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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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status circa Ministros & Magistratus inferiores.
man dabey lassen. Tiberius, so lange er gut regieret, hat auch gesagt:
semel assumtos in rependis imperiis esse retinendos. Er sagt, wenn auch
ein solcher Kerl reich würde, schadete es doch nicht so viel, als wenn man
immer umwechselte. Denn wenn einer wüste, daß er nur auf eine Zeit-
lang sollte da bleiben, so suchte er sich in kurtzer Zeit mit grosser Last
derer Unterthanen zu bereichern; die andern aber, welche beständig da
wären, thäten es nur peu a peu. Daher wird auch in sequentibus ge-
wiesen werden, daß es nicht gut, viele Leute bey der Cammer zu haben.
Wo viele Leute sind, die Rechnung führen, da stiehlt ein jeder; die Gou-
verneurs,
so nach America geschickt werden, drucken die Leute sehr, weil
sie wissen, daß sie die Posten nicht lange behalten, Es ist keine Quae-
stion
in der Politic, welche mehr ventiliret werden, als diese: an Magi-
stratus debeant esse perpetui?
Man kan raisons pro und contra beybrin-
gen. In contrarium bringet man sonderlich bey, daß sie stoltz würden,
und suchten sich zu beräuchern. Aber bey denen andern sind ebenfalls
incommoda. Cammer-Räthe müssen freylich bleiben, aber bey der ju-
stiz
kan man abwechseln. Denn wenn alle die justiz-Sachen verste-
hen, so können sie gar wohl alterniren. Die Landes-Gesetze sind ja
vorgeschrieben, nach welchen sie sich richten müssen. Antonius Perez in
seinem jure publico hat artige observationes hievon. Hertius in seiner
Politic hat auch hievon gehandelt, und saget: In Aristocratia und Demo-
cratia
sey es leicht auszumachen, aber in der Monarchia kommt es auf
ein jugement an, und meynet er, daß eben dieses müsse observiret wer-
den, was in antecedenti gedacht worden. Es muß auch ein grosser
Herr das Krieges-commando nicht einen beständig geben. Daher ist
leicht zu erachten, daß der Kayser in grosser Noth gewesen, als er den
VVallenstein zuletzt wieder angenommen, und in die Bestallung gesetzet,
daß er sollte beständiger General seyn, und nicht wieder abgesetzet wer-
den. Der Kayser sollte keinen Frieden schliessen, und keinen Krieg an-
fangen, das gieng alles dahin aus, daß er König in Böhmen werden
wollte, und wenn der Käyser nicht zuvor kommen wäre, und den VVal-
lenstein massacri
ren lassen, würde er ohnfehlbar König in Böhmen wor-
den seyn. Also siehet man, daß es absurd, einem das commando in
perpetuum
zu geben. Zum General kan man einen wohl machen, und ih-
me ein Regiment in perpetuum geben, aber nicht eine gantze Armee.

Sectio
J i 2

ſtatus circa Miniſtros & Magiſtratus inferiores.
man dabey laſſen. Tiberius, ſo lange er gut regieret, hat auch geſagt:
ſemel aſſumtos in rependis imperiis eſſe retinendos. Er ſagt, wenn auch
ein ſolcher Kerl reich wuͤrde, ſchadete es doch nicht ſo viel, als wenn man
immer umwechſelte. Denn wenn einer wuͤſte, daß er nur auf eine Zeit-
lang ſollte da bleiben, ſo ſuchte er ſich in kurtzer Zeit mit groſſer Laſt
derer Unterthanen zu bereichern; die andern aber, welche beſtaͤndig da
waͤren, thaͤten es nur peu a peu. Daher wird auch in ſequentibus ge-
wieſen werden, daß es nicht gut, viele Leute bey der Cammer zu haben.
Wo viele Leute ſind, die Rechnung fuͤhren, da ſtiehlt ein jeder; die Gou-
verneurs,
ſo nach America geſchickt werden, drucken die Leute ſehr, weil
ſie wiſſen, daß ſie die Poſten nicht lange behalten, Es iſt keine Quæ-
ſtion
in der Politic, welche mehr ventiliret werden, als dieſe: an Magi-
ſtratus debeant eſſe perpetui?
Man kan raiſons pro und contra beybrin-
gen. In contrarium bringet man ſonderlich bey, daß ſie ſtoltz wuͤrden,
und ſuchten ſich zu beraͤuchern. Aber bey denen andern ſind ebenfalls
incommoda. Cammer-Raͤthe muͤſſen freylich bleiben, aber bey der ju-
ſtiz
kan man abwechſeln. Denn wenn alle die juſtiz-Sachen verſte-
hen, ſo koͤnnen ſie gar wohl alterniren. Die Landes-Geſetze ſind ja
vorgeſchrieben, nach welchen ſie ſich richten muͤſſen. Antonius Perez in
ſeinem jure publico hat artige obſervationes hievon. Hertius in ſeiner
Politic hat auch hievon gehandelt, und ſaget: In Ariſtocratia und Demo-
cratia
ſey es leicht auszumachen, aber in der Monarchia kommt es auf
ein jugement an, und meynet er, daß eben dieſes muͤſſe obſerviret wer-
den, was in antecedenti gedacht worden. Es muß auch ein groſſer
Herr das Krieges-commando nicht einen beſtaͤndig geben. Daher iſt
leicht zu erachten, daß der Kayſer in groſſer Noth geweſen, als er den
VVallenſtein zuletzt wieder angenommen, und in die Beſtallung geſetzet,
daß er ſollte beſtaͤndiger General ſeyn, und nicht wieder abgeſetzet wer-
den. Der Kayſer ſollte keinen Frieden ſchlieſſen, und keinen Krieg an-
fangen, das gieng alles dahin aus, daß er Koͤnig in Boͤhmen werden
wollte, und wenn der Kaͤyſer nicht zuvor kommen waͤre, und den VVal-
lenſtein maſſacri
ren laſſen, wuͤrde er ohnfehlbar Koͤnig in Boͤhmen wor-
den ſeyn. Alſo ſiehet man, daß es abſurd, einem das commando in
perpetuum
zu geben. Zum General kan man einen wohl machen, und ih-
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Sectio
J i 2
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[251/0271] ſtatus circa Miniſtros & Magiſtratus inferiores. man dabey laſſen. Tiberius, ſo lange er gut regieret, hat auch geſagt: ſemel aſſumtos in rependis imperiis eſſe retinendos. Er ſagt, wenn auch ein ſolcher Kerl reich wuͤrde, ſchadete es doch nicht ſo viel, als wenn man immer umwechſelte. Denn wenn einer wuͤſte, daß er nur auf eine Zeit- lang ſollte da bleiben, ſo ſuchte er ſich in kurtzer Zeit mit groſſer Laſt derer Unterthanen zu bereichern; die andern aber, welche beſtaͤndig da waͤren, thaͤten es nur peu a peu. Daher wird auch in ſequentibus ge- wieſen werden, daß es nicht gut, viele Leute bey der Cammer zu haben. Wo viele Leute ſind, die Rechnung fuͤhren, da ſtiehlt ein jeder; die Gou- verneurs, ſo nach America geſchickt werden, drucken die Leute ſehr, weil ſie wiſſen, daß ſie die Poſten nicht lange behalten, Es iſt keine Quæ- ſtion in der Politic, welche mehr ventiliret werden, als dieſe: an Magi- ſtratus debeant eſſe perpetui? Man kan raiſons pro und contra beybrin- gen. In contrarium bringet man ſonderlich bey, daß ſie ſtoltz wuͤrden, und ſuchten ſich zu beraͤuchern. Aber bey denen andern ſind ebenfalls incommoda. Cammer-Raͤthe muͤſſen freylich bleiben, aber bey der ju- ſtiz kan man abwechſeln. Denn wenn alle die juſtiz-Sachen verſte- hen, ſo koͤnnen ſie gar wohl alterniren. Die Landes-Geſetze ſind ja vorgeſchrieben, nach welchen ſie ſich richten muͤſſen. Antonius Perez in ſeinem jure publico hat artige obſervationes hievon. Hertius in ſeiner Politic hat auch hievon gehandelt, und ſaget: In Ariſtocratia und Demo- cratia ſey es leicht auszumachen, aber in der Monarchia kommt es auf ein jugement an, und meynet er, daß eben dieſes muͤſſe obſerviret wer- den, was in antecedenti gedacht worden. Es muß auch ein groſſer Herr das Krieges-commando nicht einen beſtaͤndig geben. Daher iſt leicht zu erachten, daß der Kayſer in groſſer Noth geweſen, als er den VVallenſtein zuletzt wieder angenommen, und in die Beſtallung geſetzet, daß er ſollte beſtaͤndiger General ſeyn, und nicht wieder abgeſetzet wer- den. Der Kayſer ſollte keinen Frieden ſchlieſſen, und keinen Krieg an- fangen, das gieng alles dahin aus, daß er Koͤnig in Boͤhmen werden wollte, und wenn der Kaͤyſer nicht zuvor kommen waͤre, und den VVal- lenſtein maſſacriren laſſen, wuͤrde er ohnfehlbar Koͤnig in Boͤhmen wor- den ſeyn. Alſo ſiehet man, daß es abſurd, einem das commando in perpetuum zu geben. Zum General kan man einen wohl machen, und ih- me ein Regiment in perpetuum geben, aber nicht eine gantze Armee. Sectio J i 2

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/271>, abgerufen am 23.11.2024.