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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

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Der Sultan.
thums gezwungen wurde, wird im Stillen jene Treue
bewahren, welche den Christen mitten unter heidnischen
Verhältnissen immer noch im Bunde mit seinem Hei¬
land erhielt. Die Ursache ist die, daß der Islam in
sich kein Moment der Rechtfertigung trägt. Er ist
eine geniale Improvision, eine immer neue Schöpfung,
wo Poesie und Klima und Masse ihm zu Hilfe
kömmt; aber herausgerissen aus seinem Boden und in
andre Regionen verpflanzt, welkt und verdorrt er. Der
Islam ist im Schematismus der Religionen nur ein
Ueberbein, das sich der wandelnde Weltgeist getreten
hat, er beweist nichts Unerläßliches, er ist ohne die
Verheißung einer historischen Zukunft.

Eine Civilisation in Massen käme in der Türkei
nie zu einem guten Ende; wohl aber durch Isolirung,
durch stückweises Arrondiren in die europäischen Zu¬
stände hinein. Da würde kein Hahn krähen, daß ein
Gott verläugnet wurde. Niemand würde in sich schla¬
gen, und einen Groll fortpflanzen auf Kind und Kin¬
deskind. In Europa und Asien wird man griechisch
beten, in Syrien bis nach Indien hin protestantisch,
auf der ganzen Nordküste von Afrika atheistisch, wenn
einst Rußland, England und Frankreich sich getheilt
haben werden.

Der Sultan.
thums gezwungen wurde, wird im Stillen jene Treue
bewahren, welche den Chriſten mitten unter heidniſchen
Verhaͤltniſſen immer noch im Bunde mit ſeinem Hei¬
land erhielt. Die Urſache iſt die, daß der Islam in
ſich kein Moment der Rechtfertigung traͤgt. Er iſt
eine geniale Improviſion, eine immer neue Schoͤpfung,
wo Poeſie und Klima und Maſſe ihm zu Hilfe
koͤmmt; aber herausgeriſſen aus ſeinem Boden und in
andre Regionen verpflanzt, welkt und verdorrt er. Der
Islam iſt im Schematismus der Religionen nur ein
Ueberbein, das ſich der wandelnde Weltgeiſt getreten
hat, er beweiſt nichts Unerlaͤßliches, er iſt ohne die
Verheißung einer hiſtoriſchen Zukunft.

Eine Civiliſation in Maſſen kaͤme in der Tuͤrkei
nie zu einem guten Ende; wohl aber durch Iſolirung,
durch ſtuͤckweiſes Arrondiren in die europaͤiſchen Zu¬
ſtaͤnde hinein. Da wuͤrde kein Hahn kraͤhen, daß ein
Gott verlaͤugnet wurde. Niemand wuͤrde in ſich ſchla¬
gen, und einen Groll fortpflanzen auf Kind und Kin¬
deskind. In Europa und Aſien wird man griechiſch
beten, in Syrien bis nach Indien hin proteſtantiſch,
auf der ganzen Nordkuͤſte von Afrika atheiſtiſch, wenn
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[327/0345] Der Sultan. thums gezwungen wurde, wird im Stillen jene Treue bewahren, welche den Chriſten mitten unter heidniſchen Verhaͤltniſſen immer noch im Bunde mit ſeinem Hei¬ land erhielt. Die Urſache iſt die, daß der Islam in ſich kein Moment der Rechtfertigung traͤgt. Er iſt eine geniale Improviſion, eine immer neue Schoͤpfung, wo Poeſie und Klima und Maſſe ihm zu Hilfe koͤmmt; aber herausgeriſſen aus ſeinem Boden und in andre Regionen verpflanzt, welkt und verdorrt er. Der Islam iſt im Schematismus der Religionen nur ein Ueberbein, das ſich der wandelnde Weltgeiſt getreten hat, er beweiſt nichts Unerlaͤßliches, er iſt ohne die Verheißung einer hiſtoriſchen Zukunft. Eine Civiliſation in Maſſen kaͤme in der Tuͤrkei nie zu einem guten Ende; wohl aber durch Iſolirung, durch ſtuͤckweiſes Arrondiren in die europaͤiſchen Zu¬ ſtaͤnde hinein. Da wuͤrde kein Hahn kraͤhen, daß ein Gott verlaͤugnet wurde. Niemand wuͤrde in ſich ſchla¬ gen, und einen Groll fortpflanzen auf Kind und Kin¬ deskind. In Europa und Aſien wird man griechiſch beten, in Syrien bis nach Indien hin proteſtantiſch, auf der ganzen Nordkuͤſte von Afrika atheiſtiſch, wenn einſt Rußland, England und Frankreich ſich getheilt haben werden.

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Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 327. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/345>, abgerufen am 22.11.2024.