Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.die Würfel des Zufalls werfen und blind mit ihrem Talente spielen. Börne brauchte das Roß seiner Kunst immer nur zum Tragen oder zur Erreichung eines Zieles, nie um damit Parade zu machen. Hat es in seinen kleinern humoristischen Aufsätzen je einmal den Schein, als lahme der Gedanke der vorausspringenden Form hinterher oder als überschleiche ihn die bloß äußerliche Formbildung, so setzt er schnell die Sporen ein oder öffnet eine Schleuse seines Herzens, dreht an einem Hahne seines Gemüths, um gleich die belletristische Weichlichkeit durch unmittelbares, reines Quellwasser der Ueberzeugung wieder anzufrischen. Er springt schnell aus dieser Traumhaftigkeit auf den reellen Boden der Wirklichkeit zurück. Auch seinen Witz ließ er nicht frei herumwandeln, sondern, wenn er nicht auf der Jagd war oder des Nachts das Haus bewachen mußte, lag er an der Kette. Sein Witz war wohlgezogen; er fiel niemanden an, auf den Börne ihn nicht gehetzt hätte. Er hatte nicht die Art des Witzes bei andern Humoristen, die wie kleine Kläffer jeden Vorübergehenden, jeden Wagen, jedes Pferd anbellen und ihren Herrn in tausend Unannehmlichkeiten verwickeln. Börne hatte nie die Prätension, witzig zu seyn. Man konnte ihn nicht einladen und die Würfel des Zufalls werfen und blind mit ihrem Talente spielen. Börne brauchte das Roß seiner Kunst immer nur zum Tragen oder zur Erreichung eines Zieles, nie um damit Parade zu machen. Hat es in seinen kleinern humoristischen Aufsätzen je einmal den Schein, als lahme der Gedanke der vorausspringenden Form hinterher oder als überschleiche ihn die bloß äußerliche Formbildung, so setzt er schnell die Sporen ein oder öffnet eine Schleuse seines Herzens, dreht an einem Hahne seines Gemüths, um gleich die belletristische Weichlichkeit durch unmittelbares, reines Quellwasser der Ueberzeugung wieder anzufrischen. Er springt schnell aus dieser Traumhaftigkeit auf den reellen Boden der Wirklichkeit zurück. Auch seinen Witz ließ er nicht frei herumwandeln, sondern, wenn er nicht auf der Jagd war oder des Nachts das Haus bewachen mußte, lag er an der Kette. Sein Witz war wohlgezogen; er fiel niemanden an, auf den Börne ihn nicht gehetzt hätte. Er hatte nicht die Art des Witzes bei andern Humoristen, die wie kleine Kläffer jeden Vorübergehenden, jeden Wagen, jedes Pferd anbellen und ihren Herrn in tausend Unannehmlichkeiten verwickeln. Börne hatte nie die Prätension, witzig zu seyn. Man konnte ihn nicht einladen und <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0209" n="167"/> die Würfel des Zufalls werfen und blind mit ihrem Talente spielen. Börne brauchte das Roß seiner Kunst immer nur zum Tragen oder zur Erreichung eines Zieles, nie um damit Parade zu machen. Hat es in seinen kleinern humoristischen Aufsätzen je einmal den Schein, als lahme der Gedanke der vorausspringenden Form hinterher oder als überschleiche ihn die bloß äußerliche Formbildung, so setzt er schnell die Sporen ein oder öffnet eine Schleuse seines Herzens, dreht an einem Hahne seines Gemüths, um gleich die belletristische Weichlichkeit durch unmittelbares, reines Quellwasser der Ueberzeugung wieder anzufrischen. Er springt schnell aus dieser Traumhaftigkeit auf den reellen Boden der Wirklichkeit zurück. Auch seinen Witz ließ er nicht frei herumwandeln, sondern, wenn er nicht auf der Jagd war oder des Nachts das Haus bewachen mußte, lag er an der Kette. Sein Witz war wohlgezogen; er fiel niemanden an, auf den Börne ihn nicht gehetzt hätte. Er hatte nicht die Art des Witzes bei andern Humoristen, die wie kleine Kläffer jeden Vorübergehenden, jeden Wagen, jedes Pferd anbellen und ihren Herrn in tausend Unannehmlichkeiten verwickeln. Börne hatte nie die Prätension, witzig zu seyn. Man konnte ihn nicht einladen und </p> </div> </body> </text> </TEI> [167/0209]
die Würfel des Zufalls werfen und blind mit ihrem Talente spielen. Börne brauchte das Roß seiner Kunst immer nur zum Tragen oder zur Erreichung eines Zieles, nie um damit Parade zu machen. Hat es in seinen kleinern humoristischen Aufsätzen je einmal den Schein, als lahme der Gedanke der vorausspringenden Form hinterher oder als überschleiche ihn die bloß äußerliche Formbildung, so setzt er schnell die Sporen ein oder öffnet eine Schleuse seines Herzens, dreht an einem Hahne seines Gemüths, um gleich die belletristische Weichlichkeit durch unmittelbares, reines Quellwasser der Ueberzeugung wieder anzufrischen. Er springt schnell aus dieser Traumhaftigkeit auf den reellen Boden der Wirklichkeit zurück. Auch seinen Witz ließ er nicht frei herumwandeln, sondern, wenn er nicht auf der Jagd war oder des Nachts das Haus bewachen mußte, lag er an der Kette. Sein Witz war wohlgezogen; er fiel niemanden an, auf den Börne ihn nicht gehetzt hätte. Er hatte nicht die Art des Witzes bei andern Humoristen, die wie kleine Kläffer jeden Vorübergehenden, jeden Wagen, jedes Pferd anbellen und ihren Herrn in tausend Unannehmlichkeiten verwickeln. Börne hatte nie die Prätension, witzig zu seyn. Man konnte ihn nicht einladen und
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Zitationshilfe: | Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/209>, abgerufen am 22.07.2024. |