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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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statum reipublicae conservandi in genere.
sollte, daß es sein wahrer Ernst. Es ist eine Memoire hievon haussen,
daraus man solches sehen kan. Die grossen Herren trauen also einan-
der selbst nicht viel. Sie geben nur acht, wenn eine Gelegenheit kommt,
daß sie den andern können unterdrücken. Wie der Türcke vor Wien
stunde, so gieng der König in Franckreich vor Straßburg. Also habe
ich in der Dissertation nichts böses defendiret, sondern gesagt, wie es
würcklich ist, wenn man alle revolutiones ansiehet, welche in der Welt
geschehen, so wird man finden, daß keine einige gewesen, wo nicht ein
Kleinerer gewesen, der sich aggrandiret, und andere übern Hauffen ge-
worffen. Das hat Mons. Prideaux in seiner Historie de Juifs von de-
nen Juden gewiesen. Joh. Basilides in Moscau schmiß auch immer eine
Provinz nach der andern übern Hauffen, wodurch er eben so groß wor-
den. Der Richelieu hat in seinem Testamento Politico schöne Sachen,
und saget: In solchen Dingen müsse man keinen Fehler machen, son-
dern müsse sehen, was geschehen ist? geschehen kan? und geschehen
wird? man könne da die Abstractionisten nicht hören. Joh. a Felden,
ein Mathematicus in Helmstädt, in seinen notis ad Grotium, hat auch
den Grotium refutirt, dessen Noten eben nicht zu verwerffen, und hat
auch Leibniz was drauf gehalten. Mathematice kan man freylich nicht
sagen: diesen moment wird dieses oder jenes ausbrechen, aber moraliter
kan man es doch determiniren. Man muß hier des Baron de Lisolae
Schrifft unter dem Titul Bouclier d'Etat & de Iustice lesen. Er ist aus
Besancon gebürtig gewesen, und hat mit grossem Verstand geschrieben.
Er war von geringer extraction, ist Kayserlicher Ambassadeur gewesen,
und hat ihn der Kayser sehr bedauret, als er gestorben. Mons. Temple
saget von diesem Lisola in seinen Staats-Briefen, wenn er mit ihm in
conversation
gewesen, so hätte ihn der Lisola beständig übertroffen im
raisonniren. Er hat in einem besondern Tractat die Holländer, Enge-
länder und andere encouragiret wider Franckreich den Degen auszuzie-
hen, und er hat dem Könige in Franckreich mit dem Buche mehr Scha-
den gethan, als viele tausend Soldaten: denn dieses effectuirte, daß er
muste Frieden machen zu Aix le Chapelle, vid. Bayle sub voce Lisola.
Also kan man in solchen Fällen gar wohl den Degen ausziehen: denn
grosse Herren suchen offt geringe Ursachen von Zaun zu brechen, und
überfallen einen andern mit Krieg. Wie die Pohlen Händel hatten
mit denen Cosacken, so kam des Czaarn sein Vater, Alexius Michalo-
wiz,
und fieng mit denen Pohlen einen Lerm an, da er auch sehr gerin-
ge Ursachen beybrachte. Grotius supponirt einen potentem, qui quiescit,
aber ein potens thut das nicht. Zu Hause sind sie andächtig, sie singen,

lassen
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ſtatum reipublicæ conſervandi in genere.
ſollte, daß es ſein wahrer Ernſt. Es iſt eine Memoire hievon hauſſen,
daraus man ſolches ſehen kan. Die groſſen Herren trauen alſo einan-
der ſelbſt nicht viel. Sie geben nur acht, wenn eine Gelegenheit kommt,
daß ſie den andern koͤnnen unterdruͤcken. Wie der Tuͤrcke vor Wien
ſtunde, ſo gieng der Koͤnig in Franckreich vor Straßburg. Alſo habe
ich in der Diſſertation nichts boͤſes defendiret, ſondern geſagt, wie es
wuͤrcklich iſt, wenn man alle revolutiones anſiehet, welche in der Welt
geſchehen, ſo wird man finden, daß keine einige geweſen, wo nicht ein
Kleinerer geweſen, der ſich aggrandiret, und andere uͤbern Hauffen ge-
worffen. Das hat Monſ. Prideaux in ſeiner Hiſtorie de Juifs von de-
nen Juden gewieſen. Joh. Baſilides in Moſcau ſchmiß auch immer eine
Provinz nach der andern uͤbern Hauffen, wodurch er eben ſo groß wor-
den. Der Richelieu hat in ſeinem Teſtamento Politico ſchoͤne Sachen,
und ſaget: In ſolchen Dingen muͤſſe man keinen Fehler machen, ſon-
dern muͤſſe ſehen, was geſchehen iſt? geſchehen kan? und geſchehen
wird? man koͤnne da die Abſtractioniſten nicht hoͤren. Joh. a Felden,
ein Mathematicus in Helmſtaͤdt, in ſeinen notis ad Grotium, hat auch
den Grotium refutirt, deſſen Noten eben nicht zu verwerffen, und hat
auch Leibniz was drauf gehalten. Mathematice kan man freylich nicht
ſagen: dieſen moment wird dieſes oder jenes ausbrechen, aber moraliter
kan man es doch determiniren. Man muß hier des Baron de Liſolæ
Schrifft unter dem Titul Bouclier d’Etat & de Iuſtice leſen. Er iſt aus
Beſançon gebuͤrtig geweſen, und hat mit groſſem Verſtand geſchrieben.
Er war von geringer extraction, iſt Kayſerlicher Ambaſſadeur geweſen,
und hat ihn der Kayſer ſehr bedauret, als er geſtorben. Monſ. Temple
ſaget von dieſem Liſola in ſeinen Staats-Briefen, wenn er mit ihm in
converſation
geweſen, ſo haͤtte ihn der Liſola beſtaͤndig uͤbertroffen im
raiſonniren. Er hat in einem beſondern Tractat die Hollaͤnder, Enge-
laͤnder und andere encouragiret wider Franckreich den Degen auszuzie-
hen, und er hat dem Koͤnige in Franckreich mit dem Buche mehr Scha-
den gethan, als viele tauſend Soldaten: denn dieſes effectuirte, daß er
muſte Frieden machen zu Aix le Chapelle, vid. Bayle ſub voce Liſola.
Alſo kan man in ſolchen Faͤllen gar wohl den Degen ausziehen: denn
groſſe Herren ſuchen offt geringe Urſachen von Zaun zu brechen, und
uͤberfallen einen andern mit Krieg. Wie die Pohlen Haͤndel hatten
mit denen Coſacken, ſo kam des Czaarn ſein Vater, Alexius Michalo-
wiz,
und fieng mit denen Pohlen einen Lerm an, da er auch ſehr gerin-
ge Urſachen beybrachte. Grotius ſupponirt einen potentem, qui quieſcit,
aber ein potens thut das nicht. Zu Hauſe ſind ſie andaͤchtig, ſie ſingen,

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[173/0193] ſtatum reipublicæ conſervandi in genere. ſollte, daß es ſein wahrer Ernſt. Es iſt eine Memoire hievon hauſſen, daraus man ſolches ſehen kan. Die groſſen Herren trauen alſo einan- der ſelbſt nicht viel. Sie geben nur acht, wenn eine Gelegenheit kommt, daß ſie den andern koͤnnen unterdruͤcken. Wie der Tuͤrcke vor Wien ſtunde, ſo gieng der Koͤnig in Franckreich vor Straßburg. Alſo habe ich in der Diſſertation nichts boͤſes defendiret, ſondern geſagt, wie es wuͤrcklich iſt, wenn man alle revolutiones anſiehet, welche in der Welt geſchehen, ſo wird man finden, daß keine einige geweſen, wo nicht ein Kleinerer geweſen, der ſich aggrandiret, und andere uͤbern Hauffen ge- worffen. Das hat Monſ. Prideaux in ſeiner Hiſtorie de Juifs von de- nen Juden gewieſen. Joh. Baſilides in Moſcau ſchmiß auch immer eine Provinz nach der andern uͤbern Hauffen, wodurch er eben ſo groß wor- den. Der Richelieu hat in ſeinem Teſtamento Politico ſchoͤne Sachen, und ſaget: In ſolchen Dingen muͤſſe man keinen Fehler machen, ſon- dern muͤſſe ſehen, was geſchehen iſt? geſchehen kan? und geſchehen wird? man koͤnne da die Abſtractioniſten nicht hoͤren. Joh. a Felden, ein Mathematicus in Helmſtaͤdt, in ſeinen notis ad Grotium, hat auch den Grotium refutirt, deſſen Noten eben nicht zu verwerffen, und hat auch Leibniz was drauf gehalten. Mathematice kan man freylich nicht ſagen: dieſen moment wird dieſes oder jenes ausbrechen, aber moraliter kan man es doch determiniren. Man muß hier des Baron de Liſolæ Schrifft unter dem Titul Bouclier d’Etat & de Iuſtice leſen. Er iſt aus Beſançon gebuͤrtig geweſen, und hat mit groſſem Verſtand geſchrieben. Er war von geringer extraction, iſt Kayſerlicher Ambaſſadeur geweſen, und hat ihn der Kayſer ſehr bedauret, als er geſtorben. Monſ. Temple ſaget von dieſem Liſola in ſeinen Staats-Briefen, wenn er mit ihm in converſation geweſen, ſo haͤtte ihn der Liſola beſtaͤndig uͤbertroffen im raiſonniren. Er hat in einem beſondern Tractat die Hollaͤnder, Enge- laͤnder und andere encouragiret wider Franckreich den Degen auszuzie- hen, und er hat dem Koͤnige in Franckreich mit dem Buche mehr Scha- den gethan, als viele tauſend Soldaten: denn dieſes effectuirte, daß er muſte Frieden machen zu Aix le Chapelle, vid. Bayle ſub voce Liſola. Alſo kan man in ſolchen Faͤllen gar wohl den Degen ausziehen: denn groſſe Herren ſuchen offt geringe Urſachen von Zaun zu brechen, und uͤberfallen einen andern mit Krieg. Wie die Pohlen Haͤndel hatten mit denen Coſacken, ſo kam des Czaarn ſein Vater, Alexius Michalo- wiz, und fieng mit denen Pohlen einen Lerm an, da er auch ſehr gerin- ge Urſachen beybrachte. Grotius ſupponirt einen potentem, qui quieſcit, aber ein potens thut das nicht. Zu Hauſe ſind ſie andaͤchtig, ſie ſingen, laſſen Y 3

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/193>, abgerufen am 24.11.2024.