Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De prudentia aulica. was affectirt ist, ist gezwungen, was gezwungen ist, ist uns zuwider,machet uns Mühe und Arbeit. Wer sich aber zum Hof-Leben schickt, muß sich recht kennen lernen, was er vor defauts habe. In der moral werden Mittel gewiesen, deßwegen einer nicht kan in Politicis fort kom- men, es sey denn, daß einer die moral verstehet. Etliche Narren halten nichts auf die doctrin de temperamentis; aber ich bin versichert, daß sie nicht de nihilo; daß aber nicht alles eintrifft, in judicando, schadet nichts. Die Regul kan gut seyn, und die application wird nicht recht gemacht. Einige Stücke bey denen temperamenten kommen freylich auf conjectu- ren an, aber das meiste kan demonstriret werden. §. 26-31. Gleichwie die Menschen nicht von einerley tempera-Von Erkännt- passio Q q q 3
De prudentia aulica. was affectirt iſt, iſt gezwungen, was gezwungen iſt, iſt uns zuwider,machet uns Muͤhe und Arbeit. Wer ſich aber zum Hof-Leben ſchickt, muß ſich recht kennen lernen, was er vor defauts habe. In der moral werden Mittel gewieſen, deßwegen einer nicht kan in Politicis fort kom- men, es ſey denn, daß einer die moral verſtehet. Etliche Narren halten nichts auf die doctrin de temperamentis; aber ich bin verſichert, daß ſie nicht de nihilo; daß aber nicht alles eintrifft, in judicando, ſchadet nichts. Die Regul kan gut ſeyn, und die application wird nicht recht gemacht. Einige Stuͤcke bey denen temperamenten kommen freylich auf conjectu- ren an, aber das meiſte kan demonſtriret werden. §. 26-31. Gleichwie die Menſchen nicht von einerley tempera-Von Erkaͤnnt- paſſio Q q q 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0513" n="493"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">De prudentia aulica.</hi></fw><lb/> was <hi rendition="#aq">affecti</hi>rt iſt, iſt gezwungen, was gezwungen iſt, iſt uns zuwider,<lb/> machet uns Muͤhe und Arbeit. Wer ſich aber zum Hof-Leben ſchickt,<lb/> muß ſich recht kennen lernen, was er vor <hi rendition="#aq">defauts</hi> habe. In der <hi rendition="#aq">moral</hi><lb/> werden Mittel gewieſen, deßwegen einer nicht kan <hi rendition="#aq">in Politicis</hi> fort kom-<lb/> men, es ſey denn, daß einer die <hi rendition="#aq">moral</hi> verſtehet. Etliche Narren halten nichts<lb/> auf die <hi rendition="#aq">doctrin de temperamentis;</hi> aber ich bin verſichert, daß ſie nicht<lb/><hi rendition="#aq">de nihilo;</hi> daß aber nicht alles eintrifft, <hi rendition="#aq">in judicando,</hi> ſchadet nichts.<lb/> Die Regul kan gut ſeyn, und die <hi rendition="#aq">application</hi> wird nicht recht gemacht.<lb/> Einige Stuͤcke bey denen <hi rendition="#aq">temperament</hi>en kommen freylich auf <hi rendition="#aq">conjectu-</hi><lb/> ren an, aber das meiſte kan <hi rendition="#aq">demonſtri</hi>ret werden.</p><lb/> <p>§. 26-31. Gleichwie die Menſchen nicht von einerley <hi rendition="#aq">tempera-</hi><note place="right">Von Erkaͤnnt-<lb/> niß menſchli-<lb/> cher Gemuͤ-<lb/> ther.</note><lb/><hi rendition="#aq">ment,</hi> ſondern ſo viel <hi rendition="#aq">ſubjecta</hi> da ſind, ſo viel neue <hi rendition="#aq">obſervationes</hi> giebt es;<lb/> Alſo kan man auch bey denen Menſchen nicht ſagen, wie bey dem Fuchs,<lb/> wer einen Fuchs kennet, lernet ſie alle kennen. Wer einen <hi rendition="#aq">hominem<lb/> ambitioſum</hi> kennet, kennet deßwegen nicht alle. Es ſind <hi rendition="#aq">differente mu-<lb/> tationes</hi> vorhanden, ſo ſind auch die Fuͤrſten unterſchieden, und muß man<lb/> ſich vor allen Dingen ihre <hi rendition="#aq">inclinationes</hi> und <hi rendition="#aq">temperamente</hi> bekannt<lb/> machen, alsdenn kan ich mich <hi rendition="#aq">inſinui</hi>ren, und meine <hi rendition="#aq">fortune</hi> machen.<lb/> Daher koͤmmts, daß man nicht bey allen Herren ſein <hi rendition="#aq">fortune</hi> machen<lb/> kan; An einem Orte wird man abgewieſen, und an einem andern an-<lb/> genommen. Hieraus iſt leicht zu begreiffen, wie groſſer Herren Gna-<lb/> de zu gewinnen, oder auch zu verliehren. Anders muſt du beſchaffen<lb/> ſeyn, <hi rendition="#aq">ſi principem habeas cholericum,</hi> anders <hi rendition="#aq">ſi habeas ſanguineum,</hi> an-<lb/> ders <hi rendition="#aq">ſi melancholicum.</hi> Hier kan ich ohnmoͤglich alle <hi rendition="#aq">qualit</hi>aͤten beſchrei-<lb/> ben, die bey dem <hi rendition="#aq">Principe cholerico</hi> vorkommen. Aus der <hi rendition="#aq">moral</hi> iſt be-<lb/> kannt, wie ein <hi rendition="#aq">ambitioſus</hi> beſchaffen; Ein <hi rendition="#aq">ambitioſus</hi> iſt ohne Furcht;<lb/> Dergleichen <hi rendition="#aq">Principes</hi> ſind alſo <hi rendition="#aq">elati, iracundi,</hi> laſſen ſich nicht gerne<lb/><hi rendition="#aq">contradici</hi>ren, wie <hi rendition="#aq">Carl Guſtav</hi> beſchaffen war. <hi rendition="#aq">Tiberius</hi> konnte ſich auch<lb/> nicht laſſen <hi rendition="#aq">contradici</hi>ren. <hi rendition="#aq">Carolus V.</hi> hergegen konnte leiden, daß man<lb/> ihm alles ſagte: Wer alſo einen <hi rendition="#aq">Principem ambitioſum</hi> hat, der muß<lb/><hi rendition="#aq">obedientiſſimus</hi> ſeyn, alles <hi rendition="#aq">accurat</hi> in acht nehmen; man muß nicht den-<lb/> cken, wenn ſie einmahl boͤſe, ſie den Zorn werden behalten, ſondern ſie<lb/> ſind bald wieder gut, und muß man dencken, es ſey ein <hi rendition="#aq">comma,</hi> oder<lb/><hi rendition="#aq">ſemicolon.</hi> Wenn man mit <hi rendition="#aq">Principibus ſanguineis</hi> zu thun hat, denen<lb/> gefallen <hi rendition="#aq">auſtere</hi> Leute nicht, <hi rendition="#aq">melancholi</hi>ſche Geſichter koͤnnen ſie nicht lei-<lb/> den, ſondern ſuchen Perſonen, die allerhand <hi rendition="#aq">railleri</hi>en machen, viele <hi rendition="#aq">in-<lb/> ventiones</hi> angeben zum <hi rendition="#aq">plaiſir.</hi> Bey ſolchen Herren gelten die <hi rendition="#aq">Dames,</hi><lb/> und kan man durch die <hi rendition="#aq">Dames</hi> ſo gut <hi rendition="#aq">reuſſi</hi>ren, als durch die <hi rendition="#aq">Miniſtres</hi> ſelb-<lb/> ſten. So war <hi rendition="#aq">Louis XIV.</hi> beſchaffen, bey welchen <hi rendition="#aq">voluptas dominans</hi><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Q q q 3</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">paſſio</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [493/0513]
De prudentia aulica.
was affectirt iſt, iſt gezwungen, was gezwungen iſt, iſt uns zuwider,
machet uns Muͤhe und Arbeit. Wer ſich aber zum Hof-Leben ſchickt,
muß ſich recht kennen lernen, was er vor defauts habe. In der moral
werden Mittel gewieſen, deßwegen einer nicht kan in Politicis fort kom-
men, es ſey denn, daß einer die moral verſtehet. Etliche Narren halten nichts
auf die doctrin de temperamentis; aber ich bin verſichert, daß ſie nicht
de nihilo; daß aber nicht alles eintrifft, in judicando, ſchadet nichts.
Die Regul kan gut ſeyn, und die application wird nicht recht gemacht.
Einige Stuͤcke bey denen temperamenten kommen freylich auf conjectu-
ren an, aber das meiſte kan demonſtriret werden.
§. 26-31. Gleichwie die Menſchen nicht von einerley tempera-
ment, ſondern ſo viel ſubjecta da ſind, ſo viel neue obſervationes giebt es;
Alſo kan man auch bey denen Menſchen nicht ſagen, wie bey dem Fuchs,
wer einen Fuchs kennet, lernet ſie alle kennen. Wer einen hominem
ambitioſum kennet, kennet deßwegen nicht alle. Es ſind differente mu-
tationes vorhanden, ſo ſind auch die Fuͤrſten unterſchieden, und muß man
ſich vor allen Dingen ihre inclinationes und temperamente bekannt
machen, alsdenn kan ich mich inſinuiren, und meine fortune machen.
Daher koͤmmts, daß man nicht bey allen Herren ſein fortune machen
kan; An einem Orte wird man abgewieſen, und an einem andern an-
genommen. Hieraus iſt leicht zu begreiffen, wie groſſer Herren Gna-
de zu gewinnen, oder auch zu verliehren. Anders muſt du beſchaffen
ſeyn, ſi principem habeas cholericum, anders ſi habeas ſanguineum, an-
ders ſi melancholicum. Hier kan ich ohnmoͤglich alle qualitaͤten beſchrei-
ben, die bey dem Principe cholerico vorkommen. Aus der moral iſt be-
kannt, wie ein ambitioſus beſchaffen; Ein ambitioſus iſt ohne Furcht;
Dergleichen Principes ſind alſo elati, iracundi, laſſen ſich nicht gerne
contradiciren, wie Carl Guſtav beſchaffen war. Tiberius konnte ſich auch
nicht laſſen contradiciren. Carolus V. hergegen konnte leiden, daß man
ihm alles ſagte: Wer alſo einen Principem ambitioſum hat, der muß
obedientiſſimus ſeyn, alles accurat in acht nehmen; man muß nicht den-
cken, wenn ſie einmahl boͤſe, ſie den Zorn werden behalten, ſondern ſie
ſind bald wieder gut, und muß man dencken, es ſey ein comma, oder
ſemicolon. Wenn man mit Principibus ſanguineis zu thun hat, denen
gefallen auſtere Leute nicht, melancholiſche Geſichter koͤnnen ſie nicht lei-
den, ſondern ſuchen Perſonen, die allerhand raillerien machen, viele in-
ventiones angeben zum plaiſir. Bey ſolchen Herren gelten die Dames,
und kan man durch die Dames ſo gut reuſſiren, als durch die Miniſtres ſelb-
ſten. So war Louis XIV. beſchaffen, bey welchen voluptas dominans
paſſio
Von Erkaͤnnt-
niß menſchli-
cher Gemuͤ-
ther.
Q q q 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |