Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.schildern zu wollen und doch nur eine Karrikatur dafür ausgiebt, der für etwas Gewöhnliches und Schwächliches unsre tiefsten Gemüthserregungen in Anspruch nimmt. Man muß sich die dramatische Literatur der Restaurationsperiode von 1815 bis beinahe 1830 vergegenwärtigen, um den günstigen Boden auszumessen, auf dem sich Börne mit seiner edlen Entrüstung und mit seiner Satyre tummeln konnte. Seitdem Schiller todt war, hatte man den Kothurn ihm nicht mit ins Grab gelegt; sondern seine Nachfolger wagten es, ihren kleinen Fuß auf ihm anschnallen zu lassen und nun mit lächerlichem Pathos, ohne innre sittliche Würde, ohne den ächten Schwung der Phantasie, auf ihm herumzuschlorren. So sehr sich Börne vom Dichterfeuer eines Grillparzer erwärmen ließ, so fröstelte ihn bei der dürftigen Armuth eines Houwald. Mit dem Schweiß des Angesichtes kitteten dieser und ihm ähnliche ihre papierne Welt wie Kartenhäuschen zusammen. Weil man das Erhabene nicht mehr aus seinen eignen Combinationen zu schaffen wagte, so erfand man sich einen Spukbegriff, der jenen Puppen einer armseligen Erfindung etwas Schauerliches geben sollte, die Schicksalsidee. Diese polterte wie ein Justinus Kerner'scher Geist aus dem Zwischenreich hinter den Coulissen der schildern zu wollen und doch nur eine Karrikatur dafür ausgiebt, der für etwas Gewöhnliches und Schwächliches unsre tiefsten Gemüthserregungen in Anspruch nimmt. Man muß sich die dramatische Literatur der Restaurationsperiode von 1815 bis beinahe 1830 vergegenwärtigen, um den günstigen Boden auszumessen, auf dem sich Börne mit seiner edlen Entrüstung und mit seiner Satyre tummeln konnte. Seitdem Schiller todt war, hatte man den Kothurn ihm nicht mit ins Grab gelegt; sondern seine Nachfolger wagten es, ihren kleinen Fuß auf ihm anschnallen zu lassen und nun mit lächerlichem Pathos, ohne innre sittliche Würde, ohne den ächten Schwung der Phantasie, auf ihm herumzuschlorren. So sehr sich Börne vom Dichterfeuer eines Grillparzer erwärmen ließ, so fröstelte ihn bei der dürftigen Armuth eines Houwald. Mit dem Schweiß des Angesichtes kitteten dieser und ihm ähnliche ihre papierne Welt wie Kartenhäuschen zusammen. Weil man das Erhabene nicht mehr aus seinen eignen Combinationen zu schaffen wagte, so erfand man sich einen Spukbegriff, der jenen Puppen einer armseligen Erfindung etwas Schauerliches geben sollte, die Schicksalsidee. Diese polterte wie ein Justinus Kerner’scher Geist aus dem Zwischenreich hinter den Coulissen der <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0169" n="127"/> schildern zu wollen und doch nur eine Karrikatur dafür ausgiebt, der für etwas Gewöhnliches und Schwächliches unsre tiefsten Gemüthserregungen in Anspruch nimmt. Man muß sich die dramatische Literatur der Restaurationsperiode von 1815 bis beinahe 1830 vergegenwärtigen, um den günstigen Boden auszumessen, auf dem sich Börne mit seiner edlen Entrüstung und mit seiner Satyre tummeln konnte. Seitdem Schiller todt war, hatte man den Kothurn ihm nicht mit ins Grab gelegt; sondern seine Nachfolger wagten es, ihren kleinen Fuß auf ihm anschnallen zu lassen und nun mit lächerlichem Pathos, ohne innre sittliche Würde, ohne den ächten Schwung der Phantasie, auf ihm herumzuschlorren. So sehr sich Börne vom Dichterfeuer eines Grillparzer erwärmen ließ, so fröstelte ihn bei der dürftigen Armuth eines Houwald. Mit dem Schweiß des Angesichtes kitteten dieser und ihm ähnliche ihre papierne Welt wie Kartenhäuschen zusammen. Weil man das Erhabene nicht mehr aus seinen eignen Combinationen zu schaffen wagte, so erfand man sich einen Spukbegriff, der jenen Puppen einer armseligen Erfindung etwas Schauerliches geben sollte, die Schicksalsidee. Diese polterte wie ein Justinus Kerner’scher Geist aus dem Zwischenreich hinter den Coulissen der </p> </div> </body> </text> </TEI> [127/0169]
schildern zu wollen und doch nur eine Karrikatur dafür ausgiebt, der für etwas Gewöhnliches und Schwächliches unsre tiefsten Gemüthserregungen in Anspruch nimmt. Man muß sich die dramatische Literatur der Restaurationsperiode von 1815 bis beinahe 1830 vergegenwärtigen, um den günstigen Boden auszumessen, auf dem sich Börne mit seiner edlen Entrüstung und mit seiner Satyre tummeln konnte. Seitdem Schiller todt war, hatte man den Kothurn ihm nicht mit ins Grab gelegt; sondern seine Nachfolger wagten es, ihren kleinen Fuß auf ihm anschnallen zu lassen und nun mit lächerlichem Pathos, ohne innre sittliche Würde, ohne den ächten Schwung der Phantasie, auf ihm herumzuschlorren. So sehr sich Börne vom Dichterfeuer eines Grillparzer erwärmen ließ, so fröstelte ihn bei der dürftigen Armuth eines Houwald. Mit dem Schweiß des Angesichtes kitteten dieser und ihm ähnliche ihre papierne Welt wie Kartenhäuschen zusammen. Weil man das Erhabene nicht mehr aus seinen eignen Combinationen zu schaffen wagte, so erfand man sich einen Spukbegriff, der jenen Puppen einer armseligen Erfindung etwas Schauerliches geben sollte, die Schicksalsidee. Diese polterte wie ein Justinus Kerner’scher Geist aus dem Zwischenreich hinter den Coulissen der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Gutzkow Editionsprojekt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-07-03T11:49:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-07-03T11:49:31Z)
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-07-03T11:49:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |