Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.in Ans. der einzeln. Bürger u. Unterthanen. sten Grundlagen des Wohlstandes angesehn: es erfo-dert daher die Staatsklugheit alle Mittel anzuwenden, wodurch die Vermehrung derselben befördert und die Verminderung verhütet werden kann. Jede Nazion hat auch das unstreitige Recht dazu, in sofern andern keine Beleidigung zugefügt wird. Es kann ihr daher von andern nicht verwehrt werden, neue Colonieen an- zulegen, d. i. entweder noch unbebaute Gegenden ihres Territoriums innerhalb Europa, oder auch neu ent- deckte Lande in andern Welttheilen mit Bewohnern zu besetzen; sie müste denn durch Verträge, dergleichen ich schon oben angeführt habe, sich verbindlich gemacht haben, daß eine gewisse Gegend ganz unbebaut und neutral liegen bleiben, oder die Etablirung einer Hand- lung daselbst unterlassen werden solle a]. Daß eine Nazion zu dieser Bevölkerung sich seiner eignen in ge- wissen Gegenden vielleicht im Ueberflus vorhandenen Bewohner sich bediene und solche in die unbebauten Lande versetze, kann andern Nazionen gleichgültig seyn, wenn sie nicht durch Verträge besondere Rechte in Ab- sicht der zu versetzenden Unterthanen erlangt haben b]. a] Mosers Versuch 5. Th. 5. Buch 6. Kap. Von der europäischen Souverainen Colonieen, besonders aus- ser Europa S. 391. und Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. 9. Kap. Von Colonieen in und ausser Europa T. 398. ff. Die Pforte wolte z. B. 1755. nicht zulassen, daß Rußland die Colonie Neu-Servien anlegte, unter der Behauptung, daß diese Gegend ungebaut liegen bleiben müste, und führte dies auch 1769. als eine Ursache des Krieges an, muste aber in dem Frieden 1774. nachge- ben. s. Mosers Beitr. a. a. O. S. 409. b] Nach dem westphälischen Frieden haben die Unterthanen der von ihrer Landesherschaft abweichenden Religionsver- wandten, unter gewissen Voraussetzungen das Recht und die Verbindlichkeit auszuwandern; gegen ihre Versetzung T 5
in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen. ſten Grundlagen des Wohlſtandes angeſehn: es erfo-dert daher die Staatsklugheit alle Mittel anzuwenden, wodurch die Vermehrung derſelben befoͤrdert und die Verminderung verhuͤtet werden kann. Jede Nazion hat auch das unſtreitige Recht dazu, in ſofern andern keine Beleidigung zugefuͤgt wird. Es kann ihr daher von andern nicht verwehrt werden, neue Colonieen an- zulegen, d. i. entweder noch unbebaute Gegenden ihres Territoriums innerhalb Europa, oder auch neu ent- deckte Lande in andern Welttheilen mit Bewohnern zu beſetzen; ſie muͤſte denn durch Vertraͤge, dergleichen ich ſchon oben angefuͤhrt habe, ſich verbindlich gemacht haben, daß eine gewiſſe Gegend ganz unbebaut und neutral liegen bleiben, oder die Etablirung einer Hand- lung daſelbſt unterlaſſen werden ſolle a]. Daß eine Nazion zu dieſer Bevoͤlkerung ſich ſeiner eignen in ge- wiſſen Gegenden vielleicht im Ueberflus vorhandenen Bewohner ſich bediene und ſolche in die unbebauten Lande verſetze, kann andern Nazionen gleichguͤltig ſeyn, wenn ſie nicht durch Vertraͤge beſondere Rechte in Ab- ſicht der zu verſetzenden Unterthanen erlangt haben b]. a] Moſers Verſuch 5. Th. 5. Buch 6. Kap. Von der europaͤiſchen Souverainen Colonieen, beſonders auſ- ſer Europa S. 391. und Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. 9. Kap. Von Colonieen in und auſſer Europa T. 398. ff. Die Pforte wolte z. B. 1755. nicht zulaſſen, daß Rußland die Colonie Neu-Servien anlegte, unter der Behauptung, daß dieſe Gegend ungebaut liegen bleiben muͤſte, und fuͤhrte dies auch 1769. als eine Urſache des Krieges an, muſte aber in dem Frieden 1774. nachge- ben. ſ. Moſers Beitr. a. a. O. S. 409. b] Nach dem weſtphaͤliſchen Frieden haben die Unterthanen der von ihrer Landesherſchaft abweichenden Religionsver- wandten, unter gewiſſen Vorausſetzungen das Recht und die Verbindlichkeit auszuwandern; gegen ihre Verſetzung T 5
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in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
ſten Grundlagen des Wohlſtandes angeſehn: es erfo-
dert daher die Staatsklugheit alle Mittel anzuwenden,
wodurch die Vermehrung derſelben befoͤrdert und die
Verminderung verhuͤtet werden kann. Jede Nazion
hat auch das unſtreitige Recht dazu, in ſofern andern
keine Beleidigung zugefuͤgt wird. Es kann ihr daher
von andern nicht verwehrt werden, neue Colonieen an-
zulegen, d. i. entweder noch unbebaute Gegenden ihres
Territoriums innerhalb Europa, oder auch neu ent-
deckte Lande in andern Welttheilen mit Bewohnern zu
beſetzen; ſie muͤſte denn durch Vertraͤge, dergleichen
ich ſchon oben angefuͤhrt habe, ſich verbindlich gemacht
haben, daß eine gewiſſe Gegend ganz unbebaut und
neutral liegen bleiben, oder die Etablirung einer Hand-
lung daſelbſt unterlaſſen werden ſolle a]. Daß eine
Nazion zu dieſer Bevoͤlkerung ſich ſeiner eignen in ge-
wiſſen Gegenden vielleicht im Ueberflus vorhandenen
Bewohner ſich bediene und ſolche in die unbebauten
Lande verſetze, kann andern Nazionen gleichguͤltig ſeyn,
wenn ſie nicht durch Vertraͤge beſondere Rechte in Ab-
ſicht der zu verſetzenden Unterthanen erlangt haben b].
a] Moſers Verſuch 5. Th. 5. Buch 6. Kap. Von
der europaͤiſchen Souverainen Colonieen, beſonders auſ-
ſer Europa S. 391. und Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th.
9. Kap. Von Colonieen in und auſſer Europa T. 398.
ff. Die Pforte wolte z. B. 1755. nicht zulaſſen, daß
Rußland die Colonie Neu-Servien anlegte, unter der
Behauptung, daß dieſe Gegend ungebaut liegen bleiben
muͤſte, und fuͤhrte dies auch 1769. als eine Urſache des
Krieges an, muſte aber in dem Frieden 1774. nachge-
ben. ſ. Moſers Beitr. a. a. O. S. 409.
b] Nach dem weſtphaͤliſchen Frieden haben die Unterthanen
der von ihrer Landesherſchaft abweichenden Religionsver-
wandten, unter gewiſſen Vorausſetzungen das Recht und
die Verbindlichkeit auszuwandern; gegen ihre Verſetzung
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