Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.& Indole prudentiae civilis. in praxi das contrarium: Denn sie sehen, daß es nicht zu evitiren ist.Wenn ein Fürst auf etwas absurdes fällt, so wird man nicht gleich so heraus sagen: Er müsse solches nicht thun; wer es so frey heraus saget, würde sich vielmehr Tort thun, und nichts ausrichten. Sondern er muß sehen auf die Gelegenheit und Zeit, und es mit Maniere beybringen. Wer das nicht thut, ist ein Enthusiast: Denn das ist ein Enthusiasmus Politicus, wenn man nicht will simuliren und dissimuliren, sondern alles gleich heraus sagen, da kommt einer in einen Zelum, welcher ihm und andern Menschen nichts nutzet; sondern vielmehr schädlich ist. Man kan nicht alles nach seinem Kopffe machen. Wir wissen freylich wohl, was recht und unrecht ist; aber wir haben homines potentes vor uns, bey welchen man nicht kan so heraus eyfern, es muß par addresse geschehen, sonst lachen sie uns aus. Wenn man sich also lernet in die Personen, und in die Zeit schicken, so ist das keine ars fallendi; aber Intriguen muß ei- ner nicht suchen dabey zu machen. Derjenige, der das tempo ab- passet, muß freylich auch morum elegantiam haben, und ist mo- rum elegantia eine conclusion, welche aus der Politic kommt, aber sie absolviret nicht prudentiam civilem. Mancher hat ein Exterieur, daß die Leute von ihm eine gute opinion bekommen; aber es fehlet ihm noch an der Secunda Petri. Derjenige, welcher nur das blosse exterieur hat, kan nicht besser als mit einem Buche verglichen werden, welches schön eingebunden ist, aber inwendig ist der Eulenspiegel. Die Kleider, die gestus können einen andern choquiren, daß er einen Eckel vor mir bekommt, alsdenn werde ich keine aestim, und keine Freundschafft erhal- ten. Omne ridiculum, omne taediosum removendum. Darum heist es: Si tu eris Romae, Romano vivito more. CHristus hat sich selbst geklei- det, wie die Juden gegangen. Derjenige ist ein stultus, welcher suchet neue Moden aufzubringen; der es aber nachmachet, wenn es andere thun, ist kein homo vanus. Separire ich mich in der Kleidung von andern Leuten, und will die Mode nicht mitmachen, so bleiben alle Leute stehen, und sehen mich an, ja zuletzt lauffen gar die Jungen hinter mich drein. Hertius hat in seinen Elementis prudentiae civilis noch mehrere aequivo- cationes. Er hat gewiesen, daß man bey denen Griechen die Huren poli- ticas genennet, von dem Griechischen Wort polus: denn die Huren sind von einer Stadt zur andern gereiset, ut corpore quaestum facerent. * Zu Zei- * In Corinth war eine schöne Hure, welche sich aber theuer bezahlen ließ, daher das Sprichwort entstanden: non cuivis licet adire Corinthum. Viele Theologi brauchen diese Redens-Art, wenn sie aber den Ursprung wüsten, würden sie es nicht mehr thun. C 3
& Indole prudentiæ civilis. in praxi das contrarium: Denn ſie ſehen, daß es nicht zu evitiren iſt.Wenn ein Fuͤrſt auf etwas abſurdes faͤllt, ſo wird man nicht gleich ſo heraus ſagen: Er muͤſſe ſolches nicht thun; wer es ſo frey heraus ſaget, wuͤrde ſich vielmehr Tort thun, und nichts ausrichten. Sondern er muß ſehen auf die Gelegenheit und Zeit, und es mit Maniere beybringen. Wer das nicht thut, iſt ein Enthuſiaſt: Denn das iſt ein Enthuſiaſmus Politicus, wenn man nicht will ſimuliren und diſſimuliren, ſondern alles gleich heraus ſagen, da kommt einer in einen Zelum, welcher ihm und andern Menſchen nichts nutzet; ſondern vielmehr ſchaͤdlich iſt. Man kan nicht alles nach ſeinem Kopffe machen. Wir wiſſen freylich wohl, was recht und unrecht iſt; aber wir haben homines potentes vor uns, bey welchen man nicht kan ſo heraus eyfern, es muß par addreſſe geſchehen, ſonſt lachen ſie uns aus. Wenn man ſich alſo lernet in die Perſonen, und in die Zeit ſchicken, ſo iſt das keine ars fallendi; aber Intriguen muß ei- ner nicht ſuchen dabey zu machen. Derjenige, der das tempo ab- paſſet, muß freylich auch morum elegantiam haben, und iſt mo- rum elegantia eine concluſion, welche aus der Politic kommt, aber ſie abſolviret nicht prudentiam civilem. Mancher hat ein Exterieur, daß die Leute von ihm eine gute opinion bekommen; aber es fehlet ihm noch an der Secunda Petri. Derjenige, welcher nur das bloſſe exterieur hat, kan nicht beſſer als mit einem Buche verglichen werden, welches ſchoͤn eingebunden iſt, aber inwendig iſt der Eulenſpiegel. Die Kleider, die geſtus koͤnnen einen andern choquiren, daß er einen Eckel vor mir bekommt, alsdenn werde ich keine æſtim, und keine Freundſchafft erhal- ten. Omne ridiculum, omne tædioſum removendum. Darum heiſt es: Si tu eris Romæ, Romano vivito more. CHriſtus hat ſich ſelbſt geklei- det, wie die Juden gegangen. Derjenige iſt ein ſtultus, welcher ſuchet neue Moden aufzubringen; der es aber nachmachet, wenn es andere thun, iſt kein homo vanus. Separire ich mich in der Kleidung von andern Leuten, und will die Mode nicht mitmachen, ſo bleiben alle Leute ſtehen, und ſehen mich an, ja zuletzt lauffen gar die Jungen hinter mich drein. Hertius hat in ſeinen Elementis prudentiæ civilis noch mehrere æquivo- cationes. Er hat gewieſen, daß man bey denen Griechen die Huren poli- ticas genennet, von dem Griechiſchen Wort πολύς: denn die Huren ſind von einer Stadt zur andern gereiſet, ut corpore quæſtum facerent. * Zu Zei- * In Corinth war eine ſchoͤne Hure, welche ſich aber theuer bezahlen ließ, daher das Sprichwort entſtanden: non cuivis licet adire Corinthum. Viele Theologi brauchen dieſe Redens-Art, wenn ſie aber den Urſprung wuͤſten, wuͤrden ſie es nicht mehr thun. C 3
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Wenn ein Fuͤrſt auf etwas abſurdes faͤllt, ſo wird man nicht gleich ſo
heraus ſagen: Er muͤſſe ſolches nicht thun; wer es ſo frey heraus ſaget,
wuͤrde ſich vielmehr Tort thun, und nichts ausrichten. Sondern er muß
ſehen auf die Gelegenheit und Zeit, und es mit Maniere beybringen.
Wer das nicht thut, iſt ein Enthuſiaſt: Denn das iſt ein Enthuſiaſmus
Politicus, wenn man nicht will ſimuliren und diſſimuliren, ſondern alles gleich
heraus ſagen, da kommt einer in einen Zelum, welcher ihm und andern
Menſchen nichts nutzet; ſondern vielmehr ſchaͤdlich iſt. Man kan nicht
alles nach ſeinem Kopffe machen. Wir wiſſen freylich wohl, was recht
und unrecht iſt; aber wir haben homines potentes vor uns, bey welchen
man nicht kan ſo heraus eyfern, es muß par addreſſe geſchehen, ſonſt
lachen ſie uns aus. Wenn man ſich alſo lernet in die Perſonen, und
in die Zeit ſchicken, ſo iſt das keine ars fallendi; aber Intriguen muß ei-
ner nicht ſuchen dabey zu machen. Derjenige, der das tempo ab-
paſſet, muß freylich auch morum elegantiam haben, und iſt mo-
rum elegantia eine concluſion, welche aus der Politic kommt, aber
ſie abſolviret nicht prudentiam civilem. Mancher hat ein Exterieur,
daß die Leute von ihm eine gute opinion bekommen; aber es fehlet ihm
noch an der Secunda Petri. Derjenige, welcher nur das bloſſe exterieur
hat, kan nicht beſſer als mit einem Buche verglichen werden, welches
ſchoͤn eingebunden iſt, aber inwendig iſt der Eulenſpiegel. Die Kleider,
die geſtus koͤnnen einen andern choquiren, daß er einen Eckel vor mir
bekommt, alsdenn werde ich keine æſtim, und keine Freundſchafft erhal-
ten. Omne ridiculum, omne tædioſum removendum. Darum heiſt es:
Si tu eris Romæ, Romano vivito more. CHriſtus hat ſich ſelbſt geklei-
det, wie die Juden gegangen. Derjenige iſt ein ſtultus, welcher ſuchet
neue Moden aufzubringen; der es aber nachmachet, wenn es andere
thun, iſt kein homo vanus. Separire ich mich in der Kleidung von andern
Leuten, und will die Mode nicht mitmachen, ſo bleiben alle Leute ſtehen,
und ſehen mich an, ja zuletzt lauffen gar die Jungen hinter mich drein.
Hertius hat in ſeinen Elementis prudentiæ civilis noch mehrere æquivo-
cationes. Er hat gewieſen, daß man bey denen Griechen die Huren poli-
ticas genennet, von dem Griechiſchen Wort πολύς: denn die Huren ſind
von einer Stadt zur andern gereiſet, ut corpore quæſtum facerent. * Zu
Zei-
* In Corinth war eine ſchoͤne Hure, welche ſich aber theuer bezahlen ließ, daher das
Sprichwort entſtanden: non cuivis licet adire Corinthum. Viele Theologi
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