Gundling, Nicolaus Hieronymus: Discovrs über Weyl. Herrn D. Io. Franc. Bvddei [...] Philosophiæ Practicæ Part. III. Die Politic. Frankfurt (Main) u. a., 1733.Cap. IV. haben sie sich selbst gemacht. Sie waren also liberi homines, und wennsie jemand braucheten zu Knechten, so nahmen sie solche von Fremden, etwa von denen Arabern, da nun eine aequalitas bey ihnen war, und man brauchte die Leute nicht zu expeditionibus, sondern suchte nur das Land zu conserviren, so kan keine felicior respublica ausgedacht werden. Ja es ist nicht nöthig eine Rempublicam idealem zu fingiren, sondern man darff sich nur diese Republic recht vorstellen, da kein extreme pauper seyn können. Damit auch kein extreme pauper seyn sollte, so haben sie nicht alles aus denen Weinbergen und von den Aeckern dürffen wegnehmen; sondern sie haben ein Specilegium gehabt: Denn es konnte seyn, daß ei- ner viel Kinder hatte, da es kleine portiones setzte, daher konnten sie sich hierdurch noch helffen. Der Diebstahl wurde bey ihnen nicht mit dem Tode gestrafft, sondern mit dem duplo vel quadruplo: Denn diejenigen, welche gestohlen, hatten es nur ex avaritia gethan; Dieses aber kan man bey uns nicht appliciren: Denn unsere Diebe sind mehrentheils arm; deßwegen müssen wir eben auf die Todes-Straffe gehen. De republ. Ebraeorum hat auch Melchior Leidekker 2. Folianten geschrieben, worin- nen er den l'Empereur ziemlich excerpiret. Die Lacedemonier haben in ihrer Republic auch vieles gehabt, so mit denen Jüdischen Gesetzen über- ein trifft, wie Nicolaus Cragius gewiesen, auch Jo. Adolph. Hoffmann in seiner Politica. * Daß man aber den perfectiosissimum statum, welcher bey denen Juden gewesen, nicht bey uns appliciren kan, lässet sich leicht aus folgendem simili begreiffen: Wir sind beschaffen, wie die Leute, so bucklicht sind, diesen Leuten muß man solche Kleider machen, welche sich nach ihren Buckel schicken. Wenn nun einer käme und sagte: Hier wären vortreffliche Kleider, die nach einer guten taille gemacht, man soll- te diese dem Buccolomini lassen anziehen, so schicken sich die beyden Stück-Kugeln, welche er hinten und forne hat, nicht in das Kleid; ja wenn man ihm solches anziehet, so will er darinnen ersticken. Eben al- so kan man die perfectissimas Leges bey uns gebrauchen, da wir einen so corrupten Zustand haben. Es wäre freylich schön, daß wir in einem sol- chem Zustand wären, daß sie bey uns applicable, gleichwie es bey einem, der an Krücken gehet, auch besser wäre, wenn er die Krücken könne weg- werffen. Ob nun gleich gewiesen worden, daß die respublica Judaica sehr * Sein Buch ist in Holland gedruckt, er ist gereist, und in Engeland gewesen; die
Politic hat er dem jungen Vitriario gewiesen, welcher gemeynet, er sollte sie lassen drucken, und findet man auch treffliche Penseen darinnen, die man sehr wohl gebrauchen kan. Cap. IV. haben ſie ſich ſelbſt gemacht. Sie waren alſo liberi homines, und wennſie jemand braucheten zu Knechten, ſo nahmen ſie ſolche von Fremden, etwa von denen Arabern, da nun eine æqualitas bey ihnen war, und man brauchte die Leute nicht zu expeditionibus, ſondern ſuchte nur das Land zu conſerviren, ſo kan keine felicior reſpublica ausgedacht werden. Ja es iſt nicht noͤthig eine Rempublicam idealem zu fingiren, ſondern man darff ſich nur dieſe Republic recht vorſtellen, da kein extreme pauper ſeyn koͤnnen. Damit auch kein extreme pauper ſeyn ſollte, ſo haben ſie nicht alles aus denen Weinbergen und von den Aeckern duͤrffen wegnehmen; ſondern ſie haben ein Specilegium gehabt: Denn es konnte ſeyn, daß ei- ner viel Kinder hatte, da es kleine portiones ſetzte, daher konnten ſie ſich hierdurch noch helffen. Der Diebſtahl wurde bey ihnen nicht mit dem Tode geſtrafft, ſondern mit dem duplo vel quadruplo: Denn diejenigen, welche geſtohlen, hatten es nur ex avaritia gethan; Dieſes aber kan man bey uns nicht appliciren: Denn unſere Diebe ſind mehrentheils arm; deßwegen muͤſſen wir eben auf die Todes-Straffe gehen. De republ. Ebræorum hat auch Melchior Leidekker 2. Folianten geſchrieben, worin- nen er den l’Empereur ziemlich excerpiret. Die Lacedemonier haben in ihrer Republic auch vieles gehabt, ſo mit denen Juͤdiſchen Geſetzen uͤber- ein trifft, wie Nicolaus Cragius gewieſen, auch Jo. Adolph. Hoffmann in ſeiner Politica. * Daß man aber den perfectioſiſſimum ſtatum, welcher bey denen Juden geweſen, nicht bey uns appliciren kan, laͤſſet ſich leicht aus folgendem ſimili begreiffen: Wir ſind beſchaffen, wie die Leute, ſo bucklicht ſind, dieſen Leuten muß man ſolche Kleider machen, welche ſich nach ihren Buckel ſchicken. Wenn nun einer kaͤme und ſagte: Hier waͤren vortreffliche Kleider, die nach einer guten taille gemacht, man ſoll- te dieſe dem Buccolomini laſſen anziehen, ſo ſchicken ſich die beyden Stuͤck-Kugeln, welche er hinten und forne hat, nicht in das Kleid; ja wenn man ihm ſolches anziehet, ſo will er darinnen erſticken. Eben al- ſo kan man die perfectiſſimas Leges bey uns gebrauchen, da wir einen ſo corrupten Zuſtand haben. Es waͤre freylich ſchoͤn, daß wir in einem ſol- chem Zuſtand waͤren, daß ſie bey uns applicable, gleichwie es bey einem, der an Kruͤcken gehet, auch beſſer waͤre, wenn er die Kruͤcken koͤnne weg- werffen. Ob nun gleich gewieſen worden, daß die reſpublica Judaica ſehr * Sein Buch iſt in Holland gedruckt, er iſt gereiſt, und in Engeland geweſen; die
Politic hat er dem jungen Vitriario gewieſen, welcher gemeynet, er ſollte ſie laſſen drucken, und findet man auch treffliche Penſéen darinnen, die man ſehr wohl gebrauchen kan. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0130" n="110"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#g"><hi rendition="#k">Cap.</hi></hi> IV.</hi></fw><lb/> haben ſie ſich ſelbſt gemacht. Sie waren alſo <hi rendition="#aq">liberi homines,</hi> und wenn<lb/> ſie jemand braucheten zu Knechten, ſo nahmen ſie ſolche von Fremden,<lb/> etwa von denen Arabern, da nun eine <hi rendition="#aq">æqualitas</hi> bey ihnen war, und man<lb/> brauchte die Leute nicht zu <hi rendition="#aq">expeditionibus,</hi> ſondern ſuchte nur das Land<lb/> zu <hi rendition="#aq">conſervi</hi>ren, ſo kan keine <hi rendition="#aq">felicior reſpublica</hi> ausgedacht werden. Ja<lb/> es iſt nicht noͤthig eine <hi rendition="#aq">Rempublicam idealem</hi> zu <hi rendition="#aq">fingi</hi>ren, ſondern man<lb/> darff ſich nur dieſe Republic recht vorſtellen, da kein <hi rendition="#aq">extreme pauper</hi> ſeyn<lb/> koͤnnen. Damit auch kein <hi rendition="#aq">extreme pauper</hi> ſeyn ſollte, ſo haben ſie nicht<lb/> alles aus denen Weinbergen und von den Aeckern duͤrffen wegnehmen;<lb/> ſondern ſie haben ein <hi rendition="#aq">Specilegium</hi> gehabt: Denn es konnte ſeyn, daß ei-<lb/> ner viel Kinder hatte, da es kleine <hi rendition="#aq">portiones</hi> ſetzte, daher konnten ſie ſich<lb/> hierdurch noch helffen. Der Diebſtahl wurde bey ihnen nicht mit dem<lb/> Tode geſtrafft, ſondern mit dem <hi rendition="#aq">duplo vel quadruplo:</hi> Denn diejenigen,<lb/> welche geſtohlen, hatten es nur <hi rendition="#aq">ex avaritia</hi> gethan; Dieſes aber kan man<lb/> bey uns nicht <hi rendition="#aq">applici</hi>ren: Denn unſere Diebe ſind mehrentheils arm;<lb/> deßwegen muͤſſen wir eben auf die Todes-Straffe gehen. <hi rendition="#aq">De republ.<lb/> Ebræorum</hi> hat auch <hi rendition="#aq">Melchior Leidekker 2. Folian</hi>ten geſchrieben, worin-<lb/> nen er den <hi rendition="#aq">l’Empereur</hi> ziemlich <hi rendition="#aq">excerpi</hi>ret. Die Lacedemonier haben in<lb/> ihrer Republic auch vieles gehabt, ſo mit denen Juͤdiſchen Geſetzen uͤber-<lb/> ein trifft, wie <hi rendition="#aq">Nicolaus Cragius</hi> gewieſen, auch <hi rendition="#aq">Jo. Adolph. Hoffmann</hi><lb/> in ſeiner <hi rendition="#aq">Politica.</hi> <note place="foot" n="*">Sein Buch iſt in Holland gedruckt, er iſt gereiſt, und in Engeland geweſen; die<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Politic</hi> hat er dem jungen <hi rendition="#aq">Vitriario</hi> gewieſen, welcher gemeynet, er ſollte ſie<lb/> laſſen drucken, und findet man auch treffliche <hi rendition="#aq">Penſéen</hi> darinnen, die man ſehr<lb/> wohl gebrauchen kan.</hi></note> Daß man aber den <hi rendition="#aq">perfectioſiſſimum ſtatum,</hi> welcher<lb/> bey denen Juden geweſen, nicht bey uns <hi rendition="#aq">applici</hi>ren kan, laͤſſet ſich leicht<lb/> aus folgendem <hi rendition="#aq">ſimili</hi> begreiffen: Wir ſind beſchaffen, wie die Leute, ſo<lb/> bucklicht ſind, dieſen Leuten muß man ſolche Kleider machen, welche ſich<lb/> nach ihren Buckel ſchicken. Wenn nun einer kaͤme und ſagte: Hier<lb/> waͤren vortreffliche Kleider, die nach einer guten <hi rendition="#aq">taille</hi> gemacht, man ſoll-<lb/> te dieſe dem <hi rendition="#aq">Buccolomini</hi> laſſen anziehen, ſo ſchicken ſich die beyden<lb/> Stuͤck-Kugeln, welche er hinten und forne hat, nicht in das Kleid; ja<lb/> wenn man ihm ſolches anziehet, ſo will er darinnen erſticken. Eben al-<lb/> ſo kan man die <hi rendition="#aq">perfectiſſimas Leges</hi> bey uns gebrauchen, da wir einen ſo<lb/><hi rendition="#aq">corrup</hi>ten Zuſtand haben. Es waͤre freylich ſchoͤn, daß wir in einem ſol-<lb/> chem Zuſtand waͤren, daß ſie bey uns <hi rendition="#aq">applicable,</hi> gleichwie es bey einem,<lb/> der an Kruͤcken gehet, auch beſſer waͤre, wenn er die Kruͤcken koͤnne weg-<lb/> werffen. Ob nun gleich gewieſen worden, daß die <hi rendition="#aq">reſpublica Judaica</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſehr</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [110/0130]
Cap. IV.
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ſie jemand braucheten zu Knechten, ſo nahmen ſie ſolche von Fremden,
etwa von denen Arabern, da nun eine æqualitas bey ihnen war, und man
brauchte die Leute nicht zu expeditionibus, ſondern ſuchte nur das Land
zu conſerviren, ſo kan keine felicior reſpublica ausgedacht werden. Ja
es iſt nicht noͤthig eine Rempublicam idealem zu fingiren, ſondern man
darff ſich nur dieſe Republic recht vorſtellen, da kein extreme pauper ſeyn
koͤnnen. Damit auch kein extreme pauper ſeyn ſollte, ſo haben ſie nicht
alles aus denen Weinbergen und von den Aeckern duͤrffen wegnehmen;
ſondern ſie haben ein Specilegium gehabt: Denn es konnte ſeyn, daß ei-
ner viel Kinder hatte, da es kleine portiones ſetzte, daher konnten ſie ſich
hierdurch noch helffen. Der Diebſtahl wurde bey ihnen nicht mit dem
Tode geſtrafft, ſondern mit dem duplo vel quadruplo: Denn diejenigen,
welche geſtohlen, hatten es nur ex avaritia gethan; Dieſes aber kan man
bey uns nicht appliciren: Denn unſere Diebe ſind mehrentheils arm;
deßwegen muͤſſen wir eben auf die Todes-Straffe gehen. De republ.
Ebræorum hat auch Melchior Leidekker 2. Folianten geſchrieben, worin-
nen er den l’Empereur ziemlich excerpiret. Die Lacedemonier haben in
ihrer Republic auch vieles gehabt, ſo mit denen Juͤdiſchen Geſetzen uͤber-
ein trifft, wie Nicolaus Cragius gewieſen, auch Jo. Adolph. Hoffmann
in ſeiner Politica. * Daß man aber den perfectioſiſſimum ſtatum, welcher
bey denen Juden geweſen, nicht bey uns appliciren kan, laͤſſet ſich leicht
aus folgendem ſimili begreiffen: Wir ſind beſchaffen, wie die Leute, ſo
bucklicht ſind, dieſen Leuten muß man ſolche Kleider machen, welche ſich
nach ihren Buckel ſchicken. Wenn nun einer kaͤme und ſagte: Hier
waͤren vortreffliche Kleider, die nach einer guten taille gemacht, man ſoll-
te dieſe dem Buccolomini laſſen anziehen, ſo ſchicken ſich die beyden
Stuͤck-Kugeln, welche er hinten und forne hat, nicht in das Kleid; ja
wenn man ihm ſolches anziehet, ſo will er darinnen erſticken. Eben al-
ſo kan man die perfectiſſimas Leges bey uns gebrauchen, da wir einen ſo
corrupten Zuſtand haben. Es waͤre freylich ſchoͤn, daß wir in einem ſol-
chem Zuſtand waͤren, daß ſie bey uns applicable, gleichwie es bey einem,
der an Kruͤcken gehet, auch beſſer waͤre, wenn er die Kruͤcken koͤnne weg-
werffen. Ob nun gleich gewieſen worden, daß die reſpublica Judaica
ſehr
* Sein Buch iſt in Holland gedruckt, er iſt gereiſt, und in Engeland geweſen; die
Politic hat er dem jungen Vitriario gewieſen, welcher gemeynet, er ſollte ſie
laſſen drucken, und findet man auch treffliche Penſéen darinnen, die man ſehr
wohl gebrauchen kan.
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