Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

damals auf die Schicksalsidee gebaut wurden, sind Meisterstücke der feinsten und scharfsinnigsten Kritik. Man machte ihm eine gewisse Neigung zu Consequenzen zum Vorwurf; Müllner sogar, den Börne, auffallend genug, schonte, wollte in einer Kritik der Wage gleichsam sagen, der Verstand könne alles lächerlich machen; aber die Fabel z. B. der Houwald'schen Stücke war doch meist so widersinnig zusammengesetzt, daß sie keine andre Kritik, als die der gesunden Vernunft verdiente. Von der Begeisterung, die diese Pseudo-Dichter selbst empfanden, setzten sie voraus, müsse auch der Zuschauer angesteckt sein, während ihre Gebilde auf diesen keinen andern Eindruck hervorbrachten, als den des Zweifels und der Verwunderung. Die besonnene Kritik konnte von den Strömen von Thränen, die um Houwalds Bild flossen, nicht fortgerissen werden.

Zu diesen Erzeugnissen einer verspäteten und forcirten Romantik gesellten sich alle die abgestandenen Reste des Repertoirs von ehemals. Iffland schilderte deutsche Duodezzustände an den Höfen, die veraltet waren und ganz neuen Untugenden und Umtrieben der Fürsten und Beamten Platz gemacht hatten. Diese edlen Justizräthe und Präsidenten paßten wenig für eine Zeit, in welcher die Untersuchungscommissionen

damals auf die Schicksalsidee gebaut wurden, sind Meisterstücke der feinsten und scharfsinnigsten Kritik. Man machte ihm eine gewisse Neigung zu Consequenzen zum Vorwurf; Müllner sogar, den Börne, auffallend genug, schonte, wollte in einer Kritik der Wage gleichsam sagen, der Verstand könne alles lächerlich machen; aber die Fabel z. B. der Houwald’schen Stücke war doch meist so widersinnig zusammengesetzt, daß sie keine andre Kritik, als die der gesunden Vernunft verdiente. Von der Begeisterung, die diese Pseudo-Dichter selbst empfanden, setzten sie voraus, müsse auch der Zuschauer angesteckt sein, während ihre Gebilde auf diesen keinen andern Eindruck hervorbrachten, als den des Zweifels und der Verwunderung. Die besonnene Kritik konnte von den Strömen von Thränen, die um Houwalds Bild flossen, nicht fortgerissen werden.

Zu diesen Erzeugnissen einer verspäteten und forcirten Romantik gesellten sich alle die abgestandenen Reste des Repertoirs von ehemals. Iffland schilderte deutsche Duodezzustände an den Höfen, die veraltet waren und ganz neuen Untugenden und Umtrieben der Fürsten und Beamten Platz gemacht hatten. Diese edlen Justizräthe und Präsidenten paßten wenig für eine Zeit, in welcher die Untersuchungscommissionen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0171" n="129"/>
damals auf die Schicksalsidee gebaut wurden, sind Meisterstücke der feinsten und scharfsinnigsten Kritik. Man machte ihm eine gewisse Neigung zu Consequenzen zum Vorwurf; Müllner sogar, den Börne, auffallend genug, schonte, wollte in einer Kritik der Wage gleichsam sagen, der Verstand könne alles lächerlich machen; aber die Fabel z. B. der Houwald&#x2019;schen Stücke war doch meist so widersinnig zusammengesetzt, daß sie keine andre Kritik, als die der gesunden Vernunft verdiente. Von der Begeisterung, die diese Pseudo-Dichter selbst empfanden, setzten sie voraus, müsse auch der Zuschauer angesteckt sein, während ihre Gebilde auf diesen keinen andern Eindruck hervorbrachten, als den des Zweifels und der Verwunderung. Die besonnene Kritik konnte von den Strömen von Thränen, die um Houwalds Bild flossen, nicht fortgerissen werden.</p>
        <p>Zu diesen Erzeugnissen einer verspäteten und forcirten Romantik gesellten sich alle die abgestandenen Reste des Repertoirs von ehemals. Iffland schilderte deutsche Duodezzustände an den Höfen, die veraltet waren und ganz neuen Untugenden und Umtrieben der Fürsten und Beamten Platz gemacht hatten. Diese <hi rendition="#g">edlen</hi> Justizräthe und Präsidenten paßten wenig für eine Zeit, in welcher die Untersuchungscommissionen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[129/0171] damals auf die Schicksalsidee gebaut wurden, sind Meisterstücke der feinsten und scharfsinnigsten Kritik. Man machte ihm eine gewisse Neigung zu Consequenzen zum Vorwurf; Müllner sogar, den Börne, auffallend genug, schonte, wollte in einer Kritik der Wage gleichsam sagen, der Verstand könne alles lächerlich machen; aber die Fabel z. B. der Houwald’schen Stücke war doch meist so widersinnig zusammengesetzt, daß sie keine andre Kritik, als die der gesunden Vernunft verdiente. Von der Begeisterung, die diese Pseudo-Dichter selbst empfanden, setzten sie voraus, müsse auch der Zuschauer angesteckt sein, während ihre Gebilde auf diesen keinen andern Eindruck hervorbrachten, als den des Zweifels und der Verwunderung. Die besonnene Kritik konnte von den Strömen von Thränen, die um Houwalds Bild flossen, nicht fortgerissen werden. Zu diesen Erzeugnissen einer verspäteten und forcirten Romantik gesellten sich alle die abgestandenen Reste des Repertoirs von ehemals. Iffland schilderte deutsche Duodezzustände an den Höfen, die veraltet waren und ganz neuen Untugenden und Umtrieben der Fürsten und Beamten Platz gemacht hatten. Diese edlen Justizräthe und Präsidenten paßten wenig für eine Zeit, in welcher die Untersuchungscommissionen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-03T11:49:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-07-03T11:49:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Gutzkow Editionsprojekt:Editionsprinzipien
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/171
Zitationshilfe: Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gutzkow_boerne_1840/171>, abgerufen am 19.05.2024.