Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.Ancillon. Thüren gegebene, dem Auge des Lehrers überall sonahe Unterweisung die Selbstständigkeit im Denken und Forschen bei jenen jungen Männern besonders begün¬ stigt wird. Doch befreite sich ein heller Kopf wie Ancillon bald Ancillon. Thuͤren gegebene, dem Auge des Lehrers uͤberall ſonahe Unterweiſung die Selbſtſtaͤndigkeit im Denken und Forſchen bei jenen jungen Maͤnnern beſonders beguͤn¬ ſtigt wird. Doch befreite ſich ein heller Kopf wie Ancillon bald <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0271" n="253"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ancillon</hi>.<lb/></fw> Thuͤren gegebene, dem Auge des Lehrers uͤberall ſo<lb/> nahe Unterweiſung die Selbſtſtaͤndigkeit im Denken und<lb/> Forſchen bei jenen jungen Maͤnnern beſonders beguͤn¬<lb/> ſtigt wird.</p><lb/> <p>Doch befreite ſich ein heller Kopf wie Ancillon bald<lb/> von dieſen beengenden Schranken, und frug ſich, ob<lb/> denn die Zeit nicht hinausgekommen waͤre uͤber Pascal,<lb/> Boſſuet, Mabillon und Mallebranche? Er kaͤmpfte<lb/> mit der angeborenen Verehrung dieſer hohen Geiſter,<lb/> die um ſo natuͤrlicher iſt, je weniger die Theologen<lb/> und Philoſophen in Deutſchland je eine ſolche Mei¬<lb/> ſterſchaft der Darſtellung erreicht haben, wie jene. Ei¬<lb/> nem Franzoſen, begabt mit ſo feinen Geſchmacksner¬<lb/> ven fuͤr die Reize des Styls, mußte die hoͤlzerne Aus¬<lb/> drucksweiſe der Deutſchen, wie ſie auch noch die kriti¬<lb/> ſche Philoſophie entſtellte, einen D<hi rendition="#aq">é</hi>gout verurſachen:<lb/> noch mehr, wenn er die Beredſamkeit fuͤr ein der<lb/> Theologie nothwendiges Studium haͤlt; wie konnte er<lb/> Vertrauen faſſen zu jenen hohlen aus Zelotismus und<lb/> Ungeſchmack zuſammengeſetzten Lehren der orthodoxen<lb/> lutheriſchen Geiſtlichkeit; oder ſelbſt zu der deiſtiſchen<lb/> Gewandheit Tellers, Zoͤllners und Spaldings, deren<lb/> Leiſtungen nicht auf Geſetze und Kunſt, ſondern auf<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [253/0271]
Ancillon.
Thuͤren gegebene, dem Auge des Lehrers uͤberall ſo
nahe Unterweiſung die Selbſtſtaͤndigkeit im Denken und
Forſchen bei jenen jungen Maͤnnern beſonders beguͤn¬
ſtigt wird.
Doch befreite ſich ein heller Kopf wie Ancillon bald
von dieſen beengenden Schranken, und frug ſich, ob
denn die Zeit nicht hinausgekommen waͤre uͤber Pascal,
Boſſuet, Mabillon und Mallebranche? Er kaͤmpfte
mit der angeborenen Verehrung dieſer hohen Geiſter,
die um ſo natuͤrlicher iſt, je weniger die Theologen
und Philoſophen in Deutſchland je eine ſolche Mei¬
ſterſchaft der Darſtellung erreicht haben, wie jene. Ei¬
nem Franzoſen, begabt mit ſo feinen Geſchmacksner¬
ven fuͤr die Reize des Styls, mußte die hoͤlzerne Aus¬
drucksweiſe der Deutſchen, wie ſie auch noch die kriti¬
ſche Philoſophie entſtellte, einen Dégout verurſachen:
noch mehr, wenn er die Beredſamkeit fuͤr ein der
Theologie nothwendiges Studium haͤlt; wie konnte er
Vertrauen faſſen zu jenen hohlen aus Zelotismus und
Ungeſchmack zuſammengeſetzten Lehren der orthodoxen
lutheriſchen Geiſtlichkeit; oder ſelbſt zu der deiſtiſchen
Gewandheit Tellers, Zoͤllners und Spaldings, deren
Leiſtungen nicht auf Geſetze und Kunſt, ſondern auf
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