Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite
Mehemed Ali von Aegypten.

Doch zum Glück hatte des Vaters Chef den klei¬
nen, anschlägigen Knaben liebgewonnen. Niemand
kraute dem alten Herrn so geschickt im grauen Barte;
Niemand wußte ihm die Pfeife so gewandt zu stopfen
oder erzählte so drollig, wenn er mit untergeschlagenen
Beinen saß, und der schlaffe Bauch wie ein Beutel zu
wackeln anfing, ob des Knaben Witz und Munterkeit.
Der alte Chef schwur beim Barte des Propheten, daß
er für diese Waise sorgen würde, und machte sie mit
seinem eignen Sohne bekannt, welches ein rechter Lüm¬
mel war, faul, türkisch, und dem Vater viel Kummer
verursachte.

Mehemed besaß einen Ehrgeiz, er konnte keinen
Roßschweif sehen, ohne an ein künftiges Paschalik zu
denken; aber inzwischen war er fleißig, handelte mit
Tabak, und ließ sich von einem französischen Kauf¬
mann, der hier zuweilen Geschäfte und den Jungen
lieb hatte, über Europa belehren, ob es von Riesen,
Menschen mit Straußenköpfen, oder von vierfüßigen
Thieren bewohnt würde, welche Eier legen, oder von
Vögeln, die lebendige Junge auf die Welt bringen.

Meister Lyon, der aber aus Marseille war, mußte
lachen, belehrte den jungen Zögling der Tausend und
Einen Nacht, und trug viel dazu bei, seine Begriffe

Mehemed Ali von Aegypten.

Doch zum Gluͤck hatte des Vaters Chef den klei¬
nen, anſchlaͤgigen Knaben liebgewonnen. Niemand
kraute dem alten Herrn ſo geſchickt im grauen Barte;
Niemand wußte ihm die Pfeife ſo gewandt zu ſtopfen
oder erzaͤhlte ſo drollig, wenn er mit untergeſchlagenen
Beinen ſaß, und der ſchlaffe Bauch wie ein Beutel zu
wackeln anfing, ob des Knaben Witz und Munterkeit.
Der alte Chef ſchwur beim Barte des Propheten, daß
er fuͤr dieſe Waiſe ſorgen wuͤrde, und machte ſie mit
ſeinem eignen Sohne bekannt, welches ein rechter Luͤm¬
mel war, faul, tuͤrkiſch, und dem Vater viel Kummer
verurſachte.

Mehemed beſaß einen Ehrgeiz, er konnte keinen
Roßſchweif ſehen, ohne an ein kuͤnftiges Paſchalik zu
denken; aber inzwiſchen war er fleißig, handelte mit
Tabak, und ließ ſich von einem franzoͤſiſchen Kauf¬
mann, der hier zuweilen Geſchaͤfte und den Jungen
lieb hatte, uͤber Europa belehren, ob es von Rieſen,
Menſchen mit Straußenkoͤpfen, oder von vierfuͤßigen
Thieren bewohnt wuͤrde, welche Eier legen, oder von
Voͤgeln, die lebendige Junge auf die Welt bringen.

Meiſter Lyon, der aber aus Marſeille war, mußte
lachen, belehrte den jungen Zoͤgling der Tauſend und
Einen Nacht, und trug viel dazu bei, ſeine Begriffe

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0110" n="92"/>
        <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Mehemed Ali von Aegypten</hi>.<lb/></fw>
        <p>Doch zum Glu&#x0364;ck hatte des Vaters Chef den klei¬<lb/>
nen, an&#x017F;chla&#x0364;gigen Knaben liebgewonnen. Niemand<lb/>
kraute dem alten Herrn &#x017F;o ge&#x017F;chickt im grauen Barte;<lb/>
Niemand wußte ihm die Pfeife &#x017F;o gewandt zu &#x017F;topfen<lb/>
oder erza&#x0364;hlte &#x017F;o drollig, wenn er mit unterge&#x017F;chlagenen<lb/>
Beinen &#x017F;aß, und der &#x017F;chlaffe Bauch wie ein Beutel zu<lb/>
wackeln anfing, ob des Knaben Witz und Munterkeit.<lb/>
Der alte Chef &#x017F;chwur beim Barte des Propheten, daß<lb/>
er fu&#x0364;r die&#x017F;e Wai&#x017F;e &#x017F;orgen wu&#x0364;rde, und machte &#x017F;ie mit<lb/>
&#x017F;einem eignen Sohne bekannt, welches ein rechter Lu&#x0364;<lb/>
mel war, faul, tu&#x0364;rki&#x017F;ch, und dem Vater viel Kummer<lb/>
verur&#x017F;achte.</p><lb/>
        <p>Mehemed be&#x017F;aß einen Ehrgeiz, er konnte keinen<lb/>
Roß&#x017F;chweif &#x017F;ehen, ohne an ein ku&#x0364;nftiges Pa&#x017F;chalik zu<lb/>
denken; aber inzwi&#x017F;chen war er fleißig, handelte mit<lb/>
Tabak, und ließ &#x017F;ich von einem franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;chen Kauf¬<lb/>
mann, der hier zuweilen Ge&#x017F;cha&#x0364;fte und den Jungen<lb/>
lieb hatte, u&#x0364;ber Europa belehren, ob es von Rie&#x017F;en,<lb/>
Men&#x017F;chen mit Straußenko&#x0364;pfen, oder von vierfu&#x0364;ßigen<lb/>
Thieren bewohnt wu&#x0364;rde, welche Eier legen, oder von<lb/>
Vo&#x0364;geln, die lebendige Junge auf die Welt bringen.</p><lb/>
        <p>Mei&#x017F;ter Lyon, der aber aus Mar&#x017F;eille war, mußte<lb/>
lachen, belehrte den jungen Zo&#x0364;gling der Tau&#x017F;end und<lb/>
Einen Nacht, und trug viel dazu bei, &#x017F;eine Begriffe<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0110] Mehemed Ali von Aegypten. Doch zum Gluͤck hatte des Vaters Chef den klei¬ nen, anſchlaͤgigen Knaben liebgewonnen. Niemand kraute dem alten Herrn ſo geſchickt im grauen Barte; Niemand wußte ihm die Pfeife ſo gewandt zu ſtopfen oder erzaͤhlte ſo drollig, wenn er mit untergeſchlagenen Beinen ſaß, und der ſchlaffe Bauch wie ein Beutel zu wackeln anfing, ob des Knaben Witz und Munterkeit. Der alte Chef ſchwur beim Barte des Propheten, daß er fuͤr dieſe Waiſe ſorgen wuͤrde, und machte ſie mit ſeinem eignen Sohne bekannt, welches ein rechter Luͤm¬ mel war, faul, tuͤrkiſch, und dem Vater viel Kummer verurſachte. Mehemed beſaß einen Ehrgeiz, er konnte keinen Roßſchweif ſehen, ohne an ein kuͤnftiges Paſchalik zu denken; aber inzwiſchen war er fleißig, handelte mit Tabak, und ließ ſich von einem franzoͤſiſchen Kauf¬ mann, der hier zuweilen Geſchaͤfte und den Jungen lieb hatte, uͤber Europa belehren, ob es von Rieſen, Menſchen mit Straußenkoͤpfen, oder von vierfuͤßigen Thieren bewohnt wuͤrde, welche Eier legen, oder von Voͤgeln, die lebendige Junge auf die Welt bringen. Meiſter Lyon, der aber aus Marſeille war, mußte lachen, belehrte den jungen Zoͤgling der Tauſend und Einen Nacht, und trug viel dazu bei, ſeine Begriffe

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Ab Oktober 1834 ließ Karl Gutzkow seine als Serie… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/110
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Öffentliche Charaktere. Bd. 1. Hamburg, 1835, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_charaktere_1835/110>, abgerufen am 22.11.2024.