len gezeigt. Ludwig hatte einen sanfteren Charakter, mit einem Anstrich von Schwärmerei, die eine gute Ent¬ schuldigung seines Phlegma's war. Hieronymus endlich, der schon in dem Glanze seiner Familie erzogen wurde, nahm früh die Eigenschaften, welche ächtes prinzliches Blut zu begleiten pflegen, in sich auf, im Guten wie im Bösen. Napoleon konnte deshalb auch daran den¬ ken, sie zu seinen Zwecken zu benutzen, während sonst das Genie immer Noth hat, die Misere seiner Herkunft und Verwandtschaft zu verdecken.
Anfangs wollte er sich aus ihnen nur Umgebungen schaffen, die ein feines Ohr, verschwiegenen Mund und beredte Zunge hätten; es fehlte ihm an Treue, Sicher¬ heit und Spionen des ersten Ranges; er hatte so man¬ ches Amt zu vergeben, das er von der Zuverlässigkeit bekleidet wünschte; ja er sah so viele freie Hände ein¬ flußreicher Schönheiten, daß er nicht Männer genug haben konnte, denen er diese aufbewahrte.
Diese letzte Kombination war die erste, welche ihm fehlschlug; denn so leicht es ihm wurde, den Ehrgeiz seiner Brüder zu lenken, so aufsätzig zeigten sie sich doch, als er ihren Herzen die freie Wahl nehmen wollte. Die schöne Jouberton, die Patterson gehörten nicht in
Die Napoleoniden.
len gezeigt. Ludwig hatte einen ſanfteren Charakter, mit einem Anſtrich von Schwaͤrmerei, die eine gute Ent¬ ſchuldigung ſeines Phlegma's war. Hieronymus endlich, der ſchon in dem Glanze ſeiner Familie erzogen wurde, nahm fruͤh die Eigenſchaften, welche aͤchtes prinzliches Blut zu begleiten pflegen, in ſich auf, im Guten wie im Boͤſen. Napoleon konnte deshalb auch daran den¬ ken, ſie zu ſeinen Zwecken zu benutzen, waͤhrend ſonſt das Genie immer Noth hat, die Miſere ſeiner Herkunft und Verwandtſchaft zu verdecken.
Anfangs wollte er ſich aus ihnen nur Umgebungen ſchaffen, die ein feines Ohr, verſchwiegenen Mund und beredte Zunge haͤtten; es fehlte ihm an Treue, Sicher¬ heit und Spionen des erſten Ranges; er hatte ſo man¬ ches Amt zu vergeben, das er von der Zuverlaͤſſigkeit bekleidet wuͤnſchte; ja er ſah ſo viele freie Haͤnde ein¬ flußreicher Schoͤnheiten, daß er nicht Maͤnner genug haben konnte, denen er dieſe aufbewahrte.
Dieſe letzte Kombination war die erſte, welche ihm fehlſchlug; denn ſo leicht es ihm wurde, den Ehrgeiz ſeiner Bruͤder zu lenken, ſo aufſaͤtzig zeigten ſie ſich doch, als er ihren Herzen die freie Wahl nehmen wollte. Die ſchoͤne Jouberton, die Patterſon gehoͤrten nicht in
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Die Napoleoniden.
len gezeigt. Ludwig hatte einen ſanfteren Charakter, mit
einem Anſtrich von Schwaͤrmerei, die eine gute Ent¬
ſchuldigung ſeines Phlegma's war. Hieronymus endlich,
der ſchon in dem Glanze ſeiner Familie erzogen wurde,
nahm fruͤh die Eigenſchaften, welche aͤchtes prinzliches
Blut zu begleiten pflegen, in ſich auf, im Guten wie
im Boͤſen. Napoleon konnte deshalb auch daran den¬
ken, ſie zu ſeinen Zwecken zu benutzen, waͤhrend ſonſt
das Genie immer Noth hat, die Miſere ſeiner Herkunft
und Verwandtſchaft zu verdecken.
Anfangs wollte er ſich aus ihnen nur Umgebungen
ſchaffen, die ein feines Ohr, verſchwiegenen Mund und
beredte Zunge haͤtten; es fehlte ihm an Treue, Sicher¬
heit und Spionen des erſten Ranges; er hatte ſo man¬
ches Amt zu vergeben, das er von der Zuverlaͤſſigkeit
bekleidet wuͤnſchte; ja er ſah ſo viele freie Haͤnde ein¬
flußreicher Schoͤnheiten, daß er nicht Maͤnner genug
haben konnte, denen er dieſe aufbewahrte.
Dieſe letzte Kombination war die erſte, welche ihm
fehlſchlug; denn ſo leicht es ihm wurde, den Ehrgeiz
ſeiner Bruͤder zu lenken, ſo aufſaͤtzig zeigten ſie ſich doch,
als er ihren Herzen die freie Wahl nehmen wollte.
Die ſchoͤne Jouberton, die Patterſon gehoͤrten nicht in
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]
Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie angelegten Reflexionen über "Öffentliche Charaktere" in der Augsburger Allgemeinen Zeitung erscheinen. In Buchform erschien ein erster Band 1835 bei Hoffmann und Campe in Hamburg. Zur Publikation der weiteren geplanten Teile kam es nicht.
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Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/140>, abgerufen am 16.02.2025.
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