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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V.
als decorum, nicht, als wenn ich glaubte, das decorum sey mehr als vir-
tus, virtus
ist das principalste; Aber es macht manchmahl einer sein for-
tune,
der keine Tugend hat; nur grace, da weiß er sich zu insinuiren.
Hergegen, wenn einer grosse Tugend hat, es mangelt ihm aber sonst et-
was, er ist sordide, hat keinen rechten Gang, so avancirt er nicht.

§. 24. Quaer. Ob man solle adulari? Man hält dafür, daß ei-
ner nicht könne a la Cour seyn, er müste schmeicheln, wer aber eine seve-
ram philosophiam moralem
hat, der meynt, es gehe nicht an. Es kan
freylich einer sein Glück machen, wenn er schmeichelt; Aber grosse Her-
ren sind unglücklich, daß sie die Wahrheit nicht erfahren. Wenn einer
so geschmeichelt, daß er seinen Herrn in denen vitiis und scandalis suchet
zu confirmiren, da wird ein jeder sagen, das sey was malhonnettes; in-
dem ich dadurch dem Herrn zu mehrern Bösen Gelegenheit gegeben.
Es hat auch Hier. Osorius de institutione Principis eine unvergleichliche
passage wider adulatores beygebracht; Allein bisweilen kan es nicht an-
ders seyn, es muß einer erst thun, als wenn er die Sache approbirte, das
kan kein Mensch mißbilligen. Ich kan nicht so gleich heraus sagen, wie
Johannes beym Herode oder Nathan beym David gethan; ich kan
nicht so gleich heraus sagen, das schickt sich nicht, sondern ich muß auf
Gelegenheit warten, da ich den Herrn besser informiren kan: Thuts ei-
ner nicht, sondern sagt dem Herrn ins Gesicht, der ist ein Enthusiast.
Wenn ich den Herrn erst kan mit rationibus gewinnen, so kan ich her-
nach sagen, ich habe vor diesen schon die Gedancken gehabt, aber nicht
Gelegenheit solches beyzubringen. Dicis: Ich dächte, wer sich auf GOtt
verliese, könnte alles frey heraus sagen? Respond. Das sind Enthusiasten.
Eben, als wenn einer sagen wollte, ich will übers Wasser gehen, und
mich auf GOtt verlassen, GOtt wird dir jetzt gleich immediate beyste-
hen. Bisweilen sind Herren, welche unvergleichlich leiden können, wenn
man ihnen die Wahrheit saget. Carolus V. konnte es leiden; Carolus
VIII.
konnte leiden, daß ihn der Poet Ronsard so raillirte, alsdenn ists
admirable, und kan man es dem Herrn gleich sagen. Hergegen die Kö-
nigin Elisabeth, so gescheut, als sie war, konnte doch nicht leiden, daß man
gleich alles so frey heraus sagte. Auch ein Conseiller, braucht eine gros-
Von Hof-
Schmeicheley-
en.
se Kunst, seinen Rath zu geben.

§. 25. Es gehören also grosse qualitäten darzu, wenn einer will
nach Hofe gehen. Deßwegen sich einer wohl prüfen muß. Es gehöret
ein guter Leib, proportionirte Kleider darzu, wer solche nicht hat, der
employre sich anderwärts. Das Hof-Leben gefället einem anfangs sehr
wohl, auf die letzt aber wirds verdrießlich; denn es ist ein affectirt Leben,

was

Cap. V.
als decorum, nicht, als wenn ich glaubte, das decorum ſey mehr als vir-
tus, virtus
iſt das principalſte; Aber es macht manchmahl einer ſein for-
tune,
der keine Tugend hat; nur grace, da weiß er ſich zu inſinuiren.
Hergegen, wenn einer groſſe Tugend hat, es mangelt ihm aber ſonſt et-
was, er iſt ſordide, hat keinen rechten Gang, ſo avancirt er nicht.

§. 24. Quær. Ob man ſolle adulari? Man haͤlt dafuͤr, daß ei-
ner nicht koͤnne a la Cour ſeyn, er muͤſte ſchmeicheln, wer aber eine ſeve-
ram philoſophiam moralem
hat, der meynt, es gehe nicht an. Es kan
freylich einer ſein Gluͤck machen, wenn er ſchmeichelt; Aber groſſe Her-
ren ſind ungluͤcklich, daß ſie die Wahrheit nicht erfahren. Wenn einer
ſo geſchmeichelt, daß er ſeinen Herrn in denen vitiis und ſcandalis ſuchet
zu confirmiren, da wird ein jeder ſagen, das ſey was malhonnettes; in-
dem ich dadurch dem Herrn zu mehrern Boͤſen Gelegenheit gegeben.
Es hat auch Hier. Oſorius de inſtitutione Principis eine unvergleichliche
paſſage wider adulatores beygebracht; Allein bisweilen kan es nicht an-
ders ſeyn, es muß einer erſt thun, als wenn er die Sache approbirte, das
kan kein Menſch mißbilligen. Ich kan nicht ſo gleich heraus ſagen, wie
Johannes beym Herode oder Nathan beym David gethan; ich kan
nicht ſo gleich heraus ſagen, das ſchickt ſich nicht, ſondern ich muß auf
Gelegenheit warten, da ich den Herrn beſſer informiren kan: Thuts ei-
ner nicht, ſondern ſagt dem Herrn ins Geſicht, der iſt ein Enthuſiaſt.
Wenn ich den Herrn erſt kan mit rationibus gewinnen, ſo kan ich her-
nach ſagen, ich habe vor dieſen ſchon die Gedancken gehabt, aber nicht
Gelegenheit ſolches beyzubringen. Dicis: Ich daͤchte, wer ſich auf GOtt
verlieſe, koͤnnte alles frey heraus ſagen? Reſpond. Das ſind Enthuſiaſten.
Eben, als wenn einer ſagen wollte, ich will uͤbers Waſſer gehen, und
mich auf GOtt verlaſſen, GOtt wird dir jetzt gleich immediate beyſte-
hen. Bisweilen ſind Herren, welche unvergleichlich leiden koͤnnen, wenn
man ihnen die Wahrheit ſaget. Carolus V. konnte es leiden; Carolus
VIII.
konnte leiden, daß ihn der Poet Ronſard ſo raillirte, alsdenn iſts
admirable, und kan man es dem Herrn gleich ſagen. Hergegen die Koͤ-
nigin Eliſabeth, ſo geſcheut, als ſie war, konnte doch nicht leiden, daß man
gleich alles ſo frey heraus ſagte. Auch ein Conſeiller, braucht eine groſ-
Von Hof-
Schmeicheley-
en.
ſe Kunſt, ſeinen Rath zu geben.

§. 25. Es gehoͤren alſo groſſe qualitaͤten darzu, wenn einer will
nach Hofe gehen. Deßwegen ſich einer wohl pruͤfen muß. Es gehoͤret
ein guter Leib, proportionirte Kleider darzu, wer ſolche nicht hat, der
employre ſich anderwaͤrts. Das Hof-Leben gefaͤllet einem anfangs ſehr
wohl, auf die letzt aber wirds verdrießlich; denn es iſt ein affectirt Leben,

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[492/0512] Cap. V. als decorum, nicht, als wenn ich glaubte, das decorum ſey mehr als vir- tus, virtus iſt das principalſte; Aber es macht manchmahl einer ſein for- tune, der keine Tugend hat; nur grace, da weiß er ſich zu inſinuiren. Hergegen, wenn einer groſſe Tugend hat, es mangelt ihm aber ſonſt et- was, er iſt ſordide, hat keinen rechten Gang, ſo avancirt er nicht. §. 24. Quær. Ob man ſolle adulari? Man haͤlt dafuͤr, daß ei- ner nicht koͤnne a la Cour ſeyn, er muͤſte ſchmeicheln, wer aber eine ſeve- ram philoſophiam moralem hat, der meynt, es gehe nicht an. Es kan freylich einer ſein Gluͤck machen, wenn er ſchmeichelt; Aber groſſe Her- ren ſind ungluͤcklich, daß ſie die Wahrheit nicht erfahren. Wenn einer ſo geſchmeichelt, daß er ſeinen Herrn in denen vitiis und ſcandalis ſuchet zu confirmiren, da wird ein jeder ſagen, das ſey was malhonnettes; in- dem ich dadurch dem Herrn zu mehrern Boͤſen Gelegenheit gegeben. Es hat auch Hier. Oſorius de inſtitutione Principis eine unvergleichliche paſſage wider adulatores beygebracht; Allein bisweilen kan es nicht an- ders ſeyn, es muß einer erſt thun, als wenn er die Sache approbirte, das kan kein Menſch mißbilligen. Ich kan nicht ſo gleich heraus ſagen, wie Johannes beym Herode oder Nathan beym David gethan; ich kan nicht ſo gleich heraus ſagen, das ſchickt ſich nicht, ſondern ich muß auf Gelegenheit warten, da ich den Herrn beſſer informiren kan: Thuts ei- ner nicht, ſondern ſagt dem Herrn ins Geſicht, der iſt ein Enthuſiaſt. Wenn ich den Herrn erſt kan mit rationibus gewinnen, ſo kan ich her- nach ſagen, ich habe vor dieſen ſchon die Gedancken gehabt, aber nicht Gelegenheit ſolches beyzubringen. Dicis: Ich daͤchte, wer ſich auf GOtt verlieſe, koͤnnte alles frey heraus ſagen? Reſpond. Das ſind Enthuſiaſten. Eben, als wenn einer ſagen wollte, ich will uͤbers Waſſer gehen, und mich auf GOtt verlaſſen, GOtt wird dir jetzt gleich immediate beyſte- hen. Bisweilen ſind Herren, welche unvergleichlich leiden koͤnnen, wenn man ihnen die Wahrheit ſaget. Carolus V. konnte es leiden; Carolus VIII. konnte leiden, daß ihn der Poet Ronſard ſo raillirte, alsdenn iſts admirable, und kan man es dem Herrn gleich ſagen. Hergegen die Koͤ- nigin Eliſabeth, ſo geſcheut, als ſie war, konnte doch nicht leiden, daß man gleich alles ſo frey heraus ſagte. Auch ein Conſeiller, braucht eine groſ- ſe Kunſt, ſeinen Rath zu geben. Von Hof- Schmeicheley- en. §. 25. Es gehoͤren alſo groſſe qualitaͤten darzu, wenn einer will nach Hofe gehen. Deßwegen ſich einer wohl pruͤfen muß. Es gehoͤret ein guter Leib, proportionirte Kleider darzu, wer ſolche nicht hat, der employre ſich anderwaͤrts. Das Hof-Leben gefaͤllet einem anfangs ſehr wohl, auf die letzt aber wirds verdrießlich; denn es iſt ein affectirt Leben, was

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/512>, abgerufen am 21.11.2024.