Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Börne hatte von jeher Frankreich in zwei Theile getheilt. Der eine war jenes eroberungslustige, geldsüchtige, übermüthige Frankreich, das die Freiheiten aller Völker würde mit Füßen getreten haben, wenn sich nur ein neuer Napoleon gefunden hätte. Der andre war ihm jenes Frankreich, das ihm die Bestimmung zu haben schien, die Frage unsres Jahrhunderts zu lösen. Er räumte den Deutschen alle Reichthümer der Phantasie, des Gemüths und der Denkkraft ein; aber daß wir selbst für unsre Freiheit nicht zu sorgen wissen, bewies es ihm nicht unsre Geschichte? Börne hatte von jeher den Gedanken, daß Deutschland und Frankreich die von einander gerissenen Theile eines großen Ganzen sind; er sahe in Paris Richtungen, welche den bisherigen Völkerverkehr mit einem System der Bruderliebe (wenigstens auf dem Papiere ehrlich gemeint) vertauschen wollten, er sahe so vieles, das die Deutschen sich hätten aneignen sollen, um eine Größe zu erringen, die durch Phrasen vom Deutschthum nicht errungen wird. Wem kommt dieser hohle Enthusiasmus der Franzosenfresser zu gute? Nur dem deutschen status quo, den Börne so gern geändert gesehen hätte. Börne hielt es für unpolitisch, Haß gegen ein Volk zu predigen, von dem wir, wenn nicht

Börne hatte von jeher Frankreich in zwei Theile getheilt. Der eine war jenes eroberungslustige, geldsüchtige, übermüthige Frankreich, das die Freiheiten aller Völker würde mit Füßen getreten haben, wenn sich nur ein neuer Napoleon gefunden hätte. Der andre war ihm jenes Frankreich, das ihm die Bestimmung zu haben schien, die Frage unsres Jahrhunderts zu lösen. Er räumte den Deutschen alle Reichthümer der Phantasie, des Gemüths und der Denkkraft ein; aber daß wir selbst für unsre Freiheit nicht zu sorgen wissen, bewies es ihm nicht unsre Geschichte? Börne hatte von jeher den Gedanken, daß Deutschland und Frankreich die von einander gerissenen Theile eines großen Ganzen sind; er sahe in Paris Richtungen, welche den bisherigen Völkerverkehr mit einem System der Bruderliebe (wenigstens auf dem Papiere ehrlich gemeint) vertauschen wollten, er sahe so vieles, das die Deutschen sich hätten aneignen sollen, um eine Größe zu erringen, die durch Phrasen vom Deutschthum nicht errungen wird. Wem kommt dieser hohle Enthusiasmus der Franzosenfresser zu gute? Nur dem deutschen status quo, den Börne so gern geändert gesehen hätte. Börne hielt es für unpolitisch, Haß gegen ein Volk zu predigen, von dem wir, wenn nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0321" n="279"/>
        <p> Börne hatte von jeher Frankreich in zwei Theile getheilt. Der eine war jenes eroberungslustige, geldsüchtige, übermüthige Frankreich, das die Freiheiten aller Völker würde mit Füßen getreten haben, wenn sich nur ein neuer Napoleon gefunden hätte. Der andre war ihm jenes Frankreich, das ihm die Bestimmung zu haben schien, die Frage unsres Jahrhunderts zu lösen. Er räumte den Deutschen alle Reichthümer der Phantasie, des Gemüths und der Denkkraft ein; aber daß wir <hi rendition="#g">selbst</hi> für unsre Freiheit nicht zu sorgen wissen, bewies es ihm nicht unsre Geschichte? Börne hatte von jeher den Gedanken, daß Deutschland und Frankreich die von einander gerissenen Theile eines großen Ganzen sind; er sahe in Paris Richtungen, welche den bisherigen Völkerverkehr mit einem System der Bruderliebe (wenigstens auf dem Papiere ehrlich gemeint) vertauschen wollten, er sahe so vieles, das die Deutschen sich hätten aneignen sollen, um eine Größe zu erringen, die durch Phrasen vom Deutschthum nicht errungen wird. Wem kommt dieser hohle Enthusiasmus der Franzosenfresser zu gute? Nur dem deutschen <hi rendition="#aq">status quo</hi>, den Börne so gern geändert gesehen hätte. Börne hielt es für unpolitisch, Haß gegen ein Volk zu predigen, von dem wir, wenn nicht
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0321] Börne hatte von jeher Frankreich in zwei Theile getheilt. Der eine war jenes eroberungslustige, geldsüchtige, übermüthige Frankreich, das die Freiheiten aller Völker würde mit Füßen getreten haben, wenn sich nur ein neuer Napoleon gefunden hätte. Der andre war ihm jenes Frankreich, das ihm die Bestimmung zu haben schien, die Frage unsres Jahrhunderts zu lösen. Er räumte den Deutschen alle Reichthümer der Phantasie, des Gemüths und der Denkkraft ein; aber daß wir selbst für unsre Freiheit nicht zu sorgen wissen, bewies es ihm nicht unsre Geschichte? Börne hatte von jeher den Gedanken, daß Deutschland und Frankreich die von einander gerissenen Theile eines großen Ganzen sind; er sahe in Paris Richtungen, welche den bisherigen Völkerverkehr mit einem System der Bruderliebe (wenigstens auf dem Papiere ehrlich gemeint) vertauschen wollten, er sahe so vieles, das die Deutschen sich hätten aneignen sollen, um eine Größe zu erringen, die durch Phrasen vom Deutschthum nicht errungen wird. Wem kommt dieser hohle Enthusiasmus der Franzosenfresser zu gute? Nur dem deutschen status quo, den Börne so gern geändert gesehen hätte. Börne hielt es für unpolitisch, Haß gegen ein Volk zu predigen, von dem wir, wenn nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/321
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/321>, abgerufen am 22.11.2024.