Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.Wo blieb bei dieser Berührung mit Christen-Knaben die Garantie, daß Löb nichts Anstößiges aß, die Fasten beobachtete und sich in seinem Wesen überhaupt rein und religiös untadelhaft erhielt! Da aber der Vater dem Plane, seinen Sohn Arzt werden zu lassen (denn dies nur konnte er werden) im Grunde nicht grade abgeneigt war, so sann der Hauslehrer auf eine Auskunft. Er machte sich anheischig, Mosche, den Rektor des Gymnasiums, zu überreden, daß er dem Knaben im Lateinischen Privatunterricht gäbe. Darauf ging der Vater ein. Mosche erklärte sich bereit und begann seinen Unterricht, in dem sich Börne als fleißigen und gelehrigen Schüler bewies. Auffallend aber, daß dem Knaben selbst die Bestimmung seines künftigen Schicksals ganz gleichgültig war. Er wäre mit derselben Bereitwilligkeit Kaufmann geworden, wie er es aufnahm, daß er studiren sollte. Diesen Umstand gänzlich aus seinem Gemüth zu erklären, möchte nicht ganz richtig seyn. Es ist wahr, Börne's Jugend war im Allgemeinen so freudlos und unbehaglich, daß sich früh eine gewisse trübe Theilnahmlosigkeit seines Innern bemächtigt hatte, er war gewohnt, keinen Willen zu haben und vermißte auch wohl in seiner ganzen Existenz die gemüthlichen, sein innerstes Wesen wohlthätig an- Wo blieb bei dieser Berührung mit Christen-Knaben die Garantie, daß Löb nichts Anstößiges aß, die Fasten beobachtete und sich in seinem Wesen überhaupt rein und religiös untadelhaft erhielt! Da aber der Vater dem Plane, seinen Sohn Arzt werden zu lassen (denn dies nur konnte er werden) im Grunde nicht grade abgeneigt war, so sann der Hauslehrer auf eine Auskunft. Er machte sich anheischig, Mosche, den Rektor des Gymnasiums, zu überreden, daß er dem Knaben im Lateinischen Privatunterricht gäbe. Darauf ging der Vater ein. Mosche erklärte sich bereit und begann seinen Unterricht, in dem sich Börne als fleißigen und gelehrigen Schüler bewies. Auffallend aber, daß dem Knaben selbst die Bestimmung seines künftigen Schicksals ganz gleichgültig war. Er wäre mit derselben Bereitwilligkeit Kaufmann geworden, wie er es aufnahm, daß er studiren sollte. Diesen Umstand gänzlich aus seinem Gemüth zu erklären, möchte nicht ganz richtig seyn. Es ist wahr, Börne’s Jugend war im Allgemeinen so freudlos und unbehaglich, daß sich früh eine gewisse trübe Theilnahmlosigkeit seines Innern bemächtigt hatte, er war gewohnt, keinen Willen zu haben und vermißte auch wohl in seiner ganzen Existenz die gemüthlichen, sein innerstes Wesen wohlthätig an- <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0094" n="52"/> Wo blieb bei dieser Berührung mit Christen-Knaben die Garantie, daß Löb nichts Anstößiges aß, die Fasten beobachtete und sich in seinem Wesen überhaupt rein und religiös untadelhaft erhielt! Da aber der Vater dem Plane, seinen Sohn Arzt werden zu lassen (denn dies nur konnte er werden) im Grunde nicht grade abgeneigt war, so sann der Hauslehrer auf eine Auskunft. Er machte sich anheischig, Mosche, den Rektor des Gymnasiums, zu überreden, daß er dem Knaben im Lateinischen Privatunterricht gäbe. Darauf ging der Vater ein. Mosche erklärte sich bereit und begann seinen Unterricht, in dem sich Börne als fleißigen und gelehrigen Schüler bewies. Auffallend aber, daß dem Knaben selbst die Bestimmung seines künftigen Schicksals ganz gleichgültig war. Er wäre mit derselben Bereitwilligkeit Kaufmann geworden, wie er es aufnahm, daß er studiren sollte. Diesen Umstand gänzlich aus seinem Gemüth zu erklären, möchte nicht ganz richtig seyn. Es ist wahr, Börne’s Jugend war im Allgemeinen so freudlos und unbehaglich, daß sich früh eine gewisse trübe Theilnahmlosigkeit seines Innern bemächtigt hatte, er war gewohnt, keinen Willen zu haben und vermißte auch wohl in seiner ganzen Existenz die gemüthlichen, sein innerstes Wesen wohlthätig an- </p> </div> </body> </text> </TEI> [52/0094]
Wo blieb bei dieser Berührung mit Christen-Knaben die Garantie, daß Löb nichts Anstößiges aß, die Fasten beobachtete und sich in seinem Wesen überhaupt rein und religiös untadelhaft erhielt! Da aber der Vater dem Plane, seinen Sohn Arzt werden zu lassen (denn dies nur konnte er werden) im Grunde nicht grade abgeneigt war, so sann der Hauslehrer auf eine Auskunft. Er machte sich anheischig, Mosche, den Rektor des Gymnasiums, zu überreden, daß er dem Knaben im Lateinischen Privatunterricht gäbe. Darauf ging der Vater ein. Mosche erklärte sich bereit und begann seinen Unterricht, in dem sich Börne als fleißigen und gelehrigen Schüler bewies. Auffallend aber, daß dem Knaben selbst die Bestimmung seines künftigen Schicksals ganz gleichgültig war. Er wäre mit derselben Bereitwilligkeit Kaufmann geworden, wie er es aufnahm, daß er studiren sollte. Diesen Umstand gänzlich aus seinem Gemüth zu erklären, möchte nicht ganz richtig seyn. Es ist wahr, Börne’s Jugend war im Allgemeinen so freudlos und unbehaglich, daß sich früh eine gewisse trübe Theilnahmlosigkeit seines Innern bemächtigt hatte, er war gewohnt, keinen Willen zu haben und vermißte auch wohl in seiner ganzen Existenz die gemüthlichen, sein innerstes Wesen wohlthätig an-
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/94>, abgerufen am 15.08.2024. |