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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa bellum & pacem.
bravoure? Einige haben gemeynet: Die finesse sey überall nöthig, und
haben auch raisons beygebracht, sie haben auch des Hannibals und an-
derer berühmten Officiers actiones angeführet. Richelieu aber hielt da-
vor, ein mediocrer Verstand und grosse bravoure sey besser, als das
gröste raffinement. Ich bin auch der Meynung des Richelieu, welche
man mit e inem sensiblen Exempel erläutern kan. Es ist bekannt, daß
der Hertzog Bernhard von Weymar, ein apanagirter Herr, grosse Tha-
ten gethan. Diesen hat der Richelieu im Kopf gehabt. Er sagt, der
Hertzog von Rohan wäre ein guter General gewesen, der ein grosses
raffinement gehabt, und auch viele Bücher geschrieben, aber im Kriege
könne man nicht alles abmessen. Es komme viel auf einen hazard an;
Da würde einer, der viel dubia machte, nicht viel Thaten thun. So
lange es glücklich gehet, ist ein solcher General gut. Aber ich lobe mir
einen Bernhard. Wie die Schlacht bey Rheinfelden verlohren gieng,
und alle lauffen musten, so würde sich da ein Montecuculi nimmermehr
recolligiret haben, sondern es wäre alles verlohren gewesen. Aber
Bernhard sagte: Meine meisten Trouppen sind salviret, sie werden nicht
dencken, daß wir werden zurück kommen; Wir sind so ruiniret; laßt
uns was hazardiren, was soll es gelten, wir treffen sie in confusion an,
omnes hoc consilium approbarunt, sie giengen zurück, so geschwind als
es geschehen konnte, da es sich die Kayserlichen am wenigsten versahen,
attaquirten sie; Die Generals waren nicht zu Pferde, schlugen die Kay-
serliche Armee und bekamen alle Generals gefangen. Diese affaire hat
die Frantzosen in guten Stand gebracht, daß sie einen offnen Weg be-
kamen in Teutschland einzubrechen. Bernhard hatte grosse Bravoure,
aber einen mediocren Verstand, und würde ein anderer dieses nicht ha-
zardi
ret haben. Also sagte Richelieu: Raffinement sey wohl im grossen
Glück gut, aber in Unglück ziehe er vor einen mediocren esprit und eine
bravoure sine exemplo. Alle haben gesunden, daß, obgleich Richelieu
ein Pfaff gewesen, doch eine raison in der Response stecke. Wer ein
General seyn will, muß autorität und aliquid gloriae in der Welt erlan-
get haben. In Franckreich hat man die facon, daß, wenn einer vier
Städte eingenommen, oder zwey bataillen gewonnen, so wird er Mar-
schal de France;
welches bis diese Stunde noch mainteniret wird. Der
König in Franckreich saget: Keiner könne Marschal seyn, welcher
nicht Thaten gestifftet, und famam apud hostes habe. Sein Leb-Tage
ist kein Ingenieur Marchal de France worden, weil seine Thaten nicht
gesehen worden, ausgenommen der Vauban wurde es, weil er wohl hun-
dert Städte zu Franckreich gebracht. P. Daniel saget: Er meritirte

wohl
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ſtatus circa bellum & pacem.
bravoure? Einige haben gemeynet: Die fineſſe ſey uͤberall noͤthig, und
haben auch raiſons beygebracht, ſie haben auch des Hannibals und an-
derer beruͤhmten Officiers actiones angefuͤhret. Richelieu aber hielt da-
vor, ein mediocrer Verſtand und groſſe bravoure ſey beſſer, als das
groͤſte raffinement. Ich bin auch der Meynung des Richelieu, welche
man mit e inem ſenſiblen Exempel erlaͤutern kan. Es iſt bekannt, daß
der Hertzog Bernhard von Weymar, ein apanagirter Herr, groſſe Tha-
ten gethan. Dieſen hat der Richelieu im Kopf gehabt. Er ſagt, der
Hertzog von Rohan waͤre ein guter General geweſen, der ein groſſes
raffinement gehabt, und auch viele Buͤcher geſchrieben, aber im Kriege
koͤnne man nicht alles abmeſſen. Es komme viel auf einen hazard an;
Da wuͤrde einer, der viel dubia machte, nicht viel Thaten thun. So
lange es gluͤcklich gehet, iſt ein ſolcher General gut. Aber ich lobe mir
einen Bernhard. Wie die Schlacht bey Rheinfelden verlohren gieng,
und alle lauffen muſten, ſo wuͤrde ſich da ein Montecuculi nimmermehr
recolligiret haben, ſondern es waͤre alles verlohren geweſen. Aber
Bernhard ſagte: Meine meiſten Trouppen ſind ſalviret, ſie werden nicht
dencken, daß wir werden zuruͤck kommen; Wir ſind ſo ruiniret; laßt
uns was hazardiren, was ſoll es gelten, wir treffen ſie in confuſion an,
omnes hoc conſilium approbarunt, ſie giengen zuruͤck, ſo geſchwind als
es geſchehen konnte, da es ſich die Kayſerlichen am wenigſten verſahen,
attaquirten ſie; Die Generals waren nicht zu Pferde, ſchlugen die Kay-
ſerliche Armee und bekamen alle Generals gefangen. Dieſe affaire hat
die Frantzoſen in guten Stand gebracht, daß ſie einen offnen Weg be-
kamen in Teutſchland einzubrechen. Bernhard hatte groſſe Bravoure,
aber einen mediocren Verſtand, und wuͤrde ein anderer dieſes nicht ha-
zardi
ret haben. Alſo ſagte Richelieu: Raffinement ſey wohl im groſſen
Gluͤck gut, aber in Ungluͤck ziehe er vor einen mediocren eſprit und eine
bravoure ſine exemplo. Alle haben geſunden, daß, obgleich Richelieu
ein Pfaff geweſen, doch eine raiſon in der Reſponſe ſtecke. Wer ein
General ſeyn will, muß autoritaͤt und aliquid gloriæ in der Welt erlan-
get haben. In Franckreich hat man die façon, daß, wenn einer vier
Staͤdte eingenommen, oder zwey bataillen gewonnen, ſo wird er Mar-
ſchal de France;
welches bis dieſe Stunde noch mainteniret wird. Der
Koͤnig in Franckreich ſaget: Keiner koͤnne Marſchal ſeyn, welcher
nicht Thaten geſtifftet, und famam apud hoſtes habe. Sein Leb-Tage
iſt kein Ingenieur Marchal de France worden, weil ſeine Thaten nicht
geſehen worden, ausgenommen der Vauban wurde es, weil er wohl hun-
dert Staͤdte zu Franckreich gebracht. P. Daniel ſaget: Er meritirte

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[413/0433] ſtatus circa bellum & pacem. bravoure? Einige haben gemeynet: Die fineſſe ſey uͤberall noͤthig, und haben auch raiſons beygebracht, ſie haben auch des Hannibals und an- derer beruͤhmten Officiers actiones angefuͤhret. Richelieu aber hielt da- vor, ein mediocrer Verſtand und groſſe bravoure ſey beſſer, als das groͤſte raffinement. Ich bin auch der Meynung des Richelieu, welche man mit e inem ſenſiblen Exempel erlaͤutern kan. Es iſt bekannt, daß der Hertzog Bernhard von Weymar, ein apanagirter Herr, groſſe Tha- ten gethan. Dieſen hat der Richelieu im Kopf gehabt. Er ſagt, der Hertzog von Rohan waͤre ein guter General geweſen, der ein groſſes raffinement gehabt, und auch viele Buͤcher geſchrieben, aber im Kriege koͤnne man nicht alles abmeſſen. Es komme viel auf einen hazard an; Da wuͤrde einer, der viel dubia machte, nicht viel Thaten thun. So lange es gluͤcklich gehet, iſt ein ſolcher General gut. Aber ich lobe mir einen Bernhard. Wie die Schlacht bey Rheinfelden verlohren gieng, und alle lauffen muſten, ſo wuͤrde ſich da ein Montecuculi nimmermehr recolligiret haben, ſondern es waͤre alles verlohren geweſen. Aber Bernhard ſagte: Meine meiſten Trouppen ſind ſalviret, ſie werden nicht dencken, daß wir werden zuruͤck kommen; Wir ſind ſo ruiniret; laßt uns was hazardiren, was ſoll es gelten, wir treffen ſie in confuſion an, omnes hoc conſilium approbarunt, ſie giengen zuruͤck, ſo geſchwind als es geſchehen konnte, da es ſich die Kayſerlichen am wenigſten verſahen, attaquirten ſie; Die Generals waren nicht zu Pferde, ſchlugen die Kay- ſerliche Armee und bekamen alle Generals gefangen. Dieſe affaire hat die Frantzoſen in guten Stand gebracht, daß ſie einen offnen Weg be- kamen in Teutſchland einzubrechen. Bernhard hatte groſſe Bravoure, aber einen mediocren Verſtand, und wuͤrde ein anderer dieſes nicht ha- zardiret haben. Alſo ſagte Richelieu: Raffinement ſey wohl im groſſen Gluͤck gut, aber in Ungluͤck ziehe er vor einen mediocren eſprit und eine bravoure ſine exemplo. Alle haben geſunden, daß, obgleich Richelieu ein Pfaff geweſen, doch eine raiſon in der Reſponſe ſtecke. Wer ein General ſeyn will, muß autoritaͤt und aliquid gloriæ in der Welt erlan- get haben. In Franckreich hat man die façon, daß, wenn einer vier Staͤdte eingenommen, oder zwey bataillen gewonnen, ſo wird er Mar- ſchal de France; welches bis dieſe Stunde noch mainteniret wird. Der Koͤnig in Franckreich ſaget: Keiner koͤnne Marſchal ſeyn, welcher nicht Thaten geſtifftet, und famam apud hoſtes habe. Sein Leb-Tage iſt kein Ingenieur Marchal de France worden, weil ſeine Thaten nicht geſehen worden, ausgenommen der Vauban wurde es, weil er wohl hun- dert Staͤdte zu Franckreich gebracht. P. Daniel ſaget: Er meritirte wohl F f f 3

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 413. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/433>, abgerufen am 25.11.2024.