Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.brauste er erst auf, als er hörte, daß der Adel ein Privilegium wäre! In seinem zwölften, dreizehnten Jahre ließ er sich von seinem Lehrer über nichts mehr, was ihm unklar war, obenhin beschwichtigen. Er hatte die Art, oft Tage lang über eine ihm gegebene Antwort und Bedeutung zu schweigen und dann plötzlich, wo der Lehrer längst den Gegenstand vergessen glaubte, mit seinen Bedenken hervorzubrechen. Der Schmerz, den man allgemein über die Hinrichtung Ludwig XVI. aussprach, theilte sich ihm selbst mit; er begriff nicht, wie man auf der einen Seite tugendhaft und so unglücklich sein könne, auf der andern, wie sich die große Idee der Freiheit von einem ganzen Volke so misbrauchen ließe! Die Lösung dieser beiden Widersprüche gelang Börnen erst im gereiftern Alter; wer weiß, ob nicht erst nach der Julirevolution! Die Lesesucht, ein selten trügendes Wahrzeichen talentvoller Kinder, ergriff auch den Knaben Börne mit solcher Gewalt, daß er zehn Stunden lang sich in ein Buch vertiefen, Essen und Trinken darüber vergessen und seiner Umgebungen nicht gewahr werden konnte. Der Büchervorrath des Vaters und seines Hauslehrers bot wenig Abwechselung dar. Er las oft in einem Werke, welches Aphorismen über Staat, brauste er erst auf, als er hörte, daß der Adel ein Privilegium wäre! In seinem zwölften, dreizehnten Jahre ließ er sich von seinem Lehrer über nichts mehr, was ihm unklar war, obenhin beschwichtigen. Er hatte die Art, oft Tage lang über eine ihm gegebene Antwort und Bedeutung zu schweigen und dann plötzlich, wo der Lehrer längst den Gegenstand vergessen glaubte, mit seinen Bedenken hervorzubrechen. Der Schmerz, den man allgemein über die Hinrichtung Ludwig XVI. aussprach, theilte sich ihm selbst mit; er begriff nicht, wie man auf der einen Seite tugendhaft und so unglücklich sein könne, auf der andern, wie sich die große Idee der Freiheit von einem ganzen Volke so misbrauchen ließe! Die Lösung dieser beiden Widersprüche gelang Börnen erst im gereiftern Alter; wer weiß, ob nicht erst nach der Julirevolution! Die Lesesucht, ein selten trügendes Wahrzeichen talentvoller Kinder, ergriff auch den Knaben Börne mit solcher Gewalt, daß er zehn Stunden lang sich in ein Buch vertiefen, Essen und Trinken darüber vergessen und seiner Umgebungen nicht gewahr werden konnte. Der Büchervorrath des Vaters und seines Hauslehrers bot wenig Abwechselung dar. Er las oft in einem Werke, welches Aphorismen über Staat, <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0089" n="47"/> brauste er erst auf, als er hörte, daß der Adel ein Privilegium wäre! In seinem zwölften, dreizehnten Jahre ließ er sich von seinem Lehrer über nichts mehr, was ihm unklar war, obenhin beschwichtigen. Er hatte die Art, oft Tage lang über eine ihm gegebene Antwort und Bedeutung zu schweigen und dann plötzlich, wo der Lehrer längst den Gegenstand vergessen glaubte, mit seinen Bedenken hervorzubrechen. Der Schmerz, den man allgemein über die Hinrichtung Ludwig XVI. aussprach, theilte sich ihm selbst mit; er begriff nicht, wie man auf der einen Seite tugendhaft und so unglücklich sein könne, auf der andern, wie sich die große Idee der Freiheit von einem ganzen Volke so misbrauchen ließe! Die Lösung dieser beiden Widersprüche gelang Börnen erst im gereiftern Alter; wer weiß, ob nicht erst nach der Julirevolution!</p> <p>Die Lesesucht, ein selten trügendes Wahrzeichen talentvoller Kinder, ergriff auch den Knaben Börne mit solcher Gewalt, daß er zehn Stunden lang sich in ein Buch vertiefen, Essen und Trinken darüber vergessen und seiner Umgebungen nicht gewahr werden konnte. Der Büchervorrath des Vaters und seines Hauslehrers bot wenig Abwechselung dar. Er las oft in einem Werke, welches Aphorismen über Staat, </p> </div> </body> </text> </TEI> [47/0089]
brauste er erst auf, als er hörte, daß der Adel ein Privilegium wäre! In seinem zwölften, dreizehnten Jahre ließ er sich von seinem Lehrer über nichts mehr, was ihm unklar war, obenhin beschwichtigen. Er hatte die Art, oft Tage lang über eine ihm gegebene Antwort und Bedeutung zu schweigen und dann plötzlich, wo der Lehrer längst den Gegenstand vergessen glaubte, mit seinen Bedenken hervorzubrechen. Der Schmerz, den man allgemein über die Hinrichtung Ludwig XVI. aussprach, theilte sich ihm selbst mit; er begriff nicht, wie man auf der einen Seite tugendhaft und so unglücklich sein könne, auf der andern, wie sich die große Idee der Freiheit von einem ganzen Volke so misbrauchen ließe! Die Lösung dieser beiden Widersprüche gelang Börnen erst im gereiftern Alter; wer weiß, ob nicht erst nach der Julirevolution!
Die Lesesucht, ein selten trügendes Wahrzeichen talentvoller Kinder, ergriff auch den Knaben Börne mit solcher Gewalt, daß er zehn Stunden lang sich in ein Buch vertiefen, Essen und Trinken darüber vergessen und seiner Umgebungen nicht gewahr werden konnte. Der Büchervorrath des Vaters und seines Hauslehrers bot wenig Abwechselung dar. Er las oft in einem Werke, welches Aphorismen über Staat,
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