Gutzkow, Karl: Börne's Leben. Hamburg, 1840.das Schöne und seiner Sympathie für das Richtige. Aus diesem Gesichtspunkt war mir aus seiner spätern Zeit immer seine Beurtheilung des "Trauerspiels in Tyrol" von Immermann interessant. Es störte ihn etwas an dieser Dichtung und doch zog sie ihn an. Er fühlte an diesem Werke etwas, das ihn lähmte, kann es nicht recht ausdrücken und wiedergeben, hundert Gedanken laufen ihm queer über den Weg, keiner ist der rechte und doch will jeder erwogen sein. Er räumt dem Dichter alles ein und sagt zuletzt: Nein, es ist doch, doch etwas darin, was mir fremd ist und bleiben wird. In einer solchen Stimmung greift er wohl zur Dialektik, die er denn auch gegen Immermanns Hofer scharfsinnig genug in Anwendung gebracht hat. Wenn bei Börne Fälle eintraten, wo die Idee der Freiheit mit dem Geschmack collidirte, so wird man nach dem Vorhergehenden nicht zweifelhaft sein, daß er der ersten das Vorrecht einräumte. Er ging wie man an dem vorigen Beispiel sehen konnte, hart daran; "aber," sagt er, "in einer wüsten, kahlen, menschenleeren Zeit greift das Herz nach jeder Nahrung, daß es sich nur fülle, daß es nur fortbestehe." Indessen gab es doch einen Maaßstab, der ihm noch höher stand, als der politische; das war der moralische. Man das Schöne und seiner Sympathie für das Richtige. Aus diesem Gesichtspunkt war mir aus seiner spätern Zeit immer seine Beurtheilung des „Trauerspiels in Tyrol“ von Immermann interessant. Es störte ihn etwas an dieser Dichtung und doch zog sie ihn an. Er fühlte an diesem Werke etwas, das ihn lähmte, kann es nicht recht ausdrücken und wiedergeben, hundert Gedanken laufen ihm queer über den Weg, keiner ist der rechte und doch will jeder erwogen sein. Er räumt dem Dichter alles ein und sagt zuletzt: Nein, es ist doch, doch etwas darin, was mir fremd ist und bleiben wird. In einer solchen Stimmung greift er wohl zur Dialektik, die er denn auch gegen Immermanns Hofer scharfsinnig genug in Anwendung gebracht hat. Wenn bei Börne Fälle eintraten, wo die Idee der Freiheit mit dem Geschmack collidirte, so wird man nach dem Vorhergehenden nicht zweifelhaft sein, daß er der ersten das Vorrecht einräumte. Er ging wie man an dem vorigen Beispiel sehen konnte, hart daran; „aber,“ sagt er, „in einer wüsten, kahlen, menschenleeren Zeit greift das Herz nach jeder Nahrung, daß es sich nur fülle, daß es nur fortbestehe.“ Indessen gab es doch einen Maaßstab, der ihm noch höher stand, als der politische; das war der moralische. Man <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0155" n="113"/> das Schöne und seiner Sympathie für das Richtige. Aus diesem Gesichtspunkt war mir aus seiner spätern Zeit immer seine Beurtheilung des „Trauerspiels in Tyrol“ von Immermann interessant. Es störte ihn etwas an dieser Dichtung und doch zog sie ihn an. Er fühlte an diesem Werke etwas, das ihn lähmte, kann es nicht recht ausdrücken und wiedergeben, hundert Gedanken laufen ihm queer über den Weg, keiner ist der rechte und doch will jeder erwogen sein. Er räumt dem Dichter alles ein und sagt zuletzt: Nein, es ist <hi rendition="#g">doch</hi>, <hi rendition="#g">doch</hi> etwas darin, was mir fremd ist und bleiben wird. In einer solchen Stimmung greift er wohl zur Dialektik, die er denn auch gegen Immermanns Hofer scharfsinnig genug in Anwendung gebracht hat.</p> <p>Wenn bei Börne Fälle eintraten, wo die Idee der Freiheit mit dem Geschmack collidirte, so wird man nach dem Vorhergehenden nicht zweifelhaft sein, daß er der ersten das Vorrecht einräumte. Er ging wie man an dem vorigen Beispiel sehen konnte, hart daran; „aber,“ sagt er, „in einer wüsten, kahlen, menschenleeren Zeit greift das Herz nach jeder Nahrung, daß es sich nur fülle, daß es nur fortbestehe.“ Indessen gab es doch einen Maaßstab, der ihm noch höher stand, als der politische; das war der moralische. Man </p> </div> </body> </text> </TEI> [113/0155]
das Schöne und seiner Sympathie für das Richtige. Aus diesem Gesichtspunkt war mir aus seiner spätern Zeit immer seine Beurtheilung des „Trauerspiels in Tyrol“ von Immermann interessant. Es störte ihn etwas an dieser Dichtung und doch zog sie ihn an. Er fühlte an diesem Werke etwas, das ihn lähmte, kann es nicht recht ausdrücken und wiedergeben, hundert Gedanken laufen ihm queer über den Weg, keiner ist der rechte und doch will jeder erwogen sein. Er räumt dem Dichter alles ein und sagt zuletzt: Nein, es ist doch, doch etwas darin, was mir fremd ist und bleiben wird. In einer solchen Stimmung greift er wohl zur Dialektik, die er denn auch gegen Immermanns Hofer scharfsinnig genug in Anwendung gebracht hat.
Wenn bei Börne Fälle eintraten, wo die Idee der Freiheit mit dem Geschmack collidirte, so wird man nach dem Vorhergehenden nicht zweifelhaft sein, daß er der ersten das Vorrecht einräumte. Er ging wie man an dem vorigen Beispiel sehen konnte, hart daran; „aber,“ sagt er, „in einer wüsten, kahlen, menschenleeren Zeit greift das Herz nach jeder Nahrung, daß es sich nur fülle, daß es nur fortbestehe.“ Indessen gab es doch einen Maaßstab, der ihm noch höher stand, als der politische; das war der moralische. Man
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