gegen enge und straffe Kleider, welche die Geheimnisse des Harems, krumme Beine und jede Disproportion verrathen. Kurz man ist so voll glänzender Hoffnun¬ gen über die Türkei, daß man jenseits und diesseits der Dardanellen, hier wo Hero, und dort wo Lean¬ der wohnte, bald die Triumphe europäischer Sitte und Meinung gefeiert sehen will.
Wer nur den Glauben hätte! Wer nur so leicht¬ sinnig den Kern der europäischen Kultur in der Schaale fände, und noch leichtsinniger von einigen mehr thea¬ tralischen, das Kostüme und die Coutüme betreffenden Metamorphosen auf die innere Revolution des Mos¬ lems, auf das alte Vermächtniß einer glänzenden Ver¬ gangenheit, ja noch mehr auf die Prophezeiung einer glänzenderen Zukunft schließen könnte! Unsere Phi¬ lanthropie sieht immer mit illusorischen Augen, kup¬ pelt Feuer und Wasser zusammen, den Sultan mit der Republik Venedig, wie das Sprüchwort sagt, und möchte in einer gerührten Stunde einen Streit beile¬ gen, welchen zu schlichten Jahrhunderten nicht gelin¬ gen wird.
Ich glaube nicht daran, daß die Frage des Ostens eine Kulturfrage ist, sondern sie muß eine historische
Der Sultan.
gegen enge und ſtraffe Kleider, welche die Geheimniſſe des Harems, krumme Beine und jede Disproportion verrathen. Kurz man iſt ſo voll glaͤnzender Hoffnun¬ gen uͤber die Tuͤrkei, daß man jenſeits und dieſſeits der Dardanellen, hier wo Hero, und dort wo Lean¬ der wohnte, bald die Triumphe europaͤiſcher Sitte und Meinung gefeiert ſehen will.
Wer nur den Glauben haͤtte! Wer nur ſo leicht¬ ſinnig den Kern der europaͤiſchen Kultur in der Schaale faͤnde, und noch leichtſinniger von einigen mehr thea¬ traliſchen, das Koſtuͤme und die Coutuͤme betreffenden Metamorphoſen auf die innere Revolution des Mos¬ lems, auf das alte Vermaͤchtniß einer glaͤnzenden Ver¬ gangenheit, ja noch mehr auf die Prophezeiung einer glaͤnzenderen Zukunft ſchließen koͤnnte! Unſere Phi¬ lanthropie ſieht immer mit illuſoriſchen Augen, kup¬ pelt Feuer und Waſſer zuſammen, den Sultan mit der Republik Venedig, wie das Spruͤchwort ſagt, und moͤchte in einer geruͤhrten Stunde einen Streit beile¬ gen, welchen zu ſchlichten Jahrhunderten nicht gelin¬ gen wird.
Ich glaube nicht daran, daß die Frage des Oſtens eine Kulturfrage iſt, ſondern ſie muß eine hiſtoriſche
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0324"n="306"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Der Sultan</hi>.<lb/></fw>gegen enge und ſtraffe Kleider, welche die Geheimniſſe<lb/>
des Harems, krumme Beine und jede Disproportion<lb/>
verrathen. Kurz man iſt ſo voll glaͤnzender Hoffnun¬<lb/>
gen uͤber die Tuͤrkei, daß man jenſeits und dieſſeits<lb/>
der Dardanellen, hier wo Hero, und dort wo Lean¬<lb/>
der wohnte, bald die Triumphe europaͤiſcher Sitte und<lb/>
Meinung gefeiert ſehen will.</p><lb/><p>Wer nur den Glauben haͤtte! Wer nur ſo leicht¬<lb/>ſinnig den Kern der europaͤiſchen Kultur in der Schaale<lb/>
faͤnde, und noch leichtſinniger von einigen mehr thea¬<lb/>
traliſchen, das Koſtuͤme und die Coutuͤme betreffenden<lb/>
Metamorphoſen auf die innere Revolution des Mos¬<lb/>
lems, auf das alte Vermaͤchtniß einer glaͤnzenden Ver¬<lb/>
gangenheit, ja noch mehr auf die Prophezeiung einer<lb/>
glaͤnzenderen Zukunft ſchließen koͤnnte! Unſere Phi¬<lb/>
lanthropie ſieht immer mit illuſoriſchen Augen, kup¬<lb/>
pelt Feuer und Waſſer zuſammen, den Sultan mit<lb/>
der Republik Venedig, wie das Spruͤchwort ſagt, und<lb/>
moͤchte in einer geruͤhrten Stunde einen Streit beile¬<lb/>
gen, welchen zu ſchlichten Jahrhunderten nicht gelin¬<lb/>
gen wird.</p><lb/><p>Ich glaube nicht daran, daß die Frage des Oſtens<lb/>
eine Kulturfrage iſt, ſondern ſie muß eine hiſtoriſche<lb/></p></div></body></text></TEI>
[306/0324]
Der Sultan.
gegen enge und ſtraffe Kleider, welche die Geheimniſſe
des Harems, krumme Beine und jede Disproportion
verrathen. Kurz man iſt ſo voll glaͤnzender Hoffnun¬
gen uͤber die Tuͤrkei, daß man jenſeits und dieſſeits
der Dardanellen, hier wo Hero, und dort wo Lean¬
der wohnte, bald die Triumphe europaͤiſcher Sitte und
Meinung gefeiert ſehen will.
Wer nur den Glauben haͤtte! Wer nur ſo leicht¬
ſinnig den Kern der europaͤiſchen Kultur in der Schaale
faͤnde, und noch leichtſinniger von einigen mehr thea¬
traliſchen, das Koſtuͤme und die Coutuͤme betreffenden
Metamorphoſen auf die innere Revolution des Mos¬
lems, auf das alte Vermaͤchtniß einer glaͤnzenden Ver¬
gangenheit, ja noch mehr auf die Prophezeiung einer
glaͤnzenderen Zukunft ſchließen koͤnnte! Unſere Phi¬
lanthropie ſieht immer mit illuſoriſchen Augen, kup¬
pelt Feuer und Waſſer zuſammen, den Sultan mit
der Republik Venedig, wie das Spruͤchwort ſagt, und
moͤchte in einer geruͤhrten Stunde einen Streit beile¬
gen, welchen zu ſchlichten Jahrhunderten nicht gelin¬
gen wird.
Ich glaube nicht daran, daß die Frage des Oſtens
eine Kulturfrage iſt, ſondern ſie muß eine hiſtoriſche
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/324>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.