gen den König der Fluren, den ritterlichen und kühnen Artigas, bis zu dem Augenblick, welcher für die Unab¬ hängigkeit der rechte schien, verwickelten sich die Inter¬ essen unauflöslich.
Die Vicekönige lösten sich ab, während die alten Befehlshaber sich kaum befestigt hatten; und die nach¬ folgenden kamen ohne Vollmachten, da sich der Zustand der Parteien fortwährend veränderte. Der Franzose Liniers vertheidigte eine Zeit lang die Ansprüche Euro¬ pa's, und während man glauben mußte, daß er die Kolonie für die Usurpation seiner Landsleute retten wollte, stellte sich weiter heraus, daß er Bourbonist war, und an den alten spanischen Thron dachte, ja sogar an Brasilien, von wo aus die intrigante und leidenschaftliche Mutter der beiden feindlichen Brüder von Oporto ihre Minen springen ließ.
So wirrte sich Alles in einen labyrinthischen Knäul zusammen, aus welchem die Staatsklugheit keinen Aus¬ weg mehr fand, nur die Freiheit, welche die Rücksich¬ ten durchhieb, da sie nur der Zukunft und sich selbst verantwortlich war.
Zu gleicher Zeit, am Schluß des ersten Decenni¬ ums unsers stürmischen Jahrhunderts, traten in Cara¬ cas, in la Paz, Quito, Bogota und in Chile Regie¬
Doktor Francia.
gen den Koͤnig der Fluren, den ritterlichen und kuͤhnen Artigas, bis zu dem Augenblick, welcher fuͤr die Unab¬ haͤngigkeit der rechte ſchien, verwickelten ſich die Inter¬ eſſen unaufloͤslich.
Die Vicekoͤnige loͤſten ſich ab, waͤhrend die alten Befehlshaber ſich kaum befeſtigt hatten; und die nach¬ folgenden kamen ohne Vollmachten, da ſich der Zuſtand der Parteien fortwaͤhrend veraͤnderte. Der Franzoſe Liniers vertheidigte eine Zeit lang die Anſpruͤche Euro¬ pa's, und waͤhrend man glauben mußte, daß er die Kolonie fuͤr die Uſurpation ſeiner Landsleute retten wollte, ſtellte ſich weiter heraus, daß er Bourboniſt war, und an den alten ſpaniſchen Thron dachte, ja ſogar an Braſilien, von wo aus die intrigante und leidenſchaftliche Mutter der beiden feindlichen Bruͤder von Oporto ihre Minen ſpringen ließ.
So wirrte ſich Alles in einen labyrinthiſchen Knaͤul zuſammen, aus welchem die Staatsklugheit keinen Aus¬ weg mehr fand, nur die Freiheit, welche die Ruͤckſich¬ ten durchhieb, da ſie nur der Zukunft und ſich ſelbſt verantwortlich war.
Zu gleicher Zeit, am Schluß des erſten Decenni¬ ums unſers ſtuͤrmiſchen Jahrhunderts, traten in Cara¬ cas, in la Paz, Quito, Bogota und in Chile Regie¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0219"n="201"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Doktor Francia</hi>.<lb/></fw>gen den Koͤnig der Fluren, den ritterlichen und kuͤhnen<lb/>
Artigas, bis zu dem Augenblick, welcher fuͤr die Unab¬<lb/>
haͤngigkeit der rechte ſchien, verwickelten ſich die Inter¬<lb/>
eſſen unaufloͤslich.</p><lb/><p>Die Vicekoͤnige loͤſten ſich ab, waͤhrend die alten<lb/>
Befehlshaber ſich kaum befeſtigt hatten; und die nach¬<lb/>
folgenden kamen ohne Vollmachten, da ſich der Zuſtand<lb/>
der Parteien fortwaͤhrend veraͤnderte. Der Franzoſe<lb/>
Liniers vertheidigte eine Zeit lang die Anſpruͤche Euro¬<lb/>
pa's, und waͤhrend man glauben mußte, daß er die<lb/>
Kolonie fuͤr die Uſurpation ſeiner Landsleute retten<lb/>
wollte, ſtellte ſich weiter heraus, daß er Bourboniſt<lb/>
war, und an den alten ſpaniſchen Thron dachte, ja<lb/>ſogar an Braſilien, von wo aus die intrigante und<lb/>
leidenſchaftliche Mutter der beiden feindlichen Bruͤder<lb/>
von Oporto ihre Minen ſpringen ließ.</p><lb/><p>So wirrte ſich Alles in einen labyrinthiſchen Knaͤul<lb/>
zuſammen, aus welchem die Staatsklugheit keinen Aus¬<lb/>
weg mehr fand, nur die Freiheit, welche die Ruͤckſich¬<lb/>
ten durchhieb, da ſie nur der Zukunft und ſich ſelbſt<lb/>
verantwortlich war.</p><lb/><p>Zu gleicher Zeit, am Schluß des erſten Decenni¬<lb/>
ums unſers ſtuͤrmiſchen Jahrhunderts, traten in Cara¬<lb/>
cas, in la Paz, Quito, Bogota und in Chile Regie¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[201/0219]
Doktor Francia.
gen den Koͤnig der Fluren, den ritterlichen und kuͤhnen
Artigas, bis zu dem Augenblick, welcher fuͤr die Unab¬
haͤngigkeit der rechte ſchien, verwickelten ſich die Inter¬
eſſen unaufloͤslich.
Die Vicekoͤnige loͤſten ſich ab, waͤhrend die alten
Befehlshaber ſich kaum befeſtigt hatten; und die nach¬
folgenden kamen ohne Vollmachten, da ſich der Zuſtand
der Parteien fortwaͤhrend veraͤnderte. Der Franzoſe
Liniers vertheidigte eine Zeit lang die Anſpruͤche Euro¬
pa's, und waͤhrend man glauben mußte, daß er die
Kolonie fuͤr die Uſurpation ſeiner Landsleute retten
wollte, ſtellte ſich weiter heraus, daß er Bourboniſt
war, und an den alten ſpaniſchen Thron dachte, ja
ſogar an Braſilien, von wo aus die intrigante und
leidenſchaftliche Mutter der beiden feindlichen Bruͤder
von Oporto ihre Minen ſpringen ließ.
So wirrte ſich Alles in einen labyrinthiſchen Knaͤul
zuſammen, aus welchem die Staatsklugheit keinen Aus¬
weg mehr fand, nur die Freiheit, welche die Ruͤckſich¬
ten durchhieb, da ſie nur der Zukunft und ſich ſelbſt
verantwortlich war.
Zu gleicher Zeit, am Schluß des erſten Decenni¬
ums unſers ſtuͤrmiſchen Jahrhunderts, traten in Cara¬
cas, in la Paz, Quito, Bogota und in Chile Regie¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/219>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.