wann hat die Partei des National einen ruhigen Au¬ genblick? Wo lebt auch sie anders, als in den Ge¬ fängnissen? Der Bois de Boulogne wiederhallt von den Duellen, welche man nicht abschlagen kann, ohne seiner Sache etwas zu entziehen. Der Schlaf ist nicht mehr sicher; denn Gisquets Trabanten schlagen nächt¬ lich an die Fensterladen, um für die neuen Bastillen neue Opfer zu holen.
O dis Leben ist eine ewige Entsagung, eine stete Uebung zu hassen und zu dulden, für sanfte Gemüther jenes so herb, wie dis schon Gewöhnung.
Und wofür? Nicht vielleicht für eine Täuschung? Eine Dornenkrone für einen Glauben, der vielleicht falsch berechnet ist? Wenn nun Alles, was Ihr dach¬ tet, ihr blassen Männer, die grausame Laune eines Traumes wäre? Wenn Eure Zukunft, Eure Tröste¬ rin und harrende Braut die Treue bräche und den Ring des Verlöbnisses den Herolden einer Zeit gäbe, die Ihr alle noch nicht kennt? Wenn Eure Appellationen und Beschwörungen in dem Kommenden einsam irrten, wie die Geister unbegrabener Todten? Wenn die Töne Eurer Sprache verklungen wären in dem Gedächtnisse der Menschen, und alles umsonst gewesen wäre, war¬
Armand Carrel.
wann hat die Partei des National einen ruhigen Au¬ genblick? Wo lebt auch ſie anders, als in den Ge¬ faͤngniſſen? Der Bois de Boulogne wiederhallt von den Duellen, welche man nicht abſchlagen kann, ohne ſeiner Sache etwas zu entziehen. Der Schlaf iſt nicht mehr ſicher; denn Gisquets Trabanten ſchlagen naͤcht¬ lich an die Fenſterladen, um fuͤr die neuen Baſtillen neue Opfer zu holen.
O dis Leben iſt eine ewige Entſagung, eine ſtete Uebung zu haſſen und zu dulden, fuͤr ſanfte Gemuͤther jenes ſo herb, wie dis ſchon Gewoͤhnung.
Und wofuͤr? Nicht vielleicht fuͤr eine Taͤuſchung? Eine Dornenkrone fuͤr einen Glauben, der vielleicht falſch berechnet iſt? Wenn nun Alles, was Ihr dach¬ tet, ihr blaſſen Maͤnner, die grauſame Laune eines Traumes waͤre? Wenn Eure Zukunft, Eure Troͤſte¬ rin und harrende Braut die Treue braͤche und den Ring des Verloͤbniſſes den Herolden einer Zeit gaͤbe, die Ihr alle noch nicht kennt? Wenn Eure Appellationen und Beſchwoͤrungen in dem Kommenden einſam irrten, wie die Geiſter unbegrabener Todten? Wenn die Toͤne Eurer Sprache verklungen waͤren in dem Gedaͤchtniſſe der Menſchen, und alles umſonſt geweſen waͤre, war¬
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Armand Carrel.
wann hat die Partei des National einen ruhigen Au¬
genblick? Wo lebt auch ſie anders, als in den Ge¬
faͤngniſſen? Der Bois de Boulogne wiederhallt von
den Duellen, welche man nicht abſchlagen kann, ohne
ſeiner Sache etwas zu entziehen. Der Schlaf iſt nicht
mehr ſicher; denn Gisquets Trabanten ſchlagen naͤcht¬
lich an die Fenſterladen, um fuͤr die neuen Baſtillen
neue Opfer zu holen.
O dis Leben iſt eine ewige Entſagung, eine ſtete
Uebung zu haſſen und zu dulden, fuͤr ſanfte Gemuͤther
jenes ſo herb, wie dis ſchon Gewoͤhnung.
Und wofuͤr? Nicht vielleicht fuͤr eine Taͤuſchung?
Eine Dornenkrone fuͤr einen Glauben, der vielleicht
falſch berechnet iſt? Wenn nun Alles, was Ihr dach¬
tet, ihr blaſſen Maͤnner, die grauſame Laune eines
Traumes waͤre? Wenn Eure Zukunft, Eure Troͤſte¬
rin und harrende Braut die Treue braͤche und den Ring
des Verloͤbniſſes den Herolden einer Zeit gaͤbe, die Ihr
alle noch nicht kennt? Wenn Eure Appellationen und
Beſchwoͤrungen in dem Kommenden einſam irrten, wie
die Geiſter unbegrabener Todten? Wenn die Toͤne
Eurer Sprache verklungen waͤren in dem Gedaͤchtniſſe
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/255>, abgerufen am 28.07.2024.
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