Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Talleyrand. selbst zu betrügen? Die Ereignisse entschuldigten beiihm Alles; nur das eine glaubte er dem Himmel schul¬ dig zu sein, daß er ihnen nicht unterliege. Der Ego¬ ismus war seine Religion; er kreuzigte sich vor einer Tugend, die ihm hätte Schaden bringen können. Talley¬ rand hatte einige allgemeine Maximen, welche man so¬ gar erhaben nennen könnte. So hütete er sich von zwei gebotenen Fällen den zu wählen, welcher den näch¬ sten Vortheil brachte. Sah er, daß der Umweg mehr eintrug, so konnte er sogar so großherzig seyn, z. B. gegen die Einrichtung einer Pairskammer zu stimmen, obschon sie ihm für den Augenblick eine köstliche Würde gebracht hätte. In solchen Augenblicken erhob sich seine Gestalt, seine Worte wurden edler und der Nimbus einer uneigennützigen Tugendliebe schien sich um sein Haupt zu verbreiten. Doch war er nicht geizig nach solchen Augenblicken. Er suchte sie nicht absichtlich, und begnügte sich damit seinen Zweck zu erreichen, selbst wenn man die Mittel in Abrede stellen mußte. Er er¬ schrak vor dem Jesuitismus nicht, weder in der Mo¬ ral noch in der Politik, aber ich wiederhole es, er that dies Alles ohne Prinzip, ohne System, ohne feste Maxime. Eine feste Maxime hatte er, und die schloß alle übrigen ein; ich habe sie schon erwähnt, es war 2 *
Talleyrand. ſelbſt zu betruͤgen? Die Ereigniſſe entſchuldigten beiihm Alles; nur das eine glaubte er dem Himmel ſchul¬ dig zu ſein, daß er ihnen nicht unterliege. Der Ego¬ ismus war ſeine Religion; er kreuzigte ſich vor einer Tugend, die ihm haͤtte Schaden bringen koͤnnen. Talley¬ rand hatte einige allgemeine Maximen, welche man ſo¬ gar erhaben nennen koͤnnte. So huͤtete er ſich von zwei gebotenen Faͤllen den zu waͤhlen, welcher den naͤch¬ ſten Vortheil brachte. Sah er, daß der Umweg mehr eintrug, ſo konnte er ſogar ſo großherzig ſeyn, z. B. gegen die Einrichtung einer Pairskammer zu ſtimmen, obſchon ſie ihm fuͤr den Augenblick eine koͤſtliche Wuͤrde gebracht haͤtte. In ſolchen Augenblicken erhob ſich ſeine Geſtalt, ſeine Worte wurden edler und der Nimbus einer uneigennuͤtzigen Tugendliebe ſchien ſich um ſein Haupt zu verbreiten. Doch war er nicht geizig nach ſolchen Augenblicken. Er ſuchte ſie nicht abſichtlich, und begnuͤgte ſich damit ſeinen Zweck zu erreichen, ſelbſt wenn man die Mittel in Abrede ſtellen mußte. Er er¬ ſchrak vor dem Jeſuitismus nicht, weder in der Mo¬ ral noch in der Politik, aber ich wiederhole es, er that dies Alles ohne Prinzip, ohne Syſtem, ohne feſte Maxime. Eine feſte Maxime hatte er, und die ſchloß alle uͤbrigen ein; ich habe ſie ſchon erwaͤhnt, es war 2 *
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Talleyrand.
ſelbſt zu betruͤgen? Die Ereigniſſe entſchuldigten bei
ihm Alles; nur das eine glaubte er dem Himmel ſchul¬
dig zu ſein, daß er ihnen nicht unterliege. Der Ego¬
ismus war ſeine Religion; er kreuzigte ſich vor einer
Tugend, die ihm haͤtte Schaden bringen koͤnnen. Talley¬
rand hatte einige allgemeine Maximen, welche man ſo¬
gar erhaben nennen koͤnnte. So huͤtete er ſich von zwei
gebotenen Faͤllen den zu waͤhlen, welcher den naͤch¬
ſten Vortheil brachte. Sah er, daß der Umweg mehr
eintrug, ſo konnte er ſogar ſo großherzig ſeyn, z. B.
gegen die Einrichtung einer Pairskammer zu ſtimmen,
obſchon ſie ihm fuͤr den Augenblick eine koͤſtliche Wuͤrde
gebracht haͤtte. In ſolchen Augenblicken erhob ſich ſeine
Geſtalt, ſeine Worte wurden edler und der Nimbus
einer uneigennuͤtzigen Tugendliebe ſchien ſich um ſein
Haupt zu verbreiten. Doch war er nicht geizig nach
ſolchen Augenblicken. Er ſuchte ſie nicht abſichtlich, und
begnuͤgte ſich damit ſeinen Zweck zu erreichen, ſelbſt
wenn man die Mittel in Abrede ſtellen mußte. Er er¬
ſchrak vor dem Jeſuitismus nicht, weder in der Mo¬
ral noch in der Politik, aber ich wiederhole es, er that
dies Alles ohne Prinzip, ohne Syſtem, ohne feſte
Maxime. Eine feſte Maxime hatte er, und die ſchloß
alle uͤbrigen ein; ich habe ſie ſchon erwaͤhnt, es war
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