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Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.

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Cap. V. De prudentia
so haben die andern alle ihre Kräffte zusammen gethan, und den Brand
gesucht zu löschen. Daher ist kein Wunder, daß die respublicae milita-
res
auf die letzte so ein miserables Ende nehmen. Denn wenn gleich ei-
ner potentissimus in Ansehung hujus, illius, so kan er doch nicht potens
seyn, wenn alle ihre Kräffte wider ihn conjungiren. Wir sehen, daß,
als Louis XIV. aus der balance kommen, alle auf ihn loß geschlagen.
Rom ist mole sua über den Hauffen gegangen, daher hat auch Augustus
gesagt: Se hoc suadere, ut potentia Romana intra modum coerceatur,
und daß sie nicht andern nationibus einen Schein gäbe, als wenn sie ih-
nen das Joch übern Halß werffen wollte, sonst würden sie alle auf sie loß
fallen. So ist es auch nachgehends geschehen. In abstracto scheinet es
am besten, wenn gar kein bellum wäre. Aber manchmahl kan man oh-
ne Krieg nicht seyn, wenn auch einer will wider meinen Willen sich un-
terwerffen. Offt findet man, daß Leute sich freywillig unter eines sein
imperium sich begeben, aber eine solche conspiratio voluntatum ist nicht
vorhanden, wenn man einen zwingen will; Suchet nun einer mit
Gewalt andere Leute unter sich zu bringen, so sind in der Ferne
auch Leute, welche Hertz und courage haben, und den andern su-
chen übern Hauffen zu werffen. Regino, Abt zu Pruim, sagt auch,
daß das Carolingische Reich durch seine Schwere übern Hauffen
gegangen. Also kan man gar leicht demonstriren, wo es herkommen,
Derer similium zugeschweigen, welche man hier gebrauchen könnte. Denn
man könnte sagen, ein Cörper, der zu groß ist, ist vielen imbecillitatibus
unterworffen, und kan also eher zu Grunde gehen, als ein mittelmäßiger.
Unter allen grossen Republiquen ist das principium: Potentiae crescenti
te opponas,
wovon man in Parte V. Gundl. eine dissertation finden kan.
Die Christen sind bey denen Chinesern und Jappanern sehr verhaßt, und
werden fast vor infam gehalten, weil sie wahr genommen, daß, wo man
die Christen aufgenommen, so sind sie erst sehr gut gewesen, aber nach-
gehends haben sie gesucht, die Völcker unter das Joch zu bringen, wie
Ludovicus XIV. so groß wurde, fiel gantz Europa auf ihn loß. Der
Pabft ruhete in solchem Fall nicht einmahl. Grotius in seiner Historia
Belgica,
da er vorne herein erzehlet, wie die Spanische Republic sich an-
gefangen zu erheben, saget: Es habe der Pabst selbst gerne gesehen, daß
die Holländer revoltirt, weil die Spanier so sehr hochmüthig worden.
Es finden sich unter grossen Herren immer solche, welche eine Universal-
Monarchie affecti
ren, und dencken sie, wenn gleich dieser und jener nicht
reussiret habe, so wollten sie doch durchbrechen, sie sind wie die Fliegen,
welche neben dem Fleische sehen die Leichen liegen, und doch auch hinflie-

gen

Cap. V. De prudentia
ſo haben die andern alle ihre Kraͤffte zuſammen gethan, und den Brand
geſucht zu loͤſchen. Daher iſt kein Wunder, daß die respublicæ milita-
res
auf die letzte ſo ein miſerables Ende nehmen. Denn wenn gleich ei-
ner potentiſſimus in Anſehung hujus, illius, ſo kan er doch nicht potens
ſeyn, wenn alle ihre Kraͤffte wider ihn conjungiren. Wir ſehen, daß,
als Louis XIV. aus der balance kommen, alle auf ihn loß geſchlagen.
Rom iſt mole ſua uͤber den Hauffen gegangen, daher hat auch Auguſtus
geſagt: Se hoc ſuadere, ut potentia Romana intra modum coërceatur,
und daß ſie nicht andern nationibus einen Schein gaͤbe, als wenn ſie ih-
nen das Joch uͤbern Halß werffen wollte, ſonſt wuͤrden ſie alle auf ſie loß
fallen. So iſt es auch nachgehends geſchehen. In abſtracto ſcheinet es
am beſten, wenn gar kein bellum waͤre. Aber manchmahl kan man oh-
ne Krieg nicht ſeyn, wenn auch einer will wider meinen Willen ſich un-
terwerffen. Offt findet man, daß Leute ſich freywillig unter eines ſein
imperium ſich begeben, aber eine ſolche conſpiratio voluntatum iſt nicht
vorhanden, wenn man einen zwingen will; Suchet nun einer mit
Gewalt andere Leute unter ſich zu bringen, ſo ſind in der Ferne
auch Leute, welche Hertz und courage haben, und den andern ſu-
chen uͤbern Hauffen zu werffen. Regino, Abt zu Pruim, ſagt auch,
daß das Carolingiſche Reich durch ſeine Schwere uͤbern Hauffen
gegangen. Alſo kan man gar leicht demonſtriren, wo es herkommen,
Derer ſimilium zugeſchweigen, welche man hier gebrauchen koͤnnte. Denn
man koͤnnte ſagen, ein Coͤrper, der zu groß iſt, iſt vielen imbecillitatibus
unterworffen, und kan alſo eher zu Grunde gehen, als ein mittelmaͤßiger.
Unter allen groſſen Republiquen iſt das principium: Potentiæ creſcenti
te opponas,
wovon man in Parte V. Gundl. eine diſſertation finden kan.
Die Chriſten ſind bey denen Chineſern und Jappanern ſehr verhaßt, und
werden faſt vor infam gehalten, weil ſie wahr genommen, daß, wo man
die Chriſten aufgenommen, ſo ſind ſie erſt ſehr gut geweſen, aber nach-
gehends haben ſie geſucht, die Voͤlcker unter das Joch zu bringen, wie
Ludovicus XIV. ſo groß wurde, fiel gantz Europa auf ihn loß. Der
Pabft ruhete in ſolchem Fall nicht einmahl. Grotius in ſeiner Hiſtoria
Belgica,
da er vorne herein erzehlet, wie die Spaniſche Republic ſich an-
gefangen zu erheben, ſaget: Es habe der Pabſt ſelbſt gerne geſehen, daß
die Hollaͤnder revoltirt, weil die Spanier ſo ſehr hochmuͤthig worden.
Es finden ſich unter groſſen Herren immer ſolche, welche eine Univerſal-
Monarchie affecti
ren, und dencken ſie, wenn gleich dieſer und jener nicht
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[158/0178] Cap. V. De prudentia ſo haben die andern alle ihre Kraͤffte zuſammen gethan, und den Brand geſucht zu loͤſchen. Daher iſt kein Wunder, daß die respublicæ milita- res auf die letzte ſo ein miſerables Ende nehmen. Denn wenn gleich ei- ner potentiſſimus in Anſehung hujus, illius, ſo kan er doch nicht potens ſeyn, wenn alle ihre Kraͤffte wider ihn conjungiren. Wir ſehen, daß, als Louis XIV. aus der balance kommen, alle auf ihn loß geſchlagen. Rom iſt mole ſua uͤber den Hauffen gegangen, daher hat auch Auguſtus geſagt: Se hoc ſuadere, ut potentia Romana intra modum coërceatur, und daß ſie nicht andern nationibus einen Schein gaͤbe, als wenn ſie ih- nen das Joch uͤbern Halß werffen wollte, ſonſt wuͤrden ſie alle auf ſie loß fallen. So iſt es auch nachgehends geſchehen. In abſtracto ſcheinet es am beſten, wenn gar kein bellum waͤre. Aber manchmahl kan man oh- ne Krieg nicht ſeyn, wenn auch einer will wider meinen Willen ſich un- terwerffen. Offt findet man, daß Leute ſich freywillig unter eines ſein imperium ſich begeben, aber eine ſolche conſpiratio voluntatum iſt nicht vorhanden, wenn man einen zwingen will; Suchet nun einer mit Gewalt andere Leute unter ſich zu bringen, ſo ſind in der Ferne auch Leute, welche Hertz und courage haben, und den andern ſu- chen uͤbern Hauffen zu werffen. Regino, Abt zu Pruim, ſagt auch, daß das Carolingiſche Reich durch ſeine Schwere uͤbern Hauffen gegangen. Alſo kan man gar leicht demonſtriren, wo es herkommen, Derer ſimilium zugeſchweigen, welche man hier gebrauchen koͤnnte. Denn man koͤnnte ſagen, ein Coͤrper, der zu groß iſt, iſt vielen imbecillitatibus unterworffen, und kan alſo eher zu Grunde gehen, als ein mittelmaͤßiger. Unter allen groſſen Republiquen iſt das principium: Potentiæ creſcenti te opponas, wovon man in Parte V. Gundl. eine diſſertation finden kan. Die Chriſten ſind bey denen Chineſern und Jappanern ſehr verhaßt, und werden faſt vor infam gehalten, weil ſie wahr genommen, daß, wo man die Chriſten aufgenommen, ſo ſind ſie erſt ſehr gut geweſen, aber nach- gehends haben ſie geſucht, die Voͤlcker unter das Joch zu bringen, wie Ludovicus XIV. ſo groß wurde, fiel gantz Europa auf ihn loß. Der Pabft ruhete in ſolchem Fall nicht einmahl. Grotius in ſeiner Hiſtoria Belgica, da er vorne herein erzehlet, wie die Spaniſche Republic ſich an- gefangen zu erheben, ſaget: Es habe der Pabſt ſelbſt gerne geſehen, daß die Hollaͤnder revoltirt, weil die Spanier ſo ſehr hochmuͤthig worden. Es finden ſich unter groſſen Herren immer ſolche, welche eine Univerſal- Monarchie affectiren, und dencken ſie, wenn gleich dieſer und jener nicht reuſſiret habe, ſo wollten ſie doch durchbrechen, ſie ſind wie die Fliegen, welche neben dem Fleiſche ſehen die Leichen liegen, und doch auch hinflie- gen

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Zitationshilfe: Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gundling_discours_1733/178>, abgerufen am 24.11.2024.