Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.De prudentia aulica. andern will zuvor kommen. Wenn man den Gracian in seinen casibusillustribus lieset, wird man finden, daß die meisten gefallen, entweder durch Geitz, oder durch eine eclatante Rache, welche sie ausüben wol- len. Magnus de la Gardie, war ein unvergleichlicher Herr, der sich eingebildet, die Königin Christina würde ihn heyrathen, sie war ihm auch sehr günstig, aber er ist gefallen, calumnia malitia. Die Königin selbst hat ihn prostituirt, er hatte den Schlippenbach bey der Königin eingehauen, und die Königin hats besser gewust, da befahl sie ihm gleich, er sollte weg gehen, und Schlippenbach hat ihn noch darzu heraus gefordert. Bey Hofe muß man die Wahrheit reden, sed nemini nocere; Wenns auch gleich mein Feind ist, da sammle ich feurige Kohlen auf sein Haupt, und gewinne ihn wieder, ob ich ihm gleich nicht sonderlich trauen darff. Hingegen einem Calumnianten ist nicht nur jederman feind, sondern er bestehet auch nicht. §. 20. 21. Simulatio und dissimulatio, wird in Teutscher Sprache ge- cro- Q q q
De prudentia aulica. andern will zuvor kommen. Wenn man den Gracian in ſeinen caſibusilluſtribus lieſet, wird man finden, daß die meiſten gefallen, entweder durch Geitz, oder durch eine eclatante Rache, welche ſie ausuͤben wol- len. Magnus de la Gardie, war ein unvergleichlicher Herr, der ſich eingebildet, die Koͤnigin Chriſtina wuͤrde ihn heyrathen, ſie war ihm auch ſehr guͤnſtig, aber er iſt gefallen, calumnia malitia. Die Koͤnigin ſelbſt hat ihn proſtituirt, er hatte den Schlippenbach bey der Koͤnigin eingehauen, und die Koͤnigin hats beſſer gewuſt, da befahl ſie ihm gleich, er ſollte weg gehen, und Schlippenbach hat ihn noch darzu heraus gefordert. Bey Hofe muß man die Wahrheit reden, ſed nemini nocere; Wenns auch gleich mein Feind iſt, da ſammle ich feurige Kohlen auf ſein Haupt, und gewinne ihn wieder, ob ich ihm gleich nicht ſonderlich trauen darff. Hingegen einem Calumnianten iſt nicht nur jederman feind, ſondern er beſtehet auch nicht. §. 20. 21. Simulatio und diſſimulatio, wird in Teutſcher Sprache ge- cro- Q q q
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0509" n="489"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">De prudentia aulica.</hi></fw><lb/> andern will zuvor kommen. Wenn man den <hi rendition="#aq">Gracian</hi> in ſeinen <hi rendition="#aq">caſibus<lb/> illuſtribus</hi> lieſet, wird man finden, daß die meiſten gefallen, entweder<lb/> durch Geitz, oder durch eine <hi rendition="#aq">eclatante</hi> Rache, welche ſie ausuͤben wol-<lb/> len. <hi rendition="#aq">Magnus de la Gardie,</hi> war ein unvergleichlicher Herr, der ſich<lb/> eingebildet, die Koͤnigin <hi rendition="#aq">Chriſtina</hi> wuͤrde ihn heyrathen, ſie war ihm auch<lb/> ſehr guͤnſtig, aber er iſt gefallen, <hi rendition="#aq">calumnia malitia.</hi> Die Koͤnigin ſelbſt<lb/> hat ihn <hi rendition="#aq">proſtitui</hi>rt, er hatte den <hi rendition="#aq">Schlippenbach</hi> bey der Koͤnigin eingehauen,<lb/> und die Koͤnigin hats beſſer gewuſt, da befahl ſie ihm gleich, er ſollte weg<lb/> gehen, und <hi rendition="#aq">Schlippenbach</hi> hat ihn noch darzu heraus gefordert. Bey Hofe<lb/> muß man die Wahrheit reden, <hi rendition="#aq">ſed nemini nocere;</hi> Wenns auch gleich<lb/> mein Feind iſt, da ſammle ich feurige Kohlen auf ſein Haupt, und gewinne<lb/> ihn wieder, ob ich ihm gleich nicht ſonderlich trauen darff. Hingegen einem<lb/><hi rendition="#aq">Calumniant</hi>en iſt nicht nur jederman feind, ſondern er beſtehet auch nicht.</p><lb/> <p>§. 20. 21. <hi rendition="#aq">Simulatio</hi> und <hi rendition="#aq">diſſimulatio,</hi> wird in Teutſcher Sprache ge-<lb/> nennet eine politiſche Heucheley, weil es nun mit einem <hi rendition="#aq">odiöſ</hi>en Nahmen<note place="right">Vom <hi rendition="#aq">Simuli-</hi><lb/> ren und <hi rendition="#aq">Diſſi-<lb/> muli</hi>ren.</note><lb/> beleget worden, ſo hat mancher einen Abſcheu davor, wie vor dem <hi rendition="#aq">falſilo-<lb/> quio.</hi> Die Wahrheit zu ſagen, die Menſchen ſind einmahl ſo beſchaffen,<lb/> daß einer nicht allezeit ſagen kan, was er im Hertzen denckt, und waͤre freylich<lb/> zu wuͤnſchen, daß wir nicht allezeit andere <hi rendition="#aq">facta</hi> brauchen duͤrfften. Denn<lb/><hi rendition="#aq">ſimulatio</hi> und <hi rendition="#aq">diſſimulatio</hi> beſtehet mehr <hi rendition="#aq">in factis;</hi> aber wir haben mit Fein-<lb/> den, mit boͤſen Leuten zu thun, da duͤrffen wir nicht alles reden. Wenn ich<lb/> auch einen Menſchen hoͤre, der alles ſo heraus redet, ſo dencke ich, es ſey wohl<lb/> gut, ſchicke ſich aber nur unter die Engel. In der Welt iſt bald hier bald da<lb/> einer, der aus denen Worten Gifft ſauget, & <hi rendition="#aq">tibi inſidias ſtruit;</hi> daher du<lb/> bisweilen ein <hi rendition="#aq">falſiloquium</hi> brauchen muſt. Ich bin auch nicht ſchuldig,<lb/> allezeit die Wahrheit zu ſagen; Es iſt zwar verbothen, ein falſches Zeug-<lb/> niß zu geben wider ſeinen Naͤchſten, und wuͤrde auch derjenige <hi rendition="#aq">inanis</hi><lb/> ſeyn, welcher beſtaͤndig wollte <hi rendition="#aq">falſa loqui.</hi> Aber wenn ers thut wegen<lb/> ſeiner Feinde, ſo thut es nichts. Der <hi rendition="#aq">Autor</hi> hat ſolches auch in ſeiner<lb/><hi rendition="#aq">Theologia morali defendi</hi>rt. Wenn ich gegen meinen Freund <hi rendition="#aq">ſimuli</hi>re<lb/> und <hi rendition="#aq">diſſimuli</hi>re, das iſt <hi rendition="#aq">abſurd:</hi> denn ich <hi rendition="#aq">tracti</hi>re ihn als meinen Feind;<lb/> Habe ich aber einen Feind vor mir, warum ſoll ich dieſem aber die Wahr-<lb/> heit ſagen? <hi rendition="#aq">Erasmus</hi> hat auch geſagt, man ſollte nicht <hi rendition="#aq">falſum loqui,</hi> und<lb/> da Ulrich von <hi rendition="#aq">Hutten</hi> Geld von ihm borgen wollte, hat er geſagt: Er<lb/> habe kein Geld, da ihm nachgehends einer <hi rendition="#aq">obiici</hi>ret, er habe ja Geld,<lb/> antwortete er, er habe wohl Geld, aber nicht vor Ulrich von <hi rendition="#aq">Hutten.</hi><lb/> Die alſo das <hi rendition="#aq">ſimuli</hi>ren und <hi rendition="#aq">diſſimuli</hi>ren verworffen, fallen auf ſolche <hi rendition="#aq">ſot-<lb/> tiſ</hi>en, deßwegen ſagt <hi rendition="#aq">Grotius</hi> und unſer <hi rendition="#aq">Autor:</hi> Man ſolle es lieber her-<lb/> aus ſagen. Wer beſtaͤndig <hi rendition="#aq">ſimuli</hi>rt und <hi rendition="#aq">diſſimuli</hi>rt, verliehret ſeinen<lb/> <fw place="bottom" type="sig">Q q q</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">cro-</hi></fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [489/0509]
De prudentia aulica.
andern will zuvor kommen. Wenn man den Gracian in ſeinen caſibus
illuſtribus lieſet, wird man finden, daß die meiſten gefallen, entweder
durch Geitz, oder durch eine eclatante Rache, welche ſie ausuͤben wol-
len. Magnus de la Gardie, war ein unvergleichlicher Herr, der ſich
eingebildet, die Koͤnigin Chriſtina wuͤrde ihn heyrathen, ſie war ihm auch
ſehr guͤnſtig, aber er iſt gefallen, calumnia malitia. Die Koͤnigin ſelbſt
hat ihn proſtituirt, er hatte den Schlippenbach bey der Koͤnigin eingehauen,
und die Koͤnigin hats beſſer gewuſt, da befahl ſie ihm gleich, er ſollte weg
gehen, und Schlippenbach hat ihn noch darzu heraus gefordert. Bey Hofe
muß man die Wahrheit reden, ſed nemini nocere; Wenns auch gleich
mein Feind iſt, da ſammle ich feurige Kohlen auf ſein Haupt, und gewinne
ihn wieder, ob ich ihm gleich nicht ſonderlich trauen darff. Hingegen einem
Calumnianten iſt nicht nur jederman feind, ſondern er beſtehet auch nicht.
§. 20. 21. Simulatio und diſſimulatio, wird in Teutſcher Sprache ge-
nennet eine politiſche Heucheley, weil es nun mit einem odiöſen Nahmen
beleget worden, ſo hat mancher einen Abſcheu davor, wie vor dem falſilo-
quio. Die Wahrheit zu ſagen, die Menſchen ſind einmahl ſo beſchaffen,
daß einer nicht allezeit ſagen kan, was er im Hertzen denckt, und waͤre freylich
zu wuͤnſchen, daß wir nicht allezeit andere facta brauchen duͤrfften. Denn
ſimulatio und diſſimulatio beſtehet mehr in factis; aber wir haben mit Fein-
den, mit boͤſen Leuten zu thun, da duͤrffen wir nicht alles reden. Wenn ich
auch einen Menſchen hoͤre, der alles ſo heraus redet, ſo dencke ich, es ſey wohl
gut, ſchicke ſich aber nur unter die Engel. In der Welt iſt bald hier bald da
einer, der aus denen Worten Gifft ſauget, & tibi inſidias ſtruit; daher du
bisweilen ein falſiloquium brauchen muſt. Ich bin auch nicht ſchuldig,
allezeit die Wahrheit zu ſagen; Es iſt zwar verbothen, ein falſches Zeug-
niß zu geben wider ſeinen Naͤchſten, und wuͤrde auch derjenige inanis
ſeyn, welcher beſtaͤndig wollte falſa loqui. Aber wenn ers thut wegen
ſeiner Feinde, ſo thut es nichts. Der Autor hat ſolches auch in ſeiner
Theologia morali defendirt. Wenn ich gegen meinen Freund ſimulire
und diſſimulire, das iſt abſurd: denn ich tractire ihn als meinen Feind;
Habe ich aber einen Feind vor mir, warum ſoll ich dieſem aber die Wahr-
heit ſagen? Erasmus hat auch geſagt, man ſollte nicht falſum loqui, und
da Ulrich von Hutten Geld von ihm borgen wollte, hat er geſagt: Er
habe kein Geld, da ihm nachgehends einer obiiciret, er habe ja Geld,
antwortete er, er habe wohl Geld, aber nicht vor Ulrich von Hutten.
Die alſo das ſimuliren und diſſimuliren verworffen, fallen auf ſolche ſot-
tiſen, deßwegen ſagt Grotius und unſer Autor: Man ſolle es lieber her-
aus ſagen. Wer beſtaͤndig ſimulirt und diſſimulirt, verliehret ſeinen
cro-
Vom Simuli-
ren und Diſſi-
muliren.
Q q q
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |