiligen, mit Truͤmmern alter Architektur, mit maleriſchen Perſpek¬ tiven, pſychologiſchen Entdeckungen, kurz die Maͤrtyrer Chateaubriands, ſtatt in Himmelsglorien aufzuſteigen, winden ſich keuchend und uͤberladen an den Reiſerou¬ ten der Landkarte hin. Hier iſt alles zum uͤppigen Ausbruch gekommen, was an Chateaubriand fruͤher vom Enthuſiasmus gelobt, von der Nachſicht gebilligt und von der Wahrheit gefuͤrchtet war. In dieſen Maſ¬ ſen pompoͤſer und gelehrter Worte ſucht man mit Muͤhe den poetiſchen Funken, Alles iſt in Schwulſt und Wohlrednerei aufgegangen, und nichts uͤbrig geblieben, als der eigenthuͤmliche ſentimentale Schmelz, der jeder franzoͤſiſchen Phantaſie inwohnt, ein gewiſſer ſchmach¬ tender Parfuͤm, der die Weiber und die Franzoſen ſo entzuͤckt, und doch taͤglich große Verheerungen unter Frankreichs Talenten anrichtet. Hier kann man auch fragen, was denn Chateau¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0089" n="71"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Chateaubriand</hi>.<lb/></fw>Kaͤfern des Mithrasdienſtes, mit Genealogie, Bibel¬<lb/> ſpruͤchen, Reliquien von Skeletten der Heiligen, mit<lb/> Truͤmmern alter Architektur, mit maleriſchen Perſpek¬<lb/> tiven, pſychologiſchen Entdeckungen, kurz die Maͤrtyrer<lb/> Chateaubriands, ſtatt in Himmelsglorien aufzuſteigen,<lb/> winden ſich keuchend und uͤberladen an den Reiſerou¬<lb/> ten der Landkarte hin. Hier iſt alles zum uͤppigen<lb/> Ausbruch gekommen, was an Chateaubriand fruͤher<lb/> vom Enthuſiasmus gelobt, von der Nachſicht gebilligt<lb/> und von der Wahrheit gefuͤrchtet war. In dieſen Maſ¬<lb/> ſen pompoͤſer und gelehrter Worte ſucht man mit Muͤhe<lb/> den poetiſchen Funken, Alles iſt in Schwulſt und<lb/> Wohlrednerei aufgegangen, und nichts uͤbrig geblieben,<lb/> als der eigenthuͤmliche ſentimentale Schmelz, der jeder<lb/> franzoͤſiſchen Phantaſie inwohnt, ein gewiſſer ſchmach¬<lb/> tender Parfuͤm, der die Weiber und die Franzoſen ſo<lb/> entzuͤckt, und doch taͤglich große Verheerungen unter<lb/> Frankreichs Talenten anrichtet.</p><lb/> <p>Hier kann man auch fragen, was denn Chateau¬<lb/> briand ſelbſt von der religioͤſen Poeſie hielt? Das Chri¬<lb/> ſtenthum war ihm eine Reliquie, die er mehr mit<lb/> philologiſcher als katholiſcher Andacht verehrte. Chate¬<lb/> aubriand ſtand nicht einmal auf der Stufe, wie der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [71/0089]
Chateaubriand.
Kaͤfern des Mithrasdienſtes, mit Genealogie, Bibel¬
ſpruͤchen, Reliquien von Skeletten der Heiligen, mit
Truͤmmern alter Architektur, mit maleriſchen Perſpek¬
tiven, pſychologiſchen Entdeckungen, kurz die Maͤrtyrer
Chateaubriands, ſtatt in Himmelsglorien aufzuſteigen,
winden ſich keuchend und uͤberladen an den Reiſerou¬
ten der Landkarte hin. Hier iſt alles zum uͤppigen
Ausbruch gekommen, was an Chateaubriand fruͤher
vom Enthuſiasmus gelobt, von der Nachſicht gebilligt
und von der Wahrheit gefuͤrchtet war. In dieſen Maſ¬
ſen pompoͤſer und gelehrter Worte ſucht man mit Muͤhe
den poetiſchen Funken, Alles iſt in Schwulſt und
Wohlrednerei aufgegangen, und nichts uͤbrig geblieben,
als der eigenthuͤmliche ſentimentale Schmelz, der jeder
franzoͤſiſchen Phantaſie inwohnt, ein gewiſſer ſchmach¬
tender Parfuͤm, der die Weiber und die Franzoſen ſo
entzuͤckt, und doch taͤglich große Verheerungen unter
Frankreichs Talenten anrichtet.
Hier kann man auch fragen, was denn Chateau¬
briand ſelbſt von der religioͤſen Poeſie hielt? Das Chri¬
ſtenthum war ihm eine Reliquie, die er mehr mit
philologiſcher als katholiſcher Andacht verehrte. Chate¬
aubriand ſtand nicht einmal auf der Stufe, wie der
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