Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

öfters beinahe wie eine Farce herauskömmt, so kann sie doch für ein tieferes Gemüth nur verletzend wirken. Bei Börne war dies sicher der Fall; wenn ihm auch sein Talent, aus diesem ganzen Wust die Philisterey herauszuerkennen, davon eine mehr heitre, als trübsinnige Auffassung gestattete.

Ueberhaupt irrt man sehr, wenn man bei Börne in Betreff seiner jüdischen Herkunft jene übergroße Empfindsamkeit voraussetzt, die jetzt in der Behandlung der Emanzipationsfrage Sitte geworden ist. Freilich, da er früh Christ wurde, mag in ihm diese Stimmung auch schon allmälig verklungen seyn; in der Weise, wie sie sich z. B. in "den trauernden Juden vor Babylon" und ähnlichen Versinnlichungen des Judenschmerzes ausspricht, kam sie entweder bei ihm nicht mehr auf oder hielt nicht lange an. Um aufrichtig zu seyn, Börne verhielt sich weniger emphatisch zu den neuern Versuchen für die Judenemanzipation, als manche seiner frankfurter Freunde gern gesehen hätten. Es störte ihn theils die Einseitigkeit einer solchen Freiheitserklärung, die gleichsam nur für eine Classe von Menschen fast aristokratisch erfolgen sollte, während er die ganze Menschheit in Fesseln und Banden sah; theils kannte er die innre Organisation der jüdischen Gesellschaft zur

öfters beinahe wie eine Farce herauskömmt, so kann sie doch für ein tieferes Gemüth nur verletzend wirken. Bei Börne war dies sicher der Fall; wenn ihm auch sein Talent, aus diesem ganzen Wust die Philisterey herauszuerkennen, davon eine mehr heitre, als trübsinnige Auffassung gestattete.

Ueberhaupt irrt man sehr, wenn man bei Börne in Betreff seiner jüdischen Herkunft jene übergroße Empfindsamkeit voraussetzt, die jetzt in der Behandlung der Emanzipationsfrage Sitte geworden ist. Freilich, da er früh Christ wurde, mag in ihm diese Stimmung auch schon allmälig verklungen seyn; in der Weise, wie sie sich z. B. in „den trauernden Juden vor Babylon“ und ähnlichen Versinnlichungen des Judenschmerzes ausspricht, kam sie entweder bei ihm nicht mehr auf oder hielt nicht lange an. Um aufrichtig zu seyn, Börne verhielt sich weniger emphatisch zu den neuern Versuchen für die Judenemanzipation, als manche seiner frankfurter Freunde gern gesehen hätten. Es störte ihn theils die Einseitigkeit einer solchen Freiheitserklärung, die gleichsam nur für eine Classe von Menschen fast aristokratisch erfolgen sollte, während er die ganze Menschheit in Fesseln und Banden sah; theils kannte er die innre Organisation der jüdischen Gesellschaft zur

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0067" n="25"/>
öfters beinahe wie eine Farce herauskömmt, so kann sie doch für ein tieferes Gemüth nur verletzend wirken. Bei Börne war dies sicher der Fall; wenn ihm auch sein Talent, aus diesem ganzen Wust die Philisterey herauszuerkennen, davon eine mehr heitre, als trübsinnige Auffassung gestattete.</p>
        <p>Ueberhaupt irrt man sehr, wenn man bei Börne in Betreff seiner jüdischen Herkunft jene übergroße Empfindsamkeit voraussetzt, die jetzt in der Behandlung der Emanzipationsfrage Sitte geworden ist. Freilich, da er früh Christ wurde, mag in ihm diese Stimmung auch schon allmälig verklungen seyn; in der Weise, wie sie sich z. B. in &#x201E;den trauernden Juden vor Babylon&#x201C; und ähnlichen Versinnlichungen des Judenschmerzes ausspricht, kam sie entweder bei ihm nicht mehr auf oder hielt nicht lange an. Um aufrichtig zu seyn, Börne verhielt sich weniger emphatisch zu den neuern Versuchen für die Judenemanzipation, als manche seiner frankfurter Freunde gern gesehen hätten. Es störte ihn theils die Einseitigkeit einer solchen Freiheitserklärung, die gleichsam nur für eine Classe von Menschen fast aristokratisch erfolgen sollte, während er die ganze Menschheit in Fesseln und Banden sah; theils kannte er die innre Organisation der jüdischen Gesellschaft zur
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0067] öfters beinahe wie eine Farce herauskömmt, so kann sie doch für ein tieferes Gemüth nur verletzend wirken. Bei Börne war dies sicher der Fall; wenn ihm auch sein Talent, aus diesem ganzen Wust die Philisterey herauszuerkennen, davon eine mehr heitre, als trübsinnige Auffassung gestattete. Ueberhaupt irrt man sehr, wenn man bei Börne in Betreff seiner jüdischen Herkunft jene übergroße Empfindsamkeit voraussetzt, die jetzt in der Behandlung der Emanzipationsfrage Sitte geworden ist. Freilich, da er früh Christ wurde, mag in ihm diese Stimmung auch schon allmälig verklungen seyn; in der Weise, wie sie sich z. B. in „den trauernden Juden vor Babylon“ und ähnlichen Versinnlichungen des Judenschmerzes ausspricht, kam sie entweder bei ihm nicht mehr auf oder hielt nicht lange an. Um aufrichtig zu seyn, Börne verhielt sich weniger emphatisch zu den neuern Versuchen für die Judenemanzipation, als manche seiner frankfurter Freunde gern gesehen hätten. Es störte ihn theils die Einseitigkeit einer solchen Freiheitserklärung, die gleichsam nur für eine Classe von Menschen fast aristokratisch erfolgen sollte, während er die ganze Menschheit in Fesseln und Banden sah; theils kannte er die innre Organisation der jüdischen Gesellschaft zur

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/67
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/67>, abgerufen am 25.11.2024.